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Nördlingen: Wenn die erste Demo zum Zeichen gegen den Rechtsruck wird

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Wenn die erste Demo zum Zeichen gegen den Rechtsruck wird

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    "Ja zu Demokratie und Vielfalt" steht in bunten Lettern auf einem Karton, den Demonstranten auf den Nördlinger Marktplatz mitgebracht haben.
    "Ja zu Demokratie und Vielfalt" steht in bunten Lettern auf einem Karton, den Demonstranten auf den Nördlinger Marktplatz mitgebracht haben. Foto: Josef Heckl

    Für einige Rieserinnen und Rieser war die Demonstration für Demokratie und Vielfalt am Sonntag gleichzeitig eine Premiere. Sie demonstrierten erstmals überhaupt öffentlich auf der Straße. Generationen kamen zusammen auf den Nördlinger Marktplatz und zogen zwischen den Reden im Protestzug durch die Gassen der Altstadt. Wie erlebten sie ihre erste Versammlung?

    Einer der Nördlinger, der gemeinsam mit Freunden erstmals an einer Demo beteiligt war, ist Sebastian Lessmann. Warum ihn ausgerechnet diese Demo dazu bewegt hat, auf die Straße zu gehen? "Weil ich überzeugter Demokrat bin. Die Möglichkeit sollte man wegen des Rechtsrucks in Europa und Deutschland nutzen, vor allem, wenn es in der eigenen Stadt ist", sagt Lessmann. Er freue sich darüber, dass so viele Leute gekommen sind und die Demo friedlich blieb. Die Polizei zählte rund 2700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, außerdem gab es keinerlei Beanstandungen. Lessmann würde wieder demonstrieren, es müsse aber das Ziel klar definiert sein, für das man einstehe, meint er. 

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    Tausende Bürgerinnen und Bürger demonstrieren in Nördlingen. Die Redner warnen, erinnern an die NS-Diktatur. Unser Fotograf hat die Impressionen eingefangen.

    Eine Forheimerin, die ebenfalls zum ersten Mal auf einer Demo war, formuliert es ähnlich wie der Nördlinger: "Ich finde es einfach so wichtig, dass wir dem zunehmenden Hass und der Hetze gegensteuern", sagt die Seniorin. 

    Neben denjenigen, die zum ersten Mal demonstriert haben, sind auch Menschen dabei, die schon häufiger Protestveranstaltungen erlebt haben. Dr. Andreas Friz-Töpfer ging gegen den Vietnamkrieg auf die Straße, später gegen die Aufrüstung und gegen Kernkraft. Doch seit er vor gut 30 Jahren nach Nördlingen gezogen ist, war die Demo am Sonntag wieder die erste. "Es ist notwendig, dass man Flagge zeigt", meint der Schadstoffgutachter. Es habe Seltenheitswert, dass so viele Leute unterschiedlicher Färbung zusammen demonstrieren würden. In manchen Sachen seien die Meinungen doch sehr kontrovers, nicht aber in Bezug auf die Demokratie. "Ich war noch nie auf einer Demo, auf der Linke mit der CSU zusammenstehen", sagt Friz-Töpfer. Für gewöhnlich sei das Spektrum verengter. 

    Nördlinger hoffen auf nachhaltige Demonstrationsbewegung

    Der 69-Jährige wünscht sich, dass die aktuelle Demonstrationsbewegung nachhaltig ist, dass sich die Leute weiterhin zusammen zuständig in der Sache fühlen würden.

    Am Ende ist es nicht so wichtig, ob es die erste oder die zehnte Demo ist. Wer auf die Straße geht, folgt einem seiner Grundrechte. In Artikel 8 des Grundgesetzes heißt es kurz und klar: "Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln." Der Nördlinger Rechtsanwalt Florian Engert, der sich als Strafrechtler ständig mit der Verfassung beschäftigt, erklärt, dass das Demonstrationsrecht eng mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Grundgesetz, Artikel 5) verknüpft sei. 

    Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist ein wichtiges Menschenrecht

    Wie die Grundrechte zu verstehen seien, regle die Rechtsprechung, sagt Engert und zitiert eine Verfassungsentscheidung vom 15. Januar 1958: "Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt. Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt."

    Auch wenn die Wurzeln des Meinungsaustausches schon von den alten Griechen auf dem Marktplatz in Athen (Keimzelle der Demokratie), der Agora, gelebt wurden, so ist das Grundrecht heute keineswegs selbstverständlich. Dafür hätten die Menschen in Deutschland in der Nachkriegszeit gekämpft, sagt Engert. Auch wenn die Grundrechtsväter und -mütter einen gewissen Weitblick gehabt hätten, so hätten sich die Rechte erst über Jahrzehnte ausgeformt.

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