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Reimlingen: Von Wertanlage bis zur Insolvenz: Die Geschichte der Reimlinger Brauerei

Reimlingen

Von Wertanlage bis zur Insolvenz: Die Geschichte der Reimlinger Brauerei

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    Die ehemalige Schlossbrauerei des Oberst Max von Lutz rund um das heutige Walserhaus mitsamt dem ortsbildprägenden Mälzereigebäude auf einer Postkarte aus der Zeit um 1910.
    Die ehemalige Schlossbrauerei des Oberst Max von Lutz rund um das heutige Walserhaus mitsamt dem ortsbildprägenden Mälzereigebäude auf einer Postkarte aus der Zeit um 1910. Foto: Repro: Michael Künzler

    Auch wenn der klingende Name Schlossbrauerei es nahelegt, hatte dieser Betrieb kaum etwas mit dem ehemaligen Deutschordensschloss in Reimlingen zu tun. Ganz im Gegenteil: Die Schlossbrauerei befand sich am Ortsausgang des Reimlinger Unterdorfs in Richtung Nördlingen; viel weiter entfernt vom namensgebenden Schloss könnte sie kaum gelegen haben. Bevor allerdings Ende des 19. Jahrhunderts der Name Schlossbrauerei eingeführt wurde, waren mehrere andere Namen für die Brauerei gebräuchlich. 

    Ihren Ursprung hat die Wirtschaft in einem kleinbäuerlichen Anwesen im Südosten von Unterreimlingen, an der Stegwiese. Dieses

    Adlerwirtschaft war mehr Wertanlage für den Kastner des Deutschen Ordens

    Mitte des 18. Jahrhunderts folgte dann der Umzug jener Adlerwirtschaft und aller zugehörigen Güter in das neu erbaute und heute denkmalgeschützte stattliche Gebäude am Ortsausgang in Richtung Nördlingen. Am nicht mehr erhaltenen Portal dieses Hauses gab eine Inschrift ursprünglich Aufschluss über das Erbauungsjahr 1741. Das ebenfalls dort angebrachte Wappen des Franz Anton Stotz verwies auf den Erbauer. Stotz war jedoch weder Wirt noch Braumeister: Als Kastner des Deutschen Ordens in Nördlingen war die

    Nach dem Tod Stotz‘ wurden die Güter unter seinen Erben aufgeteilt und teilweise veräußert. Eine darauffolgende Phase mit zahlreichen Besitzerwechseln endete erst im Jahr 1818, als Johann Georg Wunderle das Anwesen mit Wirtschaft und Brauerei erwarb. Sein Erbe, der Sohn Johann Wunderle, kaufte im Jahr 1865 auch die Hirschwirtschaft an der Herkheimer Straße hinzu. So konnte er seinen beiden Söhnen Johann und Kaspar je eine eigene Wirtschaft übergeben. 

    Oberst Maximilian Lutz erichtete in der Brauerei auch eine Kegelbahn

    Kaspar Wunderle erhielt 1882 die Hirschwirtschaft, für die sich in der Folge der bis heute gebräuchliche Hofname „Kasparwirt“ eingebürgert hat. Der erste Sohn Johann erbte derweil die Adlerwirtschaft. Als er 1896 kinderlos starb, wurde sein Besitz von den Erben an den Kleinerdlinger Bauern Anton Sienz verkauft, der die zugehörigen Güter weiterveräußerte. 

    Mit nur noch rund fünf Tagwerk Grundbesitz kam die nun als „Schlossbrauerei“ bezeichnete Adlerwirtschaft im darauffolgenden Jahr 1897 in den Besitz von Oberst Maximilian von Lutz, der nicht nur Eigentümer des Reimlinger Schlosses und weiterer Anwesen im Ort, sondern auch von mehreren Mietshäusern und einem eigenen Gestüt in München war. Er erweiterte den Betrieb zwischen 1900 und 1904 um eine moderne Dampfbrauerei mit eigener Mälzerei sowie Fasshaus, Bierkeller und Kegelbahn. Alte Dorfansichten und Postkarten lassen die Dimensionen des Brauereianwesens noch erahnen. 

    Nach dem Abbruch endete in Reimlingen wohl auch der Brauereibetrieb

    Nach nur zehn Jahren geriet der Eigentümer von Lutz allerdings in die Privatinsolvenz. Das Anwesen mit Gebäuden und Grundstücken wurde in der Folge zwangsversteigert und fand schließlich mit dem Braumeister Georg Walser einen neuen Besitzer. Bis heute lebt sein Name in der Bezeichnung „Walserhaus“ für das ehemalige Wirtshaus fort. Unter ihm wurde das noch keine 20 Jahre alte Rückgebäude, in dem die Mälzerei untergebracht war, wieder abgebrochen. In der Folge endete wohl auch der Brauereibetrieb. 

    Eine neue Nutzung für das Anwesen kam mit der Kongregation der Missionare von Mariannhill nach Reimlingen. Sie pachteten die ehemalige Schlossbrauerei ab 1923, um sie dem in Augsburg wohnhaften Georg Walser 1931 schließlich abzukaufen. Bereits 1920 hatten die Mariannhiller den gegenüberliegenden Bauernhof erworben und dort mit der Errichtung des Missionshauses St. Josef begonnen. Ebenso kauften sie 1920 das Reimlinger Schloss und begannen kurz darauf mit dem Neubau des Seminargebäudes (heute Bildungshaus St. Albert). 

    Nach Kriegsende wurde der letzte Hinweis zur Dampfbrauerei entfernt

    In diesem großen Komplex von verschiedenen Gebäuden innerhalb Reimlingens wurde dem Walserhaus die Rolle als Zentrum der Ökonomie zuteil. Im zugehörigen Hofraum wurde ein landwirtschaftlicher Großbetrieb mit Viehhaltung und Ackerbau aufgebaut. Das ehemalige Wirtshaus fand mit den klostereigenen Handwerksbetrieben und der Praxis der über das Ries hinaus bekannten Heilpraktiker Bruder Fridolin und Bruder Ingbert eine neue Nutzung. 

    Mit dem Abbruch des zur ehemaligen Dampfbrauerei gehörigen Schornsteins verschwand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das letzte Überbleibsel der einstigen Dampfbrauerei aus dem Reimlinger Ortsbild. Im Jahr 2012 verkauften die Mariannhiller Missionare das bereits seit längerer Zeit leer stehende Walserhaus an einen Investor aus dem Nordries. Die neue Nutzung sieht Raum für fünf Wohnungen und eine Gewerbeeinheit in dem Gebäude vor. 

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