Wie das wohl ist, wenn nichts mehr offen ist im Leben, nichts nachzuholen, nichts mehr zu erträumen? Weil man all seine Träume wirklich und tatsächlich gelebt hat? Aber wer wird das schon je von sich behaupten können? Die Antwort: Peter Siegfried Krausenecker, besser bekannt als Peter Kraus, geboren am 18. März 1939 in München. Der aus Filmen wie „Das fliegende Klassenzimmer“ und „Wenn die Conny mit dem Peter“, der mit Hits wie „Sugar Baby“ und „Schwarze Rose Rosemarie“, der aus der Serie „Die glückliche Familie“ und der Show „Herzlichst Ihr Peter Kraus“… Ja, der Peter Kraus.
Peter Kraus wird 80 Jahre alt: Deutschlands erster Rock'n'Roller
Aber weil ja auch dessen Leben aus mehr besteht als aus einer Liste von Erfolgen und weil Star zu sein noch lange nicht bedeuten muss, glücklich zu sein, beginnt es auch hier mit einer Enttäuschung. Fünf Jahre ist es her. Peter Kraus empfing anlässlich seines 75. Geburtstags zu einem Gespräch in München, immer noch der schlanke, agile Typ, das charmante Lächeln, relativ volles Haar und ein kräftiger Händedruck. Da gestand er ein: Er hätte sich durchaus eine große Geburtstagsshow im Fernsehen gewünscht. „Wir haben’s angeboten. Was bei mir möglich gewesen wäre, das ganze Material, das beim ZDF liegt, mit meinen Shows und Tanznummern – da hätt’ man ein schönes Programm machen können. Das wär schön gewesen, aber… Kein Bedarf. Immerhin der Udo Jürgens, der bekommt eine Show. Die hat er natürlich verdient. Aber der wird ja auch 80.“
Und jetzt, da Peter Kraus an diesem Montag selbst 80 wird?
Er wird mit Freunden wie Cornelia Froboess und Mary Roos, Frank Elstner und den Kessler-Zwillingen, Rosi Mittermaier und Christian Neureuther bei Schuhbeck in München feiern, ein paar Tage später das Gleiche dann mit seinen Österreicher Kumpanen in Graz. Überhaupt die Österreicher: Die haben eine große Dokumentation über ihn gedreht, die am Geburtstagsabend dann auch (gekürzt) im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird. Ein Konzertmitschnitt wird später folgen und ein bereits aufgezeichneter Abend mit Wegbegleitern. Beim ORF. Beim ZDF, seinem Haussender eigentlich, wieder nix. Fünf Jahre später also: Enttäuscht?
Dazu hat Peter Kraus zwar auch heute eine deutliche Meinung, will sie aber dann doch nicht veröffentlicht haben. Jubiläumsfrieden? Altersmilde? Ohnehin geht er wie damals ja wieder auf seine eigene Art mit dem Jubiläum um. Vor fünf Jahren ist er noch mal auf „Große Abschieds-Tournee“ gegangen, tatsächlich angekündigt als die letzte – und nun geht er eben noch mal, angekündigt unter dem Titel „Schön war die Zeit“. Mit 29 Terminen in Deutschland und Österreich. Die allerletzte Tour? Kraus sagt: „Diesmal wirklich.“ Obwohl: „Wenn mir jemand garantieren könnte, dass ich bis 100 gesund und fit bleibe, würde ich sofort einen Vertrag für drei weitere Tourneen machen.“
Kann natürlich keiner. Und das führt auf ganz andere Art zurück zu Udo Jürgens. Der nämlich ist ja sehr bald und sehr plötzlich nach seinem 80. Geburtstag gestorben. Und das bewegt einen Peter Kraus dann doch. Obwohl der sich mit „Grübeleien, die doch zu nichts führen“, nicht belasten will. Auf der Bühne wirkt er ja tatsächlich noch immer locker in der Hüfte und schnell in den Beinen. Aber als er sich vor gut zwei Jahren bei der Fernsehsendung „Spiel für dein Land“ schwer verletzte, „da hatte ich wirklich Angst.“
Wie Peter Kraus zum Star des Rock'n'Roll wurde
Auch wenn ihn diese 80 so „fürchterlich nervt“, dass er sie schnell wieder aus seinem Kopf verbannen will – genauso schnell wie sie auch wieder von einem seiner Oldtimer verschwunden ist, auf den sie fürs Foto zur Geburtstagseinladung aufgebracht war: Sie soll doch für den Beginn eines neuen Abschnitts in seinem an Abschnitten ohnehin so reichen Leben stehen.
