"Das Kopfsteinpflaster von Nördlingen hat Gerd Müller zu einem Fußballer gemacht, von dem die Leute heute noch schwärmen" – diese Aussage von FC-Bayern-Präsident Herbert Hainer am Donnerstagabend hat die Brust der Nördlinger und Rieser Fußballfans vor Stolz anschwellen lassen – auch wenn es zu Müllers Zeiten meist noch Kies war, auf dem man in der Stadt lief und auf dem Müller kickte. Besonders aufseiten des TSV Nördlingen hat man die wohlwollenden Worte für die Stadt und den Verein sicher gerne gehört, denn es war die Förderung durch die TSV-Legenden Georg Münzinger und den erst kürzlich verstorbenen Manfred Ottenweller, die den Grundstein für Müllers einmalige Karriere legte.
Das ist Gerd Müller
Gerd Müller wurde am 3. November 1945 als jüngstes von fünf Kindern in Nördlingen geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als Zwölfjähriger schloss er sich dem TSV Nördlingen an, dessen Spielstätte ein halbes Jahrhundert später zum „Gerd-Müller-Stadion“ ernannt wurde. Mit 14 begann er eine Weberlehre.
Mit 17 debütierte er in der Nördlinger Männermannschaft, die er praktisch im Alleingang in die Landesliga schoss. Nach 47 Toren in 28 Partien war klar, dass im Ries ein Juwel heranwuchs.
Der damalige Bundesligist 1860 München wollte Gerd Müller verpflichten. Allerdings kam der FC Bayern den Löwen zuvor. Für 4400 Mark Ablöse wechselte der spätere Jahrhundertstürmer zu den Roten. Nebenher arbeitete er halbtags bei einem Möbelhändler.
Müllers Start beim damaligen Regionalligisten FC Bayern verlief holprig. Erst als der Vereinspräsident Wilhelm Neudecker Druck auf Trainer Cajkovsky machte, durfte Müller spielen. Am Ende der Aufstiegssaison in die Bundesliga hatte er 39 Mal getroffen.
Sein außergewöhnliches Talent, aus beinahe jeder Lage ein Tor zu erzielen, war nun nicht mehr zu übersehen. Müllers 40 Tore aus der Bundesliga-Saison 1971/72 waren fast ein halbes Jahrhundert lang Bundesliga-Rekord. erst im Jahr 2021 übertraf ihn Robert Lewandowski mit 41 Treffern.
Müllers Tore waren Grundlage für die Entwicklung des FC Bayern zum deutschen Rekordmeister und international ruhmreichsten Aushängeschild der Bundesliga. Von 1974 bis 76 gewannen die Münchner dreimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorgängerwettbewerb der Champions League.
Zehn Müller-Treffer bei der WM 1970 mit der anschließenden Kür zu „Europas Fußballer des Jahres“ waren ein Höhepunkt seiner Karriere. Müller war der erste deutsche Spieler, dem diese Ehre zuteil wurde. Vier Jahre später: der WM-Triumph in Deutschland. 2:1 im Finale gegen Holland. Die deutschen Torschützen waren Breitner und natürlich Müller.
Nach dem Abschied vom FC Bayern 1979 zog es Müller dorthin, wo sich damals alle Großen der Fußball-Welt noch ein üppiges Übergangsgeld verdienten – in die USA. Mit den Fort Lauterdale Strikers traf er auf andere Altstars wie Carlos Alberto oder Franz Beckenbauer. 1982 war Schluss mit Fußball.
Es begann die schwierige Zeit in Gerd Müllers Leben. Als Fußball-Pensionär übernahm er als Teilhaber ein Steakhouse, in dem er den prominenten Gastgeber spielen sollte. Er, der auch nach zwei Jahren in den USA kaum einen Satz Englisch sprach, in der Rolle des Unterhalters. Das musste schief gehen. Müller fand sind in seinem neuen Leben nicht zurecht und begann zu trinken.
Ohne Perspektive kehrte er mit seiner Frau Uschi, die in der Anfangszeit seiner Karriere auch seine Managerin war, und seiner Tochter Nicole nach München zurück. Aber auch hier wusste er nichts mit sich anzufangen.
1991 kehrte er in seiner Not wieder häufiger nach Nördlingen zurück – in seine Heimatstadt, zu der er in den Jahren nach seinem Weggang ein gespaltenes Verhältnis entwickelt hatte. Zur Beerdigung der Mutter war er erst aufgetaucht, als der offizielle Teil des Begräbnisses vorbei gewesen war.
