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85. Geburtstag: Mario Adorf: Der Mann, der Nscho-tschi erschoss

85. Geburtstag

Mario Adorf: Der Mann, der Nscho-tschi erschoss

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    Mario Adorf wird 85. Als Schauspieler wurde er vor allem als Mörder von Winnetous Schwester Nscho-tschi bekannt.
    Mario Adorf wird 85. Als Schauspieler wurde er vor allem als Mörder von Winnetous Schwester Nscho-tschi bekannt. Foto: Andreas Arnold (dpa)

    Mario Adorf, der wohl bedeutendste, deutsche Schauspieler seiner Zeit wird heute 85. Wenn Mario Adorf  mit seinen 85 Jahren nach einem Interview die Szene verlässt, dreht er sich gerne noch mal um und schenkt der Runde ein Augenzwinkern – vor allem, wenn nette Damen dabeisitzen. Das hat Mario Adorf, der Menschenfänger, drauf. Er muss niemandem noch etwas beweisen. Darum kann er problemlos noch einmal den Santer spielen in dem „Winnetou“-Dreiteiler, den RTL jetzt dreht. Allerdings Santer senior, der mit einem erwachsenen Sohn aufwartet. Na ja, der Zahn der Zeit hat an allen genagt.

    Der Santer. Er sah aus wie ein Killer aus einem Italo-Western und konnte schon deshalb kein Guter sein. Generationen von Buben und Mädchen haben Adorf gehasst, als er drehbuchgerecht in „Winnetou“ (1963) dessen Schwester Nscho-tschi erschoss. Die hieß übersetzt „Schöner Tag“, und ihr Tod sorgte dank der mädchenhaften Verkörperung durch Marie Versini für feuchte Taschentücher ohne Ende.

    Mario Adorf tötet Winnetous Schwester

    „Für uns leuchtet ,Schöner Tag‘ nicht mehr“, sprach Winnetou Pierre Brice. „Der Gott des Todes hat seine schwarzen Schwingen über Nscho-tschi gebreitet.“

    Schrecklich, geht eigentlich gar nicht.

    Aber Western haben ihre eigene Gerechtigkeit. Santer, der sich verzweifelt an steiler Felsenwand festhält – eigentlich ein sogenannter „Cliffhanger“ – stürzt in die Tiefe, wo aufgepflanzte Speere auf ihn warten. Der Adorf spielte den Santer, wie er sein musste: brutal und unsympathisch. „Mit diesem Schurken habe ich eine ganze Generation mitgenommen“, sagt Adorf selbst.

    Kein Widerspruch. Mit diesem Mario Adorf wurde man erwachsen, erlebte, wie er in vielen guten, aber oft auch bescheidenen Filmen Bösewichte und Loser verkörperte. Und man freute sich mit ihm, als er später, ab den 1980er Jahren, eine großartige Fernsehkarriere hinlegte.

    Mario Adorf ist der wohl bedeutendste deutsche Schauspieler seines Alters, der die unterschiedlichsten Medien bedient. Da sind die Erzählungen, die das Licht Italiens – wo er lange gelebt hat – spürbar werden lassen, sowie etliche Bände mit Erinnerungen, die seine regelmäßige Arbeit in Film und Fernsehen begleiten. Adorf, der 1930 in Zürich als nichtehelicher Sohn einer Röntgenassistentin und eines italienischen Chirurgen geboren wurde, begann seine beeindruckende Schauspielkarriere schon während seines Studiums der Philosophie und Theaterwissenschaften in Mainz und Zürich. Aber München war noch hilfreicher: Otto-Falckenberg- Schule, dann ein festes Engagement bei den Münchner Kammerspielen.

    Mario Adorf hatte seinen Durchbruch 1957

    Der Durchbruch im Kino gelang ihm 1957 als brillant gespielter Massenmörder in dem Film „Nachts, wenn der Teufel kam“ des Hollywood-erfahrenen Regisseurs Robert Siodmak. Diese Psychostudie über einen so gefährlichen wie debilen jungen Mann bescherte Adorf neben dem Bundesfilmpreis auch eine Festlegung auf Schurken und Ganoven. Was den Schauspieler Adorf nie gehindert hat, seine Charaktere mit Zwischentönen aufzupolieren.

