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Nördlingen: Scheidender Varta-Chef: "Wir wollen nicht nur eine Fabrik bauen, sondern mehrere"

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Scheidender Varta-Chef: "Wir wollen nicht nur eine Fabrik bauen, sondern mehrere"

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    Herbert Schein war bis Donnerstag Vorstandsvorsitzender der Varta AG. Im Interview äußert er sich jetzt über seine Zukunft im Unternehmen.
    Herbert Schein war bis Donnerstag Vorstandsvorsitzender der Varta AG. Im Interview äußert er sich jetzt über seine Zukunft im Unternehmen. Foto: Jochen Aumann

    Herr Schein, Sie waren 15 Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Varta AG; seit Donnerstag sind Sie nur noch Vorstandsmitglied, Ende des Jahres werden Sie ganz aus dem Gremium ausscheiden. Was bedeutet diese Entwicklung für Sie persönlich?
    HERBERT SCHEIN: Ich bleibe ja der Varta erhalten – perspektivisch gerne als Mitglied des Aufsichtsrats, aber im ersten Schritt werde ich ein neues Varta-Unternehmen ins Leben rufen. Als ich das erste Mal Verantwortung für das Unternehmen übernommen habe, hatten wir einen Umsatz von rund 100 Millionen Euro. 2021 waren es 900 Millionen Euro. Wir waren in den vergangenen Jahren immer auf einem Innovations- und Wachstumsweg, und den werden wir weiterführen. Sie müssen sich das wie beim Bergsteigen vorstellen: Man sieht den Gipfel schon, aber jetzt zieht ein Wetter auf. So ist das bei Varta derzeit auch.

    Es schien aber auf den ersten Blick so, als ob Sie die Verantwortung für das schlechte Wetter übernehmen müssen.
    HERBERT SCHEIN: Die eine oder andere Schlagzeile war aus meiner Sicht missverständlich. Ich bin jetzt 57 Jahre alt. Es ist wichtig, dass Schritt für Schritt jüngere Leute Verantwortung übernehmen, um die Zukunft des Unternehmens abzusichern. Sowohl Markus Hackstein, den neuen Sprecher des Vorstands, als auch Rainer Held, verantwortlich für den technischen Bereich, habe ich in den vergangenen Jahren aufgebaut und gefördert. Es ist mir wichtig, dass der Weg weitergeht, dass da Leute sind, die die gleichen Visionen und sehr gute Fähigkeiten haben. Den ohnehin geplanten Führungswechsel machen wir jetzt früher, da wir unsere Strategie für die großen Lithium-Ionen-Zellen beschleunigen wollen.

    Sie werden sich künftig um den Aufbau eines neuen Varta-Unternehmens für die Bereiche E-Mobilität und Batteriepacks kümmern.
    HERBERT SCHEIN: Wir wollen dieses Geschäft auslagern und vorantreiben. Das gibt uns die Möglichkeit, neue Partner zu suchen, die uns in der Finanzierung und vielleicht auch technologisch unterstützen. Trotz eines schlechteren Marktumfeldes braucht es Innovationen, Stillstand ist nie gut. Ich bin jetzt seit 30 Jahren bei der Varta. Für mich persönlich gibt es den Plan, die operativen Tätigkeiten irgendwann zu beenden und in den Aufsichtsrat zu wechseln. Dafür muss aber zunächst eine gesetzlich vorgeschriebene Cool-down-Periode verstreichen, und dann erst kann ich der Hauptversammlung dafür vorgeschlagen werden.

