Nach dem Erdbeben fürchtet Erdogan die Macht der Helfer
Das Erdbeben traf die Türkei mitten im Wahlkampf. Die Zivilgesellschaft macht mobil für Erdbebenhilfe – die Regierung fürchtet derweil um ihre Macht.
Normalerweise füllt Haluk Levent bei seinen Rockkonzerten in der Türkei große Arenen. Derzeit ist der Musiker aber Vollzeit-Katastrophenhelfer. Er hat seine private Hilfsorganisation Ahbap mobilisiert, um Rettungsteams und Hilfsgüter wie mobile Sanitäranlagen ins Unglücksgebiet zu schicken. Als einer der bekanntesten Stars der Türkei erhält Levent viele Spenden von anderen Prominenten – so lässt Fußball-Megastar Cristiano Ronaldo eines seiner Trikots zugunsten von Levents Organisation versteigern.
Wie Levent sammeln tausende Türken in Nachbarschaftsinitiativen für die Erdbebenopfer und schicken Lastwagen los. Auch Stadtverwaltungen aus allen Landesteilen entsenden Helfer. Der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist das Engagement nicht unbedingt recht.
Der 54-jährige Levent informiert die Öffentlichkeit per Twitter ständig über eingehende Spenden, die von Sportlern, Künstlern und selbst von regierungsnahen Unternehmern kommen. Über Twitter veröffentlicht Levent auch Hinweise, wo im Katastrophengebiet besonders dringend Hilfe gebraucht wird und wo Obdachlose einen Platz für die Nacht finden können. Twitter dient ihm zudem als Plattform, um Vermisste und ihre Verwandten zusammenzuführen.
Die Türkei lässt Twitter drosseln
Deshalb reagierte Levent äußerst verärgert, als die türkischen Behörden nun plötzlich den Zugang zu Twitter in der Türkei drosselten; Ankara setzte die Beschränkungen in Kraft, um Twitter zu einem strengeren Vorgehen gegen „Desinformation“ in Kommentaren nach dem Erdbeben zu bewegen. Twitter rette Leben, schimpfte Levent.
Beschwerden prominenter Katastrophenhelfer sind nicht der einzige Grund, warum Erdogans Regierung den Einsatz der Zivilgesellschaft skeptisch sieht. Oppositionsregierte Stadtverwaltungen wie die von Istanbul und Ankara haben ihre eigenen Rettungsmannschaften und Feuerwehrleute ins Unglücksgebiet geschickt und melden ihre Erfolge bei der Bergung von Verschütteten mit Videos ans ganze Land. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu und die Kurdenpartei HDP werfen der Regierung vor, alle nicht zentral gesteuerten Hilfsbemühungen aktiv zu behindern.
Vielen Türken kommt die Hilfe zu spät und zu langsam voran
Die Regierung zeichnet das Bild eines erfolgreichen Katastropheneinsatzes, der anfängliche Probleme überwunden habe. Zehntausende Helfer sind im Einsatz, die Armee bietet Soldaten, Flugzeuge und Hubschrauber auf; Drohnen helfen bei der Identifizierung besonders betroffener Gebiete. Das staatliche Katastrophenschutzamt Afad erklärte die Suche nach Überlebenden in den Provinzen Sanliurfa und Kilis an der syrischen Grenze bereits für abgeschlossen. Die Rückkehr zur Normalität habe begonnen, sagte Finanzminister Nureddin Nebati bei einem Besuch in Sanliurfa.
Viele Türken nehmen die Realität im Unglücksgebiet ganz anders wahr. Erdbebenopfer klagen, staatliche Hilfe erreiche sie zu spät oder überhaupt nicht. Die Zahl der Todesopfer stieg am Freitag auf über 18.000, die der Verletzten auf über 74.000. Mancherorts sei vom Staat nichts zu sehen, schrieb der Journalist Fatih Altayli von der Internet-Zeitung HaberTürk. Es fehle an Benzin für Bergungsmannschaften, ausländische Rettungsteams säßen an den Flughäfen fest, weil ihr Transport an die Einsatzorte nicht organisiert worden sei. "Wir waren weder auf das Erdbeben vorbereitet noch auf die Zeit danach", schrieb Altayli.