    Im Rückblick sind es trotz ambitionierter Kinorollen wie die des Alfred Matzerath in Volker Schlöndorffs „Blechtrommel“-Verfilmung“ vor allem die großen Zampanos, die Adorf im Fernsehen gespielt hat, weil das Kino vor allem das jugendliche Publikum bedienen wollte. Bei der Verkörperung von „großen Tieren“ machte Adorf so schnell keiner etwas vor. Der ältere Mann und die Erotik der Macht: als Kaufhaus-König etwa in „Der große Bellheim“ von Dieter Wedel, der Adorf einen „Mittelpunktschauspieler“ nennt – in seiner ausgeprägten Art, Autorität, Erotik und Charme zu kombinieren. Großartig war sein machtbesessener Senator in Wedels ZDF-Mehrteiler „Die Affäre Semmeling“.

    Dass Adorf die Unternehmer-Typen besonders gut gefallen, liegt in der Kindheit begründet. Im ZDF hat der Schauspieler einmal seine Schwäche für „Selfmademen“ so erklärt: Wie er als Bub, der in der Eifel aufgewachsen war, vor den Trümmern des Zweiten Weltkriegs stand, seien Männer aufgetaucht, die wunderbare Versprechungen machten. „Die sagten einfach, hier stelle ich sechs Stockwerke hin! Für mich war das unverständlich, aber faszinierend.“ Da hatte er schon das Repertoire der dunklen, zwielichtigen Figuren hinter sich gelassen, die Halbwelt finster blickender Mafiosi.

    „Ich war nie der strahlende Held“, hat Adorf einmal gesagt. Was er auch zu spüren bekam, als er in den USA den Western „Sierra Chariba“ drehte. Da kam er mit den Männlichkeitsritualen des Regisseurs Sam Peckinpah und des Hauptdarstellers Charlton Heston nicht zurecht.

    Aber wenn ein deutscher Schauspieler als Grandseigneur Europas gilt, ist das unbestritten Mario Adorf. Seine Würde, die auf gewisse Weise mit dem Faltenwurf seines Gesichts korrespondiert, und sein zwar selbstbewusstes, aber doch bescheidenes Auftreten machen den alten Mann sympathisch. Kürzlich erzählte er in der NDR-Talkshow „Bettina und Bommes“ faszinierende Geschichten aus seinem Leben, sodass die Runde gebannt an seinen Lippen hing. Obwohl einige Anekdoten schon aus Adorfs Büchern bekannt waren.

    Der Schauspieler will noch einige Jahre weitermachen

    Wie die Begegnung mit Brigitte Bardot. „Da kam bei Dreharbeiten ein französischer Kollege mit zwei blonden Frauen auf mich zu. Die eine war die Bardot, die andere habe ich nicht wahrgenommen. Ich habe sie dann geheiratet.“ Seit 30 Jahren ist die Französin Monique nun Adorfs Ehefrau. Mit dem Gag wird sie leben können.

    Mit dem Klebstoff-Fabrikanten Heinrich Haffenloher muss es die Ehefrau auch. Wahrscheinlich ist die Szene aus Helmut Dietls TV-Serie „Kir Royal“ eine für die Ewigkeit. Wie der rheinisch parlierende Parvenü sich mithilfe des Klatschreporters Baby Schimmerlos in die Münchner Schickeria der 1980er Jahre einkaufen will, das demonstriert Adorf in einer schauspielerischen Glanzleistung. „Ich will jetzt mal die Sau rauslassen“, tönt der Klebstoff-König. „Ich scheiß dich so was von zu mit meinem Jeld, dass du keine ruhige Minute mehr hast!“ Am Schluss tanzt der Provinzler mit dem Party-Volk Cancan und ist glücklich.

    Ein paar Jahre will er noch weitermachen, sagt Adorf, weil Schauspielen eine Leidenschaft ist. Die zum Leben überhaupt gehört, wie Männer und Frauen. Im Übrigen hatte er, wie er inzwischen verraten hat, bei den Dreharbeiten zum alten „Winnetou“ ein Erfolgserlebnis, das den Hauptdarstellern versagt blieb. „Ich habe Pierre Brice und Lex Barker die Dunja Rajter weggeschnappt.“

    Zur Erinnerung: Die feurige Kroatin verkörperte die Saloon-Schönheit Belle. Als Lex Barker alias Old Shatterhand ins Örtchen einreitet, sagt sie schwärmerisch: „Que hombre – was für ein Mann!“ Aber offenbar nicht Mann genug. Der Film und das Leben gehen halt meist verschiedene Wege. Mario Adorf könnte da sicher die eine oder andere Anekdote mehr erzählen.

    Übrigens: Nscho-tschi wird in der Neuverfilmung wieder auferstehen. Ist das nicht schön?

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