Der Christbaum als grüner Nadelbaum ist bei uns in der Region gar nicht so alt, wie man vielleicht glaubt. Unser Heimatdichter Melchior Meyr (1810-1871) weiß noch nichts von einer Tanne zu berichten, sondern schreibt: „Im mittleren Ries stellte man gern einen abgehackten Weichselbaum in einen Wasserkübel, dessen Zweige, in der Stubenwärme grünend und blühend, über dem Haupttisch eine Art Dach bildeten, das in Fülle auch noch die gewöhnlichen künstlichen Früchte trug.“
Der Christbaumschmuck bestand also hauptsächlich aus gedrechselten und bemalten Holzfrüchten, später dann aus wirklichen Äpfeln, Lebkuchen und Plätzchen, sowie für jeden ein Geschenk wie Strümpfe, Handschuhen oder anderen Kleinigkeiten.
Christbaumloben im Ries: Schnaps für Männer, Wein für Frauen
Erst im 20. Jahrhundert kamen Kerzenlichter an den Baum, der inzwischen grün sein musste, grün wie die Hoffnung und wie aus anderen Ländern abgeguckt. Und die Geschenke wurden üppiger: Für Mädchen brachte das Christkind „a Dogg“ (eine Puppe), die ihnen dann nach Weihnachten wieder weggenommen und bis zum nächsten Jahr verräumt wurde. Für Buben waren ein Laubsägebogen, ein paar Sägblättle und eine Sperrholzplatte ein beliebtes Geschenk.
Lange aber war es bereits Brauch, den Christbaum des Nachbarn oder der Verwandtschaft „zum gschoba“! Im nördlichsten Schwaben gingen eher die Männer zum „Chrischdboomgschoba“ und wurden mit einem Schnaps und Hutzelbrot bewirtet, weil dort die Meinung vorherrschte: „Chrischdboom gschoba, Chrischt-boom loba, gi‘t an Schnaps!“ Im Ries machten sich meistens die Frauen auf den Weg und bekamen für ihr Interesse ein Glas Wein kredenzt. Kinder, die ihre Mütter begleiteten, erhielten Plätzle oder gar Honiggebäck, das es aber vor allem beim „Schualleahr ond beim Pfarr“ gab, wie die über 90-jährige Rosa Wagner aus Speckbrodi wusste. Auch auf dem herrschaftlichen Muttenau-Hof wurde man im wahrsten Sinne des Wortes fürstlich bewirtet.
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