Die Türkei befindet sich im Wahlkampf – am 14. Mai soll eigentlich abgestimmt werden. Erdogan, der auf eine Wiederwahl hofft, hatte angekündigt, die eigentlich für Juni geplanten Parlaments- und Präsidentenwahlen auf Mai vorzuziehen. Anfang kommender Woche sollte eigentlich der Gegenkandidat der Opposition bekannt gegeben werden.
Muss die Wahl in der Türkei verschoben werden?
Selbst ob die Wahlen überhaupt wie angekündigt im Mai stattfinden können, ist zurzeit unklar. Er gehe angesichts der Zerstörungen nicht davon aus, sagte Kristian Brakel, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul. In drei Monaten würden voraussichtlich noch zahlreiche Menschen in den betroffenen Gebieten in Zelten oder Behelfsunterkünften leben. Eine Wahl unter solchen Bedingungen abzuhalten, sei schwer vorstellbar. Die politischen Auswirkungen des Bebens seien schlicht noch nicht absehbar.
Ungeachtet dessen hielt der Burgfrieden zwischen Regierung und Opposition nicht lange. Angesichts der Schwierigkeiten befürchtet Erdogan, seine Gegner könnten sich vor den Wahlen im Frühjahr auf Kosten seiner Regierung als tatkräftige Helfer profilieren. Der Präsident verdammte „niedere politische Interessen“ der Opposition und drohte seinen Kritikern. Der Ausnahmezustand im Katastrophengebiet gebe der Regierung die Möglichkeit, gegen „Aufwiegler“ vorzugehen, warnte er. Innenminister Süleyman Soylu schimpfte, Rettungsmannschaften aus oppositionsgeführten Städten seien nicht einmal zur Hilfe bei der Beisetzung von Erdbebenopfern bereit. Der Politiker Berk Can Dogan, Vorstandsmitglied in Erdogans Partei AKP, rief die Türken öffentlich auf, der Hilfsorganisation des Rockstars Levent nichts zu spenden.
Erdogan erinnert sich nur zu gut daran, dass das schwere Erdbeben von 1999 zur Geburtshelferin einer starken türkischen Zivilgesellschaft wurde – eine Entwicklung, die indirekt zur Ablösung der damaligen Regierung und zur Machtübernahme seiner Partei AKP führte. Der Leitartikler Necati Özkan von der Oppositionszeitung Cumhuriyet kommentierte, das Beben vom Montag leite wie das von 1999 eine politische Zeitenwende ein, die Erdogan und seine Regierung hinwegfegen könne: "Sie kamen durch ein Erdbeben an die Macht, sie werden durch ein Erdbeben gehen." (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.
Sollen doch die ganzen Türken in Deutschland , die "ihren" Führer ja immer mehrheitlich und mit großem Hurra wählen , jetzt ihren Landsleuten zu Hilfe eilen !
Wir hier haben genug zu tun , uns um die Ukraine zu kümmern und das Land zu unterstützen !
Zumal bei den Wahlen in der Türkei die Türken , wie sich nun wiedereinmal herausstellt , offensichtlich wohl den Falschen gewählt haben !
Aber mit Mehrheit haben sie ihn gewählt und seinen autokratischen Budenzauber , den er seit seinem inzenierten angeblichen "Militärputsch" veranstaltet , mit Applaus unterstützt .
Während in Rußland , dem Iran oder Syrien in den dortigen immerwährenden Scheinwahlen dauerhaft gar nichts Anderes passiert , als daß der jeweilige Führer zum Schein "bestätigt" werden kann , verhält es sich in der Türkei doch noch etwas anders.
Zumal die Türkei , der Erdogan-Clan eine Hauptschuld am Syrien-Krieg und an der untragbaren Situation in Syrien trägt ( so versorgte die Türkei die islamistische Terrororganisation DAESH mit Waffen , damit diese einen eigenständigen Kurdenstaat in Irak-Syrien bekämpfen ) .
Die Verhinderungspolitik in Sachen Beitritt Schwedens und Finnlands und die beständige Kungelei mit Moskau seien auch genannt .
Mein Mitleid mit der Türkei hält sich in großen Grenzen !
