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50 Jahre „Derrick“: Vom Kult-Krimi zum Problemfall

50 Jahre „Derrick“

Derrick war der Held mit den Tränensäcken

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    Behäbig: Stephan Derrick (Mitte) und Assistent Harry Klein (Fritz Wepper) ermitteln in einer Mädchenschule.
    Behäbig: Stephan Derrick (Mitte) und Assistent Harry Klein (Fritz Wepper) ermitteln in einer Mädchenschule. Foto: Michael Marhoffer/ZDF, dpa

    „Derrick“ hat Fernsehdeutschland ja einiges gelehrt: Dass das Verbrechen gutbürgerlich wohnt oder gar in Grünwalder Villen residiert. Und dass Männer in Mänteln, gerne Trenchcoat, und Krawatte die Ordnung schon wiederherstellen werden. Längst vergessen, dass Oberinspektor Stephan Derrick vor 50 Jahren eine Art deutscher „Columbo“ hätte werden sollen oder können. Was von Anfang an misslang, liest man Ende 1974 nach den ersten drei Folgen im Spiegel: „Was nicht alles war uns versprochen worden!“ Unter anderem, dass Derrick „interessant angefressen“ sein werde. Stattdessen sei ein Horst Tappert zu sehen, der „stets à la mode betucht“, ziemlich „ratlos durch die Klischees und Ungereimtheiten ziemlich stereotyp konstruierter Fälle“, genau, „tappert“.

    Dem Erfolg der „Derrick“-Krimis tat das keinen Abbruch: Sie liefen bis in den Oktober 1998 281 Folgen lang, die Serie wurde zu einer der weltweit erfolgreichsten deutschen TV-Produktionen. Nach Bekanntwerden ihrer Einstellung fragte der Spiegel: „Was, verflixt noch mal, ist dran am tristen Tränensackträger?“ Als Antwort zitierte er Tappert: „Derrick verkörpert das Bild des guten Deutschen in der Welt, deswegen liebt man ihn.“ Die Liebe erkaltete schlagartig, als sich 2013 – ein paar Jahre nach Tapperts Tod – herausstellte, dass in seinem Fall „das Bild des guten Deutschen“ keines war, das der Realität entsprach: Als 19-Jähriger war er Mitglied der Waffen-SS.

    „Derrick“ versprühte den Charme der Kurzfilme aus „Aktenzeichen XY … ungelöst“

    Wie würde ein Wieder-Sehen von „Derrick“ also werden, für das man nicht auf das ZDF zu setzen braucht? Denn im ZDF wird es weiter und bis auf Weiteres kein Wiedersehen geben, auch nicht am Sonntag zum 50. Jahrestag der ersten Folge „Waldweg“. Auf eine Meldung, sie werde an dem Tag ausgestrahlt, reagiert der Sender kurz angebunden: „Eine Wiederholung der ersten Folge ist nicht geplant.“ Auf Nachfrage, ob das an Tapperts Waffen-SS-Vergangenheit liege, folgt die Erklärung, dass man „üblicherweise keine Wiederholungen zu Jubiläen, an Todestagen oder zu anderen Anlässen“ zeige.

    Wenn nicht im ZDF, im Internet ist „Waldweg“ zu finden. Inklusive der Mordszene, die fürs deutsche Publikum massiv gekürzt wurde. Wie bei „Columbo“ kam sie gleich zu Beginn, der Mörder war den 31 (!) Millionen Premieren-Zuschauern sofort bekannt. Umso raffinierter hätte der deutsche Columbo vorgehen müssen. Er verzichtet darauf, und dieser „Derrick“ versprüht den Charme der Kurzfilme aus „Aktenzeichen XY … ungelöst“: Die Schülerin Ellen Theiss fährt mit der S-Bahn S6 nach einem Kinobesuch zurück ins Münchner Umland. Die Haushaltsschule, in der sie lebt, wird sie nie erreichen. Das letzte Stück ihres Heimweges führt durch dunklen Wald. Sie ahnt nicht, dass sie dort bereits ihr Lehrer Rudolf Manger erwartet. Er lockt sie in sein nahe gelegenes Haus, legt eine Platte mit „ganz moderner Musik“, es ist die des Glam-Rockers Alvin Stardust, auf – und erwürgt das arglose Mädchen.

    Erste Folge „Waldweg“: fast unerträglich behäbig

    Gewaltexzesse zu Rock- oder Popmusik: Was bei Quentin Tarantino großes Kino sein wird, irritiert in „Waldweg“. Die Filmmusik wirkt so befremdlich wie Derricks maliziöses Lächeln, wie der tölpelige Schulhausmeister, der einem Bauernschwank entstiegen ist, oder wie die alte Biederkeit, die auf die immer noch junge Nach-68er-Freizügigkeit prallt. Da schimpft der Kioskbesitzer (Walter Sedlmayr) über die Schülerinnen, sie seien „Luder, Flittchen“, und der Dialog im Lehrerzimmer lautet: „Sie provozieren es doch geradezu. Sehen Sie doch mal, wie die angezogen sind“ – „Der Kerl, der das gemacht hat, ist einfach ein Dreckschwein, das man aufhängen sollte“ – „Mit dem Aufhängen sind wir heute ja nicht mehr ganz so schnell bei der Hand“. Ein Satz, bei dem einen fröstelt, denkt man an Tappert und die Waffen-SS. Man nennt das wohl Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet er als Derrick ein positives Bild des Deutschen im Ausland prägte.

    Der Oberinspektor und sein etwas ungestümer Assistent Harry Klein (Fritz Wepper) ermitteln sich in „Waldweg“ mit Ermittlerstandardfragen durch die Mädchenschule, die Kameraeinstellungen bleiben meist statisch, die Texte hölzern, alles fast unerträglich behäbig. Unfreiwillig komisch: Wenn Derrick ein Geistesblitz durchfährt, zoomt die Kamera in sein Gesicht und aus seinem Mund schießt eine Ermittlerplattheit. Schließlich stellt er „Columbo“-artig Mörder Manger, indem er ihm eine Falle stellt, und nach gut einer Stunde ist‘s vorbei. Keine sieben Jahre später wird ein anderer Ermittler-Typ seinen ersten Auftritt haben: „Tatort“-Kommissar Horst Schimanski (Götz George). „Zottel, du Idiot, hör auf mit der Scheiße“, ist das Erste, was er sagt.

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