Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Nördlingen: Streit ums Rieskratermuseum: Ein Einschlag nach dem anderen

Nördlingen

Streit ums Rieskratermuseum: Ein Einschlag nach dem anderen

    • |
    Sehen auf diesem Bild alle zufrieden aus? Dr. Stefan Hölzl, Gisela Pösges und der damalige Oberbürgermeister Hermann Faul (von links) bei der „Langen Nacht des Rieskratermuseums“ im Oktober 2012.
    Sehen auf diesem Bild alle zufrieden aus? Dr. Stefan Hölzl, Gisela Pösges und der damalige Oberbürgermeister Hermann Faul (von links) bei der „Langen Nacht des Rieskratermuseums“ im Oktober 2012. Foto: Jim Benninger

    Man kann davon ausgehen, dass der Einschlag des Meteoriten vor rund 14,6 Millionen Jahren im Ries eine reichlich explosive Lage hinterließ. Die frei werdende Energie beim Auftreffen wurde auf mehrere 100000 Hiroshima-Bomben geschätzt, Gesteinsbrocken flogen bis zu 70 Kilometer weit. Seit mehr als 30 Jahren bietet das Rieskratermuseum (RKM) in Nördlingen Einblicke in dieses spektakuläre (Ries-) Ereignis sowie die folgende Phase, in der das durch die Katastrophe fast vollständig ausgelöschte Leben zurückkehrte. Zweifellos ein Juwel unter den Museen der Region, das gepflegt sein will.

    Was nicht immer einfach war und ist in den jetzt 31 Jahren des Bestehens des RKM. Man könnte von einer Gemengelage sprechen, ein Wort, das im allgemeinen Sprachgebrauch für eine unübersichtliche Situation verwendet wird, etwa für widersprüchliche Interessen und Absichten unterschiedlicher Personen. Was es ganz gut trifft.

    Förderverein nehme zu viel Einfluss auf das Nördlinger Museum

    Das Personal des Rieskratermuseums ist von Beginn an bei zwei Arbeitgebern beschäftigt. Den Leiter finanzieren die Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns, also der Freistaat, die restlichen Mitarbeiter bezahlt die Stadt Nördlingen. Erster Leiter wurde 1990 Dr. Michael Schieber, eine im Nachhinein ungewöhnliche Wahl, denn Schieber war kein Geologe, wie man es bei einem Museum dieses Zuschnitts erwarten würde. Vielleicht auch deshalb bekommt er Diplom-Geologin Gisela Pösges zur Seite gestellt, die schnell zum Gesicht und Sprachrohr des Museums wird. Pösges organisiert Führungen und hält Vorträge bei Kongressen, aus der Nummer zwei in der Hierarchie des Rieskratermuseum wird – so scheint es zumindest nach außen – die Nummer eins. Ein Problem wird das aber erst später in der Chronologie.

    Nämlich dann, als Schieber im Jahr 2010 in den Ruhestand geht. Professor Dr. Stefan Hölzl übernimmt auf Wunsch der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen zuerst kommissarisch, im Jahr 2013 dann endgültig die Leitung des Rieskratermuseums. In die Zeit dazwischen fällt ein unrühmliches Zwischenspiel durch Dr. Elmar Buchner, dem nach Ablauf der Probezeit Ende 2011 gekündigt wird. Vor allem die Stadt Nördlingen hatte Unzufriedenheit über die Zusammenarbeit geäußert; Buchner sei zu wenig präsent in Nördlingen, würde sich lieber um seine wissenschaftlichen Arbeiten kümmern, lautete eine mehrfach geäußerte Kritik. Der Gescholtene wehrt sich wohl aus arbeitsrechtlichen Gründen erst mit zwei Monaten Verzögerung und lässt dabei mit einem Detail aufhorchen: Für die Zukunft müsse man die Rolle des Fördervereins „Freunde des Rieskratermuseums“ klären, der stellenweise zu viel Einfluss nehme, klagt der Wissenschaftler.

    Förderverein will am wissenschaftlichen Diskurs des Museums teilhaben

    Der Förderverein sorgt vor allem in der Gründerphase des Museums, als die Strukturen erst geschaffen werden müssen, für wichtige Anschübe von außen, ehe er sich – folgt man nicht nur Buchner, sondern auch anderen interessierten Beobachtern – zunehmend verselbstständigt. Den Freundeskreis prägen Persönlichkeiten wie der erst kürzlich verstorbene Dr. Wulf-Dietrich Kavasch, Ralf Barfeld (bekanntlich der Partner von Gisela Pösges, allein deshalb eine Wahl mit Konfliktpotenzial) und zuletzt Dr. Oliver Sachs. Das Trio verbindet, dass sie allesamt leidenschaftliche Liebhaber des Rieses und seiner einzigartigen geologischen Geschichte sind, aber auch selbstbewusste Alphatiere, die am wissenschaftlichen Diskurs gerne ausgiebig teilhaben möchten.

    Das wiederum geht Professor Dr. Stefan Hölzl zu weit, seit dem Januar 2013 endgültig der Chef des Rieskratermuseums und ausgewiesener Fachmann mit zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Also auch ein Alphatier, zudem eines, das – ganz Wissenschaftler – nur Schwarz oder Weiß kennt und ungern Kompromisse eingeht. Das führt später zum zwangsläufigen Bruch mit Pösges (sie arbeitet mittlerweile beim Geopark Ries) und zum Dauerstreit mit dem neuen Freundeskreis-Vorsitzenden Dr. Oliver Sachs. Altoberbürgermeister Hermann Faul, mit dem Thema zeit seiner langen Amtszeit immer wieder befasst, spricht von verbesserungsbedürftiger Zusammenarbeit, Hölzl von „unterschiedlichen Vorstellungen, die nie richtig ausgetauscht worden sind“.

    Die feinste Feder der diplomatischen Formulierung findet aber Oberbürgermeister David Wittner, der den Konflikt nolens volens mit seinem Amtsantritt geerbt hat. Das Rieskratermuseum scheine „eine Kontinuität zu haben, dass auf fachlicher Ebene unterschiedliche Meinungen bestehen“, sagt das Stadtoberhaupt auf RN-Anfrage, um sofort zu ergänzen: „Das ist natürlich nicht im Sinne des Museums.“ Die wissenschaftliche Hoheit habe aber eindeutig der Museumsleiter und das müssten auch alle anderen Beteiligten akzeptieren.

    Stubenberg-Meteorit ist für das Museum wissenschaftlich uninteressant

    Ob das mit Hölzl und Sachs noch einmal was wird, darf vorsichtig bezweifelt werden. Das an Pfingsten 2020 letztlich wegen Corona ausgefallene Jubiläum 30 Jahre Rieskratermuseum und Freundeskreis stampft Dr. Oliver Sachs allein aus dem Boden und Museumsleiter Hölzl steht dabei nicht einmal als Grußredner auf dem Programmentwurf. Dr. Stefan Hölzl wiederum teilt die Sachs’sche Begeisterung für den gerade erst vom Freundeskreis nach einer großen Spendenaktion erworbenen Stubenberg-Meteoriten ganz und gar nicht: Das Fundstück sei schön, aber wissenschaftlich komplett uninteressant.

    Irgendwie wird man am Ende der Debatte das Gefühl nicht los, dass die explosive Lage nach dem Einschlag vor knