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Nördlingen: Wie ein Nördlinger Restaurant einen ehemaligen Flüchtling retten will

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Wie ein Nördlinger Restaurant einen ehemaligen Flüchtling retten will

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    Bereits acht Jahre lang hat Nurullah Azimi in Deutschland gelebt, lange Zeit davon in Nördlingen.
    Bereits acht Jahre lang hat Nurullah Azimi in Deutschland gelebt, lange Zeit davon in Nördlingen. Foto: Commit e.V.

    Es gehe ihm gut, schreibt Nurullah Azimi. Das klingt banal. Ist es aber nicht.

    Denn Azimi lebt in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. „Jeden Tag sehe und höre ich Bomben, Krieg, Gewalt, die Leute töten“, sagt er. „Ich habe viel Angst. Und auch keine Arbeit.“ Der 34-Jährige kennt das Leben außerhalb Afghanistans, bis 2019 hat er acht Jahre lang als Flüchtling in Deutschland gelebt, lange Zeit davon in Nördlingen, und auf Asyl gehofft. Er lebte in der Stadt, spielte Volleyball beim TSV Nördlingen. Dann wurde er abgeschoben. Jetzt will er zurück ins Ries und vor den Kämpfen in seiner Heimat fliehen. Doch in Deutschland möchte Azimi kein Flüchtling mehr sein. Er sucht einen anderen Weg zurück.

    Restaurant "Shangai" in Nördlingen setzt sich für ehemaligen afghanischen Flüchtling ein

    Thi Kim Yen Nguyen will ihm dabei helfen. Die Nördlingerin betreibt in der Altstadt das Restaurant „Shanghai“ und kennt Azimi seit mehreren Jahren. Bis zu seiner Abschiebung arbeitete er bei ihr im Restaurant. Und wenn es nach Nguyen und Azimi geht, tut er das bald wieder. Die Wirtin bietet Azimi eine Ausbildungsstelle in ihrem Betrieb an, beide hoffen darauf, dass er so ein Arbeitsvisum in Deutschland erhalten kann. „Nurullah fehlt uns“, sagt Nguyen über ihren früheren Mitarbeiter. Er sei fleißig, hilfsbereit und zuverlässig, als Angestellter habe er schnell gelernt. „Gute Menschen wie Nurullah sollten in Deutschland bleiben dürfen“, sagt sie. „Das hat er verdient.“

    2019 war Azimi einer von über 200 Afghanen in Bayern, die abgeschoben wurden. Seit 2016 chartert die Bundesrepublik regelmäßig Flugzeuge, um Menschen nach Afghanistan auszufliegen. Viele Aktivisten kritisieren das Vorgehen: Das Land sei nach wie vor enorm unsicher. Die Milizen der Taliban erobern Stück für Stück Landstriche zurück und kämpfen mit den Regierungstruppen – welche wiederum als korrupt und gewalttätig gelten. Der Lage in Afghanistan zum Trotz: Kein anderes Bundesland schiebt dorthin so rigoros ab wie Bayern. Rund die Hälfte aller Flüge gingen vom Freistaat aus.

    Afghane muss auf seine Rückkehr nach Nördlingen warten

    Um wieder nach Deutschland einreisen zu können, muss Azimi warten. Abgeschobene Asylsuchende müssen eine Einreisesperre von zweieinhalb Jahren einhalten, für Azimi wird sie möglicherweise um ein Drittel gekürzt – sodass er im neuen Jahr nach Deutschland kommen könnte. „Ich möchte ein ruhiges Leben haben, ohne Probleme“, sagt Azimi. Er erinnere sich gerne an Deutschland zurück, habe hier viele Freunde gefunden und nette Menschen getroffen.

    Doch bis Azimi wieder in Deutschland landen kann, müssen er und seine Unterstützer noch einige Hürden nehmen. Um ein Visum zu erhalten, braucht es einen Arbeitsvertrag, eine Wohnung sowie Papiere, die die Identität belegen, teilt Johann Stark mit. Er ist Fachbereichsleiter Ausländerwesen im Landratsamt Donau-Ries, das im Landkreis für die Bearbeitung der Visumsanträge von Fachkräften zuständig ist. Azimis Problem: Seinen Antrag müsste er bei der Visastelle der deutschen Botschaft stellen – doch diese ist in Kabul bis auf Weiteres geschlossen. Alternativ könne er den Antrag in den Hauptstädten der Nachbarländer stellen – doch auch das dürfte zum großen Problem werden.

    Nurullah Azimi wurde abgeschoben ohne straffällig geworden zu sein

    „Die Botschaft in Islamabad ist total überlastet“, sagt Hedwig Rost, eine ehrenamtliche Flüchtlingshelferin aus der Nähe von München. In der Hauptstadt Pakistans könne es Jahre dauern, bis Azimis Antrag bearbeitet werde, sagt sie. Um ihn zu unterstützen, hat die Aktivistin eine Petition für den 34-Jährigen beim Bayerischen Landtag eingereicht. „Ich wüsste nicht, wie sich Nurullah über all die Jahre hier in Deutschland hätte besser integrieren können“, schreibt einer der Unterstützer der Petition. „Er fehlt uns!“ Wann und wie er jedoch nach Deutschland zurückkommen kann, ist weiter unklar. Zudem müssten erst die Kosten der Abschiebung von mehreren Tausend Euro beglichen werden, sagt Flüchtlingshelferin Rost.

    Doch wie kam es überhaupt dazu, dass ein offenbar vorbildlich integrierter Mensch wie Azimi abgeschoben werden konnte? Straffällig sei er nie gewesen, sagt Rost, sein Verhalten tadellos. Einen Fehler habe er aber dennoch gemacht, räumt sie ein: Azimi habe lange keinen Pass vorgelegt. „Er hat wohl gedacht, dass er auch nicht abgeschoben werden kann, wenn er keine Papiere hat“, sagt sie. Schließlich habe er sich dennoch darum bemüht, die Unterlagen aus Afghanistan zu erhalten. Aber die Behörden am Hindukusch arbeiten unter erschwerten Bedingungen: Als Azimis Papiere in Nördlingen ankamen, war der schon nicht mehr da.

    Auch wenn seine Rückkehr noch in den Sternen steht, bereitet Azimis ehemalige Chefin Nguyen bereits alles dafür vor. „Er darf bei mir leben und essen, kostenlos“, sagt sie. Sie wolle ihm helfen, sagt sie, auch wenn sie keinen Personalmangel habe. „Es geht nicht ums Geschäft“, erklärt Nguyen. „Es geht um Nurullahs Leben.“

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