Seit 60 Jahren stehen sie in der Öffentlichkeit. Ihre Karriere wirkt wie ein freudiges Voranschreiten, ihr Privatleben ist skandalfrei. Gibt es etwas, das Sie bereuen?
Peter Kraus: Nein. Vor allem, weil ich auf dem Standpunkt stehe, Fehler haben den Sinn, aus Ihnen zu lernen. Und sich über das aufzuregen, was man getan hat, bringt ja auch nichts. Man vergisst es halt. Ich kann das gut. Ich bin ein sehr guter Verdränger. Man kann ja eh nicht alles richtig machen – also macht man halt das Beste daraus. Mit meinem Sohn habe ich immer wieder heiße Diskussionen. Der will immer nur das Beste gelten lassen. Ich finde zum Beispiel, dass man, so wie man die sensationellen Filme anschaut, auch die Mistfilme anschauen muss.
Wie feiern Sie Ihren 75. am Dienstag?
Kraus: Was Großes machen wir nicht. Am Morgen sing ich noch in Berlin fürs Radio, dann flieg ich nach München. Ein paar nette Leute kommen, die Conny kommt auch.
Conny und Peter – das Traumpaar von einst. Frau Froboess hat damals ja mit der Unterhaltung gebrochen, um ernsthaft Theater zu spielen. Solche Brüche hat es bei Ihnen nie gegeben.
Kraus: Nein. Ich hab viel Verschiedenes gemacht, aber ich wollte nie ins ernsthafte Fach, sondern am liebsten große Musicalfilme drehen wie Fred Astaire und Gene Kelly – und Musik mit Big Band ist eh das Größte.
„Und jetzt spielt ein junger Mann aus München für Sie Rock ’n’ Roll“ – mit diesem Satz hat alles begonnen. 1956, Sie waren 17 und wurden sofort als „der deutsche Elvis“ gehandelt.
Kraus: Eigentlich war das bloß ein Spaß von mir und meiner Clique. Es sollte da ein Jazzkonzert für die Jugend geben, weil sonst nichts für die getan wurde und die ja nur auf der Straße rumlungerte. Rock ’n’ Roll war überhaupt noch nicht bekannt, man las nur was in der Zeitung über diese schreckliche Musik, die die Jugend ins Unglück stürzen wird und die Eltern mit. Ich hab das schon auf der Gitarre geübt, weil ich Verbindungen zum amerikanischen Radio AFN hatte und da die Tonbänder bekommen habe. Alle haben alle gesagt, da musst du mitmachen, denn da sind überhaupt keine jungen Leute dabei, sondern zum Beispiel Max Greger mit seiner Big Band. Ich hab ich mich also gemeldet und bin überall abgeblitzt. Dem Hugo Strasser aber durfte ich in seiner Küche vorspielen, und der hat gesagt: „Du, Bua, des is guat, da mach mer a Fass auf.“ Dann hab ich zu meinen Freunden gesagt, bei dem darf ich drei Lieder singen, da müsst’s ihr alle reingehen und Rabauke machen. Und das haben wir gemacht.
Jetzt sitzen Sie hier, 2014, wieder München und Ihre Auftritte im Herbst werden angekündigt als „große Abschiedstournee“, der letzte Song Ihres neuen Albums heißt „Sag zum Abschied rockig Servus“ …
Kraus: Ich möchte einfach ein bissl mehr Frieden, mehr Ruhe noch haben. Und obwohl’s mir gut geht, ist klar, dass es nicht ewig weitergehen kann. Aber ich will ja nur von der Tournee Abschied nehmen. Das ist das Zeitaufwendigste und Anstrengendste. Wenn ich’s machen könnte wie Bruce Springsteen, auf Welttournee gehen, ein Konzert spielen und mir dann zwei Wochen ein Land anschauen, das wär was anderes. Dafür hat’s halt nicht gereicht. Aber sonst will ich nicht aufhören. Ich hab den Kopf schon wieder voll mit Projekten. Für das neue Album haben wir die Arbeit an einem anderen unterbrochen, Blues mit deutschen Texten. Und auf die Platte jetzt bin auch so scharf, weil, wenn sich das durchsetzt, dann ist das weiterentwickelbar in vieler Hinsicht. Jedenfalls bin ich froh, dass es mehr geworden ist die übliche Neueinspielung der alten Hits zum Jubiläum.
Sie singen Covers deutscher Popsongs – ein tolles von Udo Lindenbergs „Ein Herz kann man nicht reparieren“, aber auch Aktuelles: Tim Bendkos „Nur nich kurz die Welt retten“, „Hamma!“ von Culcha Candela, „Applaus, Applaus“ von Sportfreunde Stiller … Wie Heino, der mit deutschen Rock-Covers Riesenerfolg hatte.
Kraus: Stimmt. Aber eigentlich ist es ein ganz anderes Projekt. Die haben die Songs eins zu eins übernommen. Wir haben uns gesagt: Wenn wir in den Fünfzigern wären und bekämen diese Songs in die Hand – wie würden wir die machen? Sie sollten so gut sein, dass die Hits von heute Cover von unseren Versionen sein könnten. Dahinter steckt ein musikalisches Interesse. Bei Heino war’s wohl eher Lust an der Provokation.
Ihre Hobbys reichten nicht? Sport, Oldtimer, Malen – Sie haben jetzt ja auch ein Weingut in der Steiermark … Warum kein Rückzug ins Private?
Kraus: Ich würde das nicht durchstehen. Und meine Frau auch nicht. Der Weinberg ist eine schöne Aufgabe, die vor allem ihr Spaß macht. Sie ist ein totaler Landmensch. Ich muss hin und her springen. Deshalb könnt ich nicht aufhören.
Sie lesen keine Bücher, stimmt’s?
Kraus: Ja. Ich bin dafür zu ungeduldig. Ich springe immer und frag’ mich: Wann kommt er endlich zum Punkt? Und spring und spring und dann versteh ich’s wieder nicht und muss wieder von vorne anfangen – es macht mich wahnsinnig. Aber meine Frau liest umso lieber. Die erzählt mir das immer alles, in Kurzfassung. Und sie erzählt gut.
Sie hat auch lange Übung. Sie feiern auch 45-jähriges Ehejubiläum. Wohl die beständigste der nicht so ungewöhnlichen Beziehung zwischen Rock-’n’-Roller und Modell – Weltrekord!
Kraus: Ich bin halt kein Klischee-Rock-’n’-Roller. Und meine Frau und ich sind eine ganz klassische Ehe. Die Frau macht Karriere, der Mann macht Karriere – und sie hängt dann alles an den Nagel, sagt: Okay, ich bin für dich und für unsere Kinder und für den Haushalt da. Und hat auch keinen Nachholbedarf und denkt, sie muss jetzt Schmuck designen.
Warum gibt es keine große Peter-Kraus-Geburtstags-Show? Wollten Sie nicht?
Kraus: Im Gegenteil. Wir haben’s angeboten. Was bei mir möglich gewesen wäre, das ganze Material, das beim ZDF liegt, mit meinen Shows und Tanznummern – da hätt’ man ein schönes Programm machen können. Das wär schön gewesen, aber … Kein Bedarf. Immerhin der Udo Jürgens, der bekommt eine Show. Die hat er natürlich verdient. Aber der wird ja auch 80. Interview: Wolfgang Schütz
Das neue Album „Zeitensprung“ von Peter Kraus erscheint am 21. März. Auf seiner Tour „Das Beste kommt zum Schluss“ im Spätherbst spielt er auch in Augsburg, Neu-Ulm und Kempten.