"Zumal bei den Wahlen in der Türkei die Türken , wie sich nun wiedereinmal herausstellt , offensichtlich wohl den Falschen gewählt haben !"
Dass ausgerechnet Sie den Türken diesen Vorwurf machen ist ja lustig.
Nach Ihren bisherigen Beiträgen wählen die Deutschen mindestens seit 50 Jahren immer die Falschen . . .
Erstens gebietet es der Anstand, angesichts so vieler Toter und Obdachloser jede Möglichkeit der Hilfe in Betracht zu ziehen, zweitens haben die hier lebenden Türken sehr viel zum Aufbau dieses Landes beigetragen, drittens sind nicht alle Türken Fans von Erdogan und viertens muss soviel Hass doch wehtun – mir fehlen fast die Worte ob Ihrer Ausländerhetze. Sie müssen sehr verbittert sein, dass Ihnen jegliches Maß fehlt.
Die Ukraine ist zum Spielball der Großmächte geworden, wie schuldig oder unschuldig will ich nicht beurteilen. Aber die Menschen, die nun durch das Erdbeben alles verloren haben, hatten keine Wahl – es hat arm und reich, jung und alt, Erdogan-Wähler und Erdogan-Nichtwähler gleichermaßen getroffen. Und wenn Hilfe gebraucht wird, ist es völlig egal, wer die politische Spitze vertritt. Es zählt nur der Mensch.
Maria T., in der Türkei werden Medien und Justiz ebenso manipuliert wie in Russland. Dass Sie in dieser Situation den Menschen in der Türkei die Hilfe verweigern, die Sie gegenüber der Ukraine so lautstark einfordern, zeigt nur, dass es Ihnen um die Menschen nicht geht. Ganz schäbig von Ihnen.
@ Viktoria R.
Sie sollten nicht von sich auf andere schließen. Auch Türken und Syrer denken nicht alle so, wie Sie sich das in Ihrem sehr engen Weltbild zusammenkramen.
Warum noch wählen? Sind doch ohnehin bald alle in Deutschland.
"Alle Syrer und Türken, die irgendwie vom Erdbeben in Anatolien betroffen sind und Verwandte in Deutschland haben, dürfen unverzüglich nach Deutschland einreisen. Dies kündigte Innenministerin Faeser an. Es geht um Hunderttausende."
Lassen Sie doch bitte ihre AfD-Hetze ohne Quellenangabe.
Nix AFD, Tagesschau
https://www.tagesschau.de/inland/visa-erdbeben-101.html
Wolfgang L.
Ich lese hier keine Hetze und eine Quellenangabe benötigt es schon garnicht. Zumal das Thema aktuell ist und schon mehrfach durch die Medien lief. Vielleicht sollten Sie noch mal Ihre Tageszeitungen durchblättern. Oder haben Sie diese zerrissen weil ein positiver Bericht über unser Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder abgedruckt wurde?
Die Visa sind zeitlich befristet und als Nothilfe sicher eine Möglichkeit, das Erlebte ein wenig zu verdauen. Gönnen Sie das diesen vom Schicksal gebeutelten Menschen doch einfach und lassen Sie Ihre Ausländerhetze für einen Moment ruhen. Wer angesichts einer solchen Katastrophe auch in dieses Horn bläst, zeigt schon, wie er menschlich tickt.
"Die Visa sind zeitlich befristet.............................
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Selten so gelacht! Die Syrer und Türken packen dann also wieder ihre Koffer und gehen dann wieder heim, weil ja ihre Visa auslaufen??
Menschlichkeit und Empathie sind für manche Zeitgenossen offensichtlich kein Begriff. Es wäre interessant zu wissen, wie ihre Denkweise wäre, wenn das Erdbeben hier alles zerstört hätte, und Verwandte im Ausland ihnen eine Unterkunft bieten würden. Das würden diese "Helden" sicher nicht wollen und statt dessen bei eisiger Kälte und ohne Essen und trinken im Freien auf dem Boden schlafen. Da kann ich nur Pfui Teufel sagen ob solcher menschenverachtenden Denkweise.
Ist doch egal wie gewählt wird. Es kommt auf die Auszählung an...