Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Poetry Slam in Nördlingen: Von Humor bis Gesellschaftskritik

Nördlingen

Poeten aus ganz Deutschland begeistern beim Rieser Poetry Slam in Nördlingen

    • |
    • |
    Janina Mau aus Bremen rappte im Regen ihren gesellschaftskritischen Text über Gleichberechtigung und gewann damit den Rieser Poetry Slam.
    Janina Mau aus Bremen rappte im Regen ihren gesellschaftskritischen Text über Gleichberechtigung und gewann damit den Rieser Poetry Slam. Foto: Matthias Link

    Aus ganz Deutschland sind die Poetinnen und Poeten des diesjährigen „Rieser Poetry Slam“ nach Nördlingen angereist, einer kam sogar aus Turin und fast alle hatten bereits an Meisterschaften teilgenommen. Die Alte Bastei war beim Wettstreit der Poeten am Sonntagabend zwar nicht bis auf den letzten Platz ausverkauft - was auch am drohenden und dann losgebrochenen Regen gelegen haben mag - aber der Besucherandrang zeigte einmal mehr, dass sich der Slam in Nördlingen etabliert hat und auf Interesse bei einem jungen und bunt gemischten Publikum stößt. Bereits seit 2019 veranstaltet der aus Weißenburg stammende Jens Hoffmann den „Rieser Poetry Slam“ – Untertitel: „Texte mit Niewoh“.

    Als Slam-Master und Moderator erklärte Hoffmann dem Publikum, dem beim Poetry Slam die Rolle des Kunstrichters zukommt, die Regeln: 1. Die Poetinnen und Poeten tragen selbst verfasste Texte vor – egal ob Lyrik, Rap, Stand-Up-Comedy, Kabarett oder Prosa-Texte. Es gibt keine sprachlich-formalen Vorgaben. 2. Die Vortragszeit beträgt maximal sieben Minuten. 3. Keine Hilfsmittel und kein Gesang. Der Wettkampf-Modus, in dem die acht Poetinnen und Poeten gegeneinander antraten, waren Duelle. In vier Runden wurde jeweils per Applaus des Publikums ein Duell-Gewinner gekürt. In der Finalrunde traten diese vier noch einmal gegeneinander an. Zur Einstimmung und als Kostprobe außer Konkurrenz trug Hoffmann selbst einen Text vor: „Rote Tränen zur Morgendämmerung“, der sich in der Rap-Tradition mit dem Heranwachsen in schwierigen Verhältnissen, mit Alkohol- und Drogenmissbrauch und häuslicher Gewalt, befasst. Der düstere Text wirkte überladen an Übeln und zog die Sommerabend-Stimmung etwas nach unten.

    Rap über ADHS und eigenwillige Bühnenperformance

    Das erste Duell gewann Simeon Buß (Bremen) gegen Sergio Garau (Turin) mit einem humorvollen, flotten Rap über einen an ADHS leidenden Jungen, der sein Studium abbricht, von Depressionen geplagt wird und Cannabis konsumiert. Garau hatte eine eigenwillige Bühnen-Performance hingelegt: Unter dem Titel „Die unverkaufte Ware“ imaginierte er sich als ein Pampers Feuchttuch und dann als Mozzarella-Packung, die im Supermarkt nicht gekauft werden, bevor er wild über die Bühne und durch die Zuschauerreihen springend auf Italienisch vor sich hin schimpfte und dabei das Publikum immer wieder „crepa“ („Riss“, „Knacks“) riefen ließ.

    Marvin Suckut (Konstanz) gewann das zweite Duell gegen Theresa (Regensburg) mit „Das Gepäckband“. Mit viel Komik rappte er über das Warten auf die Koffer am Gepäckband bei einer Mallorca-Reise und verballhornte die deutschen Mitreisenden als peinliche Party-Erscheinungen. Poetin Theresa übte in „Empathie kann man nicht abrechnen“ Kritik am Pflegenotstand in Krankenhäusern. Wegen Personalmangels und überbordender Dokumentationspflichten bliebe die menschliche Zuwendung zu den Patienten oftmals auf der Strecke.

    Bremerin gewinnt Poetry Slam in Nördlingen

    Im nächsten Duell gewann Daniel Wagner (Heidelberg) gegen Pascal Simon (Regensburg). Wagner wollte mit „Die Schwangerschaft“ allen Müttern Respekt zollen. Bei einer Geburt leide eine Frau „fast so sehr wie ein Mann mit Grippe“ – so die ironische Hookline. Simon hatte im Stil eines Live-Sportreporters geschildert, wie Erstsemester verschiedener Fachrichtungen bei einer Campusführung in der Mensa aneinandergeraten und ein grotesker Kampf entsteht.

    Im letzten Duell unterlag Gax Gundlach (Frankfurt) gegen Janina Mau (Bremen). Gundlach trug ein religionskritisches Kurz-Drama mit vier Akten über Gott vor, wobei es an den Menschen selbst liege, die Welt vor dem Menschen zu retten. Janina Mau nahm in „Glatt gewischt“ durch rationalisiertes gesellschaftliches Effizienzdenken und Konformismus ins Visier, wobei kein Platz mehr für Gefühle und individuelle Eigenheiten sei. In der Finalrunde gewann Janina Mau den Slam mit dem Text „Gleich ist gültig“, in dem sie über die Ungleichbehandlung der Geschlechter rappte: von Achselhaaren über weibliche Genitalverstümmelung. Maus gesellschaftskritisch-intellektuelle und sprachlich anspruchsvolle Texte stießen beim Publikum auf Begeisterung. Als Preis erhielt sie ein Bild, das Stefanie Philipp während des und über den Slam gemalt hatte. Hoffmann dankte Oberbürgermeister Wittner und dem Kulturbüro für die finanzielle Unterstützung. Die Leipziger Indie-Deutsch-Folk-Band Jante umrahmte den Slam musikalisch. Trotz Regenschauer ein vergnüglicher und nachdenklicher Sommerabend.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden