„Vince Of Change“ heißt das aktuelle Programm von Vince Ebert, das er im Festzelt in Oettingen den rund 300 Besuchern vorstellt. Der Begriff „Change“ steht dabei für vor allem negative Veränderungen, die Ebert in weiten Teilen der Gesellschaft feststellt. Das i-Phone scheint „zum menschlichen Körperteil mutiert“ und die Verdummung auf dem Vormarsch, was er mit Beispielen belegt: „Nur 18 Prozent der Radfahrer tragen einen Helm, aber 91 Prozent statten ihr Handy mit einer Schutzhülle aus.“ Schwierige Zeiten also für Kabarettisten, denn „wenn die Welt immer mehr zur Satire wird, wie willst du das als Satiriker noch toppen?“
Vor allem uns Deutsche sieht er in einer „unfassbar verklemmten, spießigen Biedermeierzeit“ gelandet, in der Political Correctness über allem steht: „Heute drehen manche Leute doch durch, wenn du sie mit falschem Pronomen ansprichst.“ In einer Zeit von Informations-Overflow und Fake News nehme das reale individuelle Wissen ab, Gefühle zählten offenbar mehr als Fakten: „Wissenschaftlich belegt haben zwei Prozent der Bevölkerung eine Lebensmittelallergie, doch 20 Prozent sind der Überzeugung, eine zu haben.“
Vince Ebert: Physiker bleibt seinem Metier treu
Vince Ebert versteht es trefflich, ernste Themen in einen humorvollen Grundton zu stellen, ohne dabei allzu belehrend zu wirken. Dennoch findet er klare Worte für moderne Eltern („Kinder werden nicht mehr erzogen, sondern vergöttert“) oder für junge Leute, die „nach dem Abi erstmal zur Selbstfindung ein Jahr auf Weltreise gehen.“
Verzeihen mag man Ebert seine Geradlinigkeit, denn als diplomierter Physiker besitzt er einen rationalen Blickwinkel auf die Dinge des Lebens. Obwohl er sich vor mehr als 25 Jahren erfolgreich den Kleinkunstbühnen zuwendete, blieb der 56-jährige der Wissenschaft verbunden, etwa als Schirmherr (Galileum Solingen, Technoseum Mannheim) oder Botschafter (Stiftung Rechnen, MINT Zukunft schaffen). Auch in seinen bisherigen zehn Kabarettprogrammen gelang es ihm, seinem Publikum die lustigen Seiten der oftmals ungeliebten Physik zu vermitteln. Neben anderen TV-Formaten moderierte er zehn Jahre lang in der ARD die Sendung „Wissen vor acht“, in welcher er naturwissenschaftliche Phänomene verständlich erklärte. Nicht von ungefähr wurde der gebürtige Odenwälder mit zahlreichen Auszeichnungen dekoriert, unter anderem mit dem Bayerischen Kabarettpreis 2003.
Kabarettist lässt sich auch über die Ehe aus
Seit vier Jahren lebt Vince Ebert mit seiner österreichischen Ehefrau in Wien. Die österreichische Leichtigkeit zwischen Stroh-Rum und der „Fettleber als Staatsbürgerschaftsnachweis“ liefert ihm ebenso Stoff für den zweiten Teil des Abends wie seine Ehe. Denn eine langjährige Partnerschaft gleiche oft einer Netflix-Serie, bei welcher die ersten zwei Staffeln noch spannend sind, die sich danach aber hinziehe. Nahtlos schwenkt er über zur mit Vehemenz durchgedrückten Frauenquote, wobei vor allem die Politik zeige, dass „Inkompetenz und Selbstüberschätzung keine Männerdomänen mehr sind.“
Wie sehr Ebert die Wissenschaft am Herzen liegt, zeigt er nochmals am Ende des Programms. In großen Teilen der Gesellschaft werde „Forschung als Bedrohung“ wahrgenommen, der Leistungsgedanke erscheine vielen Menschen dubios. Dass die beste deutsche Uni im internationalen Ranking nur auf Platz 55 liegt, kommt für ihn einer „mentalen Rezession“ gleich: „Wir sind auf dem Weg von einer Wissensgesellschaft zu einer Besserwissergesellschaft – Maxime: missionieren statt informieren!“
Mit „Vince Of Change“ präsentiert Vince Ebert anspruchsvolles Kabarett in gewohnter Form: einerseits schonungslos und entlarvend – andererseits spritzig und mit zündendem Wortwitz. So erntet er beim Publikum immer wieder Lacher und Zwischenapplaus, hält sich aber mit klaren Botschaften an die Besucher nicht zurück: „Übernehmt wieder mehr Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung! Raus aus Lethargie und Vollkasko-Mentalität – hin zu Leistungsbereitschaft, Mut und Optimismus!“ Am Ende wird der Kabarettist ausgiebig beklatscht und ermuntert in der Zugabe zum „Mut zur Lücke“: „Wenn wir Menschen niemals etwas Bescheuertes getan hätten, wäre auch nichts Vernünftiges entstanden.“
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