Ralf Kluge ist so was von bereit. Er steht auf der Terrasse seines Cafés und schleift mit kreisenden Bewegungen einen Biergartentisch ab. „Sommerfest machen“, nennt er das. Ein älteres Ehepaar, das zufällig vorbeikommt, hält kurz an und ruft gegen den Lärm der Schleifmaschine: „Hey Ralla, wird Zeit, dass ihr wieder aufmachen dürft.“ Die Sonne scheint vom strahlend blauen Himmel und das Wochenende steht vor der Tür. Aber aufmachen darf Ralf Kluge gerade nicht.
Kluge, muskulöse Statur, verschmitzter Blick und Sportsonnenbrille, genießt so etwas wie Kultstatus in Nördlingen; eigentlich gibt es hier kaum jemanden, der den 56-Jährigen nicht kennt. „Nenn mich ruhig Ralla, so nennen mich alle“, sagt er und steckt sich eine selbstgedrehte Zigarette an.
Zahlreiche Standbeine
Er führt das Turmcafé am Berger Tor. Im mittlerweile zwanzigsten Jahr, wie er sagt. Dabei ist die Gastronomie für Ralf „Ralla“ Kluge nur eines von zahlreichen Standbeinen. Nebenbei betreibt er eine Minigolfanlage direkt anliegend am Stadtmauer-Café. Hier ist er selbst schon öfter zum Stadtmeister im Minigolf gekrönt worden. „Aber auch beim normalen Golf hab ich ein Handicap von 9,1“, erzählt der 56-Jährige.
So ganz nebenbei betreibt er eine Münzschneidewerkstatt und kümmert sich seit 25 Jahren jeden Winter um die Nördlinger Eisbahn. „Da veranstalten wir dann auch regelmäßig Partys, das ist richtig fett“, sagt er. Während Kluge erzählt, lehnt er an einer Mauer vor seinem Café, unter ihm öffnet sich der Blick auf den Minigolfplatz. Im Schatten zwischen den Bahnen sind Bänke aus Holzpaletten zu sehen, Kluge hat sie selbst gebaut. „Auch so ein Hobby von mir.“
Seit einigen Jahren ist Kluge auch Ersatz-Türmer auf dem Daniel. Er sagt: „Für den Job musst du echt eine Labermaschine sein.“ Etwa, wenn Touristen oder Schulklassen den Turm besteigen und unterhalten werden wollen. Doch wer mit Ralla spricht, merkt schnell: Schwer dürfte ihm das sicher nicht fallen. Einmal, so erzählt Kluge, habe er aus Versehen den Bedienungsgeldbeutel aus seinem Café mit auf den Turm genommen. „Ich hab den dann einem Touristen gegeben, dass er ihn mit nach unten nimmt.“ Eine damalige Bedienung habe den Geldbeutel dann am Eingang in Empfang genommen. Von solchen Anekdoten gibt es sicher viele.
Kein "gerader Lebenslauf"
Betrachtet man sein bisheriges Leben, hat Ralf Kluge wohl das genaue Gegenteil von dem, was man gemeinhin als „geraden Lebenslauf“ bezeichnen würde. Dabei beginnt seine berufliche Karriere recht „konservativ“, wie er sagt: mit einer Lehre als Aroma-Techniker. „Kurz gesagt haben wir da furchtbar schmeckenden Schnaps in akzeptablen verwandelt.“ Kluge lacht. Doch weil er jung ist und etwas von der Welt sehen will, kündigt er und beginnt, die Welt zu bereisen.
In Thailand lernt er einen Schweden kennen, der ihm das Handwerk des Münzsägens beibringt. Vor 30 Jahren war das, bis heute nimmt Kluge besondere Münzen und sägt dann Teile davon heraus, bis nur noch das Motiv übrig bleibt. Daraus macht er dann Schmuckanhänger und verkauft diese. So unterschiedlich seine Tätigkeiten auch sind, die Gastronomie zieht sich wie ein roter Faden durch Ralf Kluges Leben. Als er vor rund 22 Jahren das Turmcafé am Berger Tor zum ersten Mal öffnet, hätten ihn alle einen Verrückten geschimpft, wie Kluge jetzt sagt. „Aber ich habe mich durchgesetzt.“ Heute wie damals macht der 56-Jährige in dem Café alles selbst. Zu kaufen gibt es Brotzeit, Kaffee, Kuchen und Getränke. Kluge sagt: „Normalerweise brummt der Laden.“
Aber auch für Gastronomen wie Ralf Kluge ist gerade nichts normal. Ministerpräsident Markus Söder hat unlängst verkündet, dass Biergärten ab dem 18. Mai wieder öffnen dürfen. Auch seinen Minigolfplatz will Kluge zeitnah wieder in Betrieb nehmen. „Ohne Corona wäre es in den letzten Wochen so richtig abgegangen“, sagt er. Fünf Wochen Sonnenschein, bestes Biergarten- und Minigolf-Wetter also. „Aber es hilft ja nix. Ich schaue nach vorn.“
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