Denn dieser Peter Kraus war ja nie einer, der etwa auf Gedeih und Verderb ein Rock’n’Roller wurde, war und einfach bleiben musste. „Nicht wie ein Chuck Berry oder ein Jerry Lee Lewis, das war ich ja nicht, das wollte ich nie sein“, sagt er. Und überhaupt: So wie er, der Sohn eines Salzburger Theatermannes und einer Münchnerin, mit zarten 14 Jahren in die Hauptrolle der Verfilmung von Kästners „Das fliegende Klassenzimmer“ rutschte, so wurde er ja mit 17 auch aus heiterem Himmel zum ersten deutschen Helden dieser neuen Musik. „Deutschland hat einen Elvis Presley“, jubelte die Presse damals.
Die Geschichte dazu aus München hat er selbst am besten und schon vor fünf Jahren erzählt: Dass es eigentlich bloß ein Spaß von ihm und seiner Clique war. Dass es da ein Jazzkonzert für die Jugend geben sollte, weil sonst nichts für die getan wurde und die ja nur auf der Straße rumlungerte. „Rock’n’Roll war überhaupt noch nicht bekannt, man las nur was in der Zeitung über diese schreckliche Musik, die die Jugend ins Unglück stürzen wird und die Eltern mit.“ Peter Kraus übte diese schreckliche Musik längst auf seiner Gitarre, durch Verbindungen zum amerikanischen Radiosender AFN hatte er die Tonbänder bekommen. „Alle haben gesagt, da musst du mitmachen, denn da sind überhaupt keine jungen Leute dabei, sondern zum Beispiel Max Greger mit seiner Big Band. Ich hab ich mich also gemeldet und bin überall abgeblitzt. Dem Hugo Strasser aber durfte ich in seiner Küche vorspielen, und der hat gesagt: ‚Du, Bua, des is guat, da mach mer a Fass auf.‘ Dann hab ich zu meinen Freunden gesagt, bei dem darf ich drei Lieder singen, da müsst’s ihr alle reingehen und Rabauke machen. Und das haben wir gemacht.“
Was Peter Kraus nach seiner letzten Tournee vorhat
Legendär. Aber eine beständige Karriere war darauf damals noch nicht aufzubauen, hierzulande. Also sang er bald auch Schnulzen, spielte in neuen, netten Heimatfilmen, war „zugleich Revoluzzer und der perfekte Schwiegersohn“, wie er heute sagt – und wurde darüber mit der Conny zum Teenie-Traumpaar, im Film. Wechselte ins Fernsehen, machte eine Comedy-Show, tourte durch Europa und Amerika, spielte auch mal Theater, wurde wieder Musiker. Ein auch privat wechselvolles Leben, zumindest in den Anfangsjahren. Bis er das Fotomodel Ingrid Nieuweboer heiratete. 50 Jahre ist das diesen Oktober her.
Mit Ingrid hat Peter Kraus auch den Tod ihrer Tochter durchgestanden, mit Ingrid lebt er noch heute im Morcote am Luganer See, hat zudem ein Weingut in der Steiermark. Der gemeinsame Sohn ist Mitte 40, es gibt schon eine Enkelin, auch wenn Opa gesteht, dass er da „nicht so der Ideale“ ist: „Aber vielleicht, wenn sie alt genug ist, dass ich ihr Rock’n’Roll beibringen kann.“
Aber nachdem für ihn bislang so wichtig war, dass sein Leben „mindestens alle zehn Jahre eine neue Weichenstellung“ brachte, geht es für Peter Kraus ja wieder darum, Neues zu lernen. Er, der sagt, er habe nichts nachzuholen, keine Träume mehr zu verwirklichen, denn er ist ja auch mit Ingrid schon in die weite Welt gereist. Nun nimmt er sich das vor, was seine Frau sich schon lange von ihm wünscht und was er ihr versprochen hat: Ruhe geben, „jetzt endlich mal das genießen, was ich habe – nicht dass es irgendwann zu spät ist, und ich komme dann nicht mehr dazu.“
Also auch keine neuen Platten mehr. All die Ideen, die er noch hätte, wie zuletzt etwa im Quartett samt Hammond-Orgel und Mundharmonika: „Das lässt sich heute sowieso nur noch schwer verkaufen. Oder man spielt halt das, was die Leute heute wollen – aber das ist nichts für mich.“ Vielmehr also: sich zurückziehen, zu Hause Platten aus seiner Sammlung mit altem Jazz, mit Swing und Blues auflegen – die Musik also, die er liebt und sowieso auswendig kennt. Und dazu: Malen. Eine der Leidenschaften, die er lange vernachlässigt, zu der er erst an den vergangenen Weihnachtstagen zurückgefunden hat.
Wann und wie es losgeht mit dem neuen Leben? Nach den beiden Geburtstagsfeiern fährt Peter Kraus erst mal mit seiner Ingrid im Oldtimer nach Italien. Ohne Buchung, ohne Reiseplan. Und mit offener Dauer? „Nein“, sagt der angehende Ruheständler, „nach spätestens zehn Tagen muss was Neues passieren.“