Die US-Zeitschrift "The New Yorker" soll vor einigen Jahren einen Cartoon von einer Besprechung veröffentlicht haben. Einer der Teilnehmer an dieser Runde saß tot auf seinem Stuhl. Die Bildunterschrift lautete: "Ich dachte, er würde nur seinen 'Bill-Murray-Gesichtsausdruck' üben." Trotz oder auch wegen seiner sparsamen Mimik gehört Bill Murray seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Komödiendarstellern. Zum Kinostar wurde er 1984 mit seiner Rolle als Peter Venkman in "Ghostbusters - Die Geisterjäger". In den vergangenen zehn Jahren entdeckte er zunehmend das Arthouse-Kino für sich. Am Dienstag (21. September) wird Murray 60 Jahre alt.
Glamouröse Auftritte auf dem Roten Teppich oder bei Galas waren noch nie Bill Murrays Ding. "Ich mag keine Preisverleihungen", sagte er einmal in einem Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian". Deswegen sei er auch so sauer gewesen, als er 2004 als Anwärter auf einen Preis als bester Hauptdarsteller zur Oscar-Verleihung kam und leer ausging. Nominiert worden war er für seine Verkörperung des alternden Schauspielers Bob Harris in Sofia Coppolas "Lost in Translation" und es war seine erste und bislang einzige Oscar-Nominierung. Nach der Zeremonie habe er sich aber gefragt, "was mich nur dazu veranlasst hat, da hinzugehen. Ich war so sauer auf mich selbst".
In etwa 50 Filmen hat Murray mitgespielt, seit er Ende der 70er Jahre im Kinogeschäft Fuß fasste. Die meisten dieser Filme waren Komödien - ein Fach, das nach seiner Ansicht von vielen unterschätzt wird, auch und vor allem von jenen, die Preise vergeben. "Lachen und die etwas leichteren Momente im Leben scheinen auf der Leinwand immer so einfach zu übermitteln zu sein. Ich erwarte nicht, dass diejenigen, die die Preise vergeben, das verstehen", sagte Murray in dem "Guardian"-Interview.
Dass ihm die Meinung der Kritiker aber nicht gleichgültig ist, wird in demselben Interview deutlich. Bei der Premiere des Jim-Jarmusch-Films "Broken Flowers" 2005 in Cannes sei er unsicher und nervös gewesen. "Man hatte mir erzählt, dass, wenn das Publikum in Cannes nicht mag, was es sieht, nicht nur eine eiskalte, sondern regelrecht eine bösartige Stimmung im Raum entsteht", sagte Murray.
Die Kritiken waren aber gut, der Film gewann den Großen Preis der Jury, die zweitwichtigste Auszeichnung bei dem Festival nach der Goldenen Palme. "Broken Flowers" war nach dem Episodenfilm "Coffee and Cigarettes" Murrays zweite Zusammenarbeit mit Jim Jarmusch und nach Wes Andersons "Die Royal Tenenbaums" und "Die Tiefseetaucher", und eben "Coffee and Cigarettes" und "Lost in Translation" der< fünfte Film, in dem Murray eine ernsthafte oder tragikomische Figur spielte.
Schon 1984 hatte sich Murray in einer ernsthaften Rolle versucht. "Auf Messers Schneide" war aber weder bei den Kritikern beliebt noch kommerziell ein großer Erfolg. In einem Interview mit der US-Zeitschrift "Entertainment Weekly" zehn Jahre später gab sich Murray trotzig: "Ich verstehe schon, warum ein Film über die Suche eines Mannes nach sich selbst nicht so erfolgreich ist wie 'Kevin allein zu Haus'". Dennoch brauchte er danach erst einmal eine Pause vom Filmgeschäft und verbrachte unter anderem ein Jahr in Frankreich.
Zurück ins Filmgeschäft kam Murray 1988 mit "Die Geister, die ich rief…". Zwischen 1989 und 1997 folgten "Ghostbusters II", "Ein verrückt genialer Coup", "Was ist mit Bob?", "Und täglich grüßt das Murmeltier", "Sein Name ist Mad Dog", "Ed Wood", "Kingpin - Zwei Trottel auf der Bowlingbahn", "Die Dicke Vera", "Space Jam" und "Agent Null Null Nix". 1998 drehte Murray "Rushmore", seinen ersten Film mit Wes Anderson. Obwohl Murrays Rolle in "Rushmore" wieder eine komische war, bekam er insgesamt sieben Preise dafür, darunter den Preis der Los Angeles Film Critics Association.
Dass Murray Kunst macht, heißt aber nicht, dass er dem Kommerz abgeneigt ist. Das zeigt sich vor allem beim Thema "Ghostbusters 3", Eigentlich fand er, wie er in mehreren Interviews sagte, schon den zweiten Teil nicht besonders gut, ausschließen wollte er aber nie, dass er in einer weiteren Fortsetzung mitspielen würde. Nun scheint es tatsächlich so zu kommen.
Dass er zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder in einer solch offensichtlich auf Kommerz ausgerichteten Produktion mitspielen wird, hat Murray schon beschäftigt. Aber, erzählte er dem Männermagazin "GQ", schließlich habe er beschlossen: "Ich will wieder eine Komödie machen wie die, die ich früher gemacht habe. Und... ich glaube, das kann ich auch."
"Ich wünschte", sagte Murray der "Entertainment Weekly" einmal, "ich würde mich hier auf Erden etwas wohler fühlen". Es sei wie bei diesem Typen in "Ein verrückt genialer Coup": "Er ist genervt und tieftraurig. Er ist eigentlich kein schrecklicher Mensch, sondern nur verwirrt darüber, dass er so ist wie er ist."