Wie ein gigantischer Käfer aus Stahl kriecht die neue Schutzhülle auf die düstere Atomruine Tschernobyl in der Ukraine zu. Ein robustes System aus Spezialschienen und Hydraulik schiebt das größte bewegliche Bauwerk der Welt beständig auf den 1986 havarierten Reaktor zu. Am Dienstag soll die mehr als 36.000 Tonnen schwere Konstruktion die markante Silhouette der Anlage verschluckt haben. Die neue Hülle wird dann feierlich übergeben.
"Das ist der Anfang vom Ende des 30-jährigen Kampfes gegen die Folgen der Katastrophe", sagt der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak. 100 Jahre lang soll die neue Hülle den Austritt radioaktiver Strahlen verhindern sowie vor Umwelteinflüssen wie Nässe schützen. Das Stahlgerüst darf nicht zu früh rosten. Die Hülle ergänzt einen Betonsarkophag, der von der Sowjetunion nach der fatalen Kernschmelze am 26. April 1986 eilig errichtet worden war und mittlerweile brüchig ist.
Chronologie der Katastrophe von Tschernobyl
Die Explosion im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl vor 30 Jahren gilt neben Fukushima als bisher schwerster Unfall bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Wir zeichnen den Verlauf des Unglücks in Stichpunkten nach.
25. April 1986, 23.10 Uhr: Die Mannschaft beginnt, Reaktor Nr. 4 testweise herunterzufahren. Das Experiment war kurz unterbrochen worden, weil aus der Hauptstadt Kiew mehr Strom verlangt worden war.
26. April, 0.28 Uhr: Die Leistung sackt auf unter 30 Megawatt (MW, ein Prozent der Nennleistung) ab. Der Reaktor wird schnell instabil.
1.23,30 Uhr: Die Leistung erhöht sich plötzlich auf über 300.000 MW. Die Temperatur steigt, das Kühlmittel verdampft.
1.23,40 Uhr: Das Personal drückt vergeblich Notfallknopf A3, um die fatale Kettenreaktion zu unterbrechen.
1.23,43 Uhr: Die Brennelemente reißen und reagieren mit dem Wasser. Der Reaktor ist außer Kontrolle.
1.23,47 Uhr: Es kommt zum "Größten Anzunehmenden Unfall" (GAU). Zwei Explosionen zerstören den Meiler, vermutlich ausgelöst durch riesige Mengen Wasserstoff. Durch die Detonationen reißt das Dach auf. Radioaktive Partikel steigen auf und verbreiten sich über Europa.
1.28 Uhr: Erste Feuerwehrleute treffen ein. Sie tragen keine Schutzkleidung. Viele überleben die Katastrophe nur um wenige Wochen. AZ/dpa