Eine Berufsberatung hat Yvonne Christl nie gebraucht. Schon als Schülerin am Theodor-Heuss-Gymnasium sei ihr klar gewesen, dass sie etwas mit Kindern machen wolle, erzählt die Nördlingerin. Folgerichtig begann sie ihre berufliche Laufbahn an der Grundschule Mitte als Lehrerin – und damit genau an der Schule, an die sie jetzt, rund 30 Jahre später, als Leiterin zurückgekehrt ist. Verändert hat sich in diesen Jahrzehnten einiges, sagt Christl: "Die Kinder sind heute viel weiter als früher."
Vor 30 Jahren seien die Buben und Mädchen in der Grundschule noch unbeschriebene Blätter gewesen, meint die Lehrerin. Doch jetzt wirke die ganze Gesellschaft auf die Kinder ein, sie bekommen recht früh viel mit: "Die Kinder kommen mit ganz anderen Voraussetzungen zu uns." Früher seien die Buben und Mädchen etwas sorgloser gewesen, heute seien sie dafür selbstbewusster. Wie andere beobachtet auch Christl, dass in der Gesellschaft derzeit eine große Angst herrscht. Was wiederum angesichts der derzeitigen Krisen – von Ukraine-Krieg bis Gaskrise – nicht verwunderlich scheint. Es sei oft nicht vermeidbar, dass die Buben und Mädchen verschiedenes mitbekommen. Ein Schüler habe sie kürzlich gefragt, ob Putin nun auch "uns" angreife, berichtet Christl.
Den Kindern die Angst nehmen
Sie sagt ganz klar: Die Erwachsenen sollten versuchen, den Kindern die Angst zu nehmen. "Eines meiner pädagogischen Ziele ist es, Kinder bewusst Kinder sein zu lassen. Oft werden sie innerhalb der Familie als Partner der Erwachsenen gesehen. Das überfordert sie schlichtweg." Zudem ist es aus Sicht der Nördlingerin maßgeblich, Schülerinnen und Schüler in kindgerechter Weise an die digitale Welt heranzuführen. "Ohne Kenntnisse in diesem Bereich würden wir sie nicht ausreichend auf ihre Zukunft vorbereiten." Ganz wichtig ist ihr, dass die Buben und Mädchen wissen, dass sie mit ihren Problemen immer zu ihr kommen können - selbst, wenn im Unterricht auch mal ein strengeres Wort fiele. Die Kinder sollten sich in der Grundschule Mitte aufgehoben fühlen, sagt Christl: "Viele Kinder sind den ganzen Tag in der Schule, sie gehen in die Mittagsbetreuung oder den Hort. Das hier ist ihr zweites Zuhause."
Ein schönes berufliches Zuhause ist für Yvonne Christl die Grundschule Mitte. Sie mag das Gebäude am Weinmarkt, die hohen Decken, die großzügigen Klassenzimmer. Dass allerdings in einem Container auf dem Pausenhof unterrichtet werden müsse, könne nur eine "Notlösung sein". Anders sieht es in Baldingen aus, die dortige Außenstelle der Grundschule Mitte wurde nach der Generalsanierung 2016 neu eingeweiht. Dort unterrichtet auch Christl einmal die Woche. Generell gebe es einen regen Austausch zwischen den Lehrkräften in der Stadtmitte und in Baldingen. Vom gesamten Kollegium sei sie mit offenen Armen empfangen worden, schwärmt die 56-Jährige: "Es ist ein ganz schönes Arbeiten hier."
In der dunklen Jahreszeit in die Sonne
Ein weiterer Gegensatz zu den Anfängen ihrer beruflichen Karriere: Heutzutage führe sie viel mehr Gespräche mit Eltern. Gerade die Corona-Zeit war in dieser Hinsicht für Christl herausfordernd. Da tut es gut, wenn jetzt ihr liebstes Hobby wieder möglich ist: Yvonne Christl reist sehr gerne: "Raus in die Welt." Gerade in der dunklen Jahreszeit zieht es sie in die Sonne. Vielleicht kann sie in den Weihnachtsferien zum Jahreswechsel 2022/23 wieder in ein Flugzeug steigen.