    Wie kommt es, dass Varta derzeit vergleichsweise schlecht dasteht? 2021 hat das Unternehmen doch noch 126 Millionen Euro Gewinn gemacht.
    HERBERT SCHEIN: Wir sind jedes Jahr zweistellig gewachsen. Dann kam Corona, ich habe erst gedacht, das kann uns nichts anhaben, wir haben immer weiter produziert. Aber in China gab es immer wieder Lockdowns, die Technologieabteilungen unserer Kunden waren im Homeoffice. Damit gab es nicht die Innovationen bei den Headsets, die wir erwartet hatten. Die Menschen haben sich früher alle zwei Jahre ein neues Handy gekauft, weil das neue deutlich mehr konnte als das alte. Heutzutage vergleicht man und bleibt im Zweifel beim alten Gerät. Bei den Kopfhörern ist es dasselbe, die Kunden warten, bis es neue Innovationen gibt. Das wiederum hat Einfluss auf das Weihnachtsgeschäft.

    Es gab zuletzt eine Gewinnwarnung von Varta, dann überhaupt keine Prognose mehr.
    HERBERT SCHEIN: Wir möchten mit einer aktualisierten Prognose absolut auf der sicheren Seite liegen, damit jeder Aktionär zuverlässige Daten hat. Aber derzeit sind wir eben stark abhängig von Rohstoff- und Energiepreisen, eine schnelle Prognose war nicht möglich.

    Warum haben Sie den Aktionären dann eine Dividende ausgeschüttet und das Geld nicht wieder ins Unternehmen investiert?
    HERBERT SCHEIN: Von der Entscheidung, das zu tun, bis heute, haben sich die Rohstoff- und Energiesituation verschlechtert.

    Haben Sie keine langfristigen Gas- und Stromverträge mit sicheren Konditionen?
    HERBERT SCHEIN: Aus heutiger Sicht wären langfristige Verträge von Vorteil gewesen. Unsere Energiekosten haben sich vervielfacht. Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil gegenüber dem asiatischen Raum. Dort sind die Unternehmen nicht oder nur marginal von gestiegenen Energiekosten betroffen. Wir haben aber zum Beispiel ein Blockheizkraftwerk mit Gas am Standort in Nördlingen, das produziert Strom. Die Abwärme wird für Rein- und Trockenräume genutzt.

    Der Nördlinger Stadtrat hat den Weg für einen weiteren Neubau von Varta freigemacht. Ein Gebäude mit rund 312 Metern Länge und circa 50 Meter Breite ist geplant. Wird das auch gebaut?
    HERBERT SCHEIN: Jetzt gehen wir den nächsten Schritt und finalisieren das Konzept für die Hochleistungsbatterie V4Drive. Es gibt einen großen Markt für diese Batterie, einen hohen Bedarf. Wir wollen nicht nur eine neue Fabrik bauen, sondern mehrere. Ich kann hier und jetzt aber keine weiteren Details veröffentlichen. Ich bin stolz auf das, was wir in Nördlingen geschaffen haben.

    Es gibt in Nördlingen Gerüchte, dass es bei Varta Qualitätsprobleme gibt und Apple deshalb bei seinen Kopfhörern auch auf andere Lieferanten setzt.
    HERBERT SCHEIN: Zu Kundenbeziehungen geben wir grundsätzlich keine Auskunft, ich bitte das zu verstehen. Aber ein grundsätzliches Qualitätsproblem kann ich ausschließen.

    Da kommt im Moment ziemlich viel zusammen. Der Kurs der Varta AG ist in den vergangenen Monaten sehr deutlich nach unten gegangen. Sind jetzt auch Arbeitsplätze gefährdet?
    HERBERT SCHEIN: Wir haben dieses Jahr eine schwierige Situation, wir brauchen unsere qualifizierten Arbeitskräfte aber. Die Knopfzellenbatterie ist ein Produkt, das hochattraktiv ist und sich einer großen Beliebtheit erfreut. In den vergangenen Jahren sind wir immer gewachsen, das hat sich auch in der Belegschaft widergespiegelt. Wir brauchen allerdings im zweiten Halbjahr wegen des Weihnachtsgeschäfts unserer Kunden immer mehr Mitarbeiter als im ersten. Das Instrument der befristeten Verträge nutzen wir auch, um Sicherheit für die Mitarbeiter zu schaffen, die unbefristet beschäftigt sind.

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