„Alles, was nach oben wächst, muss abgeschnitten werden. Danach muss man einen Hut durch die Krone werfen können.“ Wer hat diesen Spruch nicht schon gehört? Diese Methode sollte auf keinen Fall generelle Leitlinie sein. Selbst der laienhafte Blick stellt in diesen Tagen oft fest, dass etliche vollendete Werke des Frühjahrsschnitts eher Fragen aufwerfen als beantworten. Zur völligen Verwirrung mag der Umstand beitragen, dass anscheinend kaum zwei Menschen zu finden sind, die in Fragen der Baumpflege übereinstimmen.
„Ich schneide nach Gefühl, weil jeder ohnehin schneidet, wir er meint.“ Warum nicht lieber nach Grundsätzen vorgehen? Dazu braucht es ein geübtes Auge für Ursache und Wirkung in der Natur. Welche Reaktion erfolgt aufgrund welcher Vorgehensweise beim Auslichten, Einkürzen, Erziehungs- oder Verjüngungsschnitt? Man frage sich: Was ist sinnvoll, was nicht? Gerade momentan sieht man sehr viele Obstbäume nach dem „Friseurbesuch“, wie sie ihre „Halbglatze“ geschnitten bekommen haben. Oben ist alles nackt, weiter unten lässt man – auch nicht immer – noch mehr oder weniger Zweige stehen. Hauptgrund wohl: Der Baum soll nicht noch höher werden. Aber hier ist schon zuvor eine Menge schiefgelaufen.
So schneidet man den Obstbaum richtig
Vergleichen wir es mit einem Mann schütteren Hauptes in einer Kneippanlage an einem heißen Sommertag: Unten kaltes Wasser, aber oben die Gefahr von Sonnenbrand. Genau das wird Obstbäumen zugemutet, die oben kaum belaubt hinterlassen werden. Vielleicht wehren sie sich noch eine Weile, treiben nach oder produzieren endlos Wasserschosse. Wem es Spaß macht, der habe seine jährliche Freude daran. Aber hilft es dem Baum, allein schon angesichts zunehmender Erderwärmung? Es gibt bessere und stressfreiere Methoden.
Eine erfahrene Baumpflegekraft, die idealerweise mit Rat und Tat zur Seite steht, kann daran geprüft werden, inwieweit sie in Übereinstimmung mit anerkannter Fachliteratur arbeitet. Da wäre beispielsweise das Heftchen „Obstbaumschnitt in Bildern“ von Hans Walter Riess, das der verstorbene Emil Baumgärtner, einst beliebter VHS-Referent, gerne empfahl. Für Leute, die größere Streuobstbestände betreuen, ist das bilderreiche Ringbuch „Naturgemäße Kronenpflege am Obsthochstamm“ (Hans-Thomas Bosch, Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee) ein heißer Tipp. Es kann ebenso wie das folgende Werk beim Pomologen-Verein bezogen werden: „Standards der Obstbaumpflege“ ist das Ergebnis vieler einiger und praxiserfahrener Autoren, die sich mit ihren Empfehlungen der fachgerechten Pflege großkroniger Obstbäume widmen.
Wer jungen Obstbäumen jährlich einen zukunftsweisenden Erziehungsschnitt gönnt, danach alle zwei Jahre einen Überwachungsschnitt, wird feststellen, dass die Schnittintervalle sich in späteren Jahren signifikant verlängern. Dennoch sollten Sorten, die sehr häufig tragen, durch geeignete Schnittmaßnahmen vor dem „Vergreisen“ bewahrt werden.
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