Die innere Leere Anfang der 90er Jahre betäubte er mit Alkohol – bis sich Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß seiner annahmen. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Entziehungskur schien sich sein Leben wieder zum Guten zu wenden. Der FC Bayern beschäftigte Müller als Assistenz- und Nachwuchstrainer. Bei Bundesligaspielen saß er auf der Auswechselbank.
Im Laufe der frühen 2010er Jahre erkrankte Müller an Alzheimer. Am 15. August 2021 starb er in einem Pflegeheim. (as)
Gerd Müller, im Ries stets "Hadde" genannt, war der berühmteste und erfolgreichste Spieler, den der TSV je hervorgebracht hat, wie TSV-Vorsitzender Helmut Beyschlag beim Empfang vor der Enthüllung des Denkmals sagte. Als Idol für Generationen von Fußballern auf der ganzen Welt verhelfe Müller dem TSV Nördlingen zu großer überregionaler Bekanntheit. Wenn man Franz Beckenbauer glaube, so Beyschlag, würde man sich beim FC Bayern ohne Gerd Müller noch heute "im Bretterverschlag umziehen". Dementsprechend sei man stolz beim TSV Nördlingen, "einen kleinen Mosaikstein zum Erfolg des FC Bayern" beigetragen zu haben.
Gerd Müller zeigt, dass man es vom Amateur zum Weltstar bringen kann
"So einen Torjäger wird es nie wieder geben", sagte Müllers Mitspieler beim FC Bayern, Franz "Bulle" Roth, am Donnerstag im Gespräch mit den Rieser Nachrichten. Dennoch, und darauf darf der TSV Nördlingen auch stolz sein, sind die Voraussetzungen für einen "neuen Müller" prinzipiell da. Dr. Christoph Kern, der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands, sagte es in seinem Grußwort deutlich: Das Beispiel Gerd Müller zeige, "dass es möglich ist, beim TSV Nördlingen eine große Karriere zu starten." Durch das Nachwuchsleistungszentrum und den DFB-Stützpunkt in Nördlingen sind die Voraussetzungen für Jugendliche, die es im Fußball weit bringen wollen, heute sogar noch um einiges besser als zu Müllers Zeiten.
Dass Müller als Vorbild beim TSV Nördlingen stets inspirierte, berichteten am Rand der Statuen-Enthüllung auch TSV-Vorstandsmitglied Norbert Ziegler und der langjährige Abteilungsleiter Fußball Werner Feil. Dadurch profitiert der Verein heute noch von seinem größten Spieler.
Unter anderem über seinen Freund und Mitspieler Martin Jeromin riss der Kontakt zwischen der Legende und seinem Heimatverein übrigens nie ab, im Gegenteil: Bei jeder Begegnung mit den alten Freunden aus dem Ries erkundigte sich "Hadde" nach dem Tabellenstand des TSV Nördlingen und besonders nach den Jugendmannschaften.
Schülerteams des TSV verhalf er außerdem zu Spielen in München, und er war dann selbst dabei, um zuzuschauen. Wenn seine Besuche in der Heimat auch selten waren: Müller war ihr und seinem Heimatverein immer verbunden. "Gerd Müller bekommt jetzt mit diesem Platz auch die Wertschätzung, die er verdient hat", sagte Feil. Insgesamt werde der Fußball in Nördlingen durch die Statue gestärkt.
Gerd-Müller-Statue als "Riesenbereicherung für die Stadt und den Tourismus"
Derselben Meinung war auch Arnold Hanschek, Vorsitzender des größten Nördlinger Bayern-Fanclubs Eichendorffstüble. Er war zusammen mit seinem Stellvertreter ebenfalls zum Ehrenempfang eingeladen. "Sehr erfreulich, dass wir dabei sein dürfen", sagte Hanschek, der auch einer der Initiatoren der Bürgerinitiative war, die eine intensive Diskussion um den Standort anregte. Die Statue stelle ihm zufolge eine Riesenbereicherung für die Stadt und den Tourismus dar, "das wird einen großen Aufschwung für die Stadt bedeuten".
"Mensch, Fußballer, Vorbild, Nördlinger" sei Gerd Müller gewesen, sagte Dr. Christoph Kern am Donnerstag. Er habe bewiesen, was mit Fleiß und Willen alles möglich ist. Das Denkmal in Nördlingen werde hoffentlich immer seine Tugenden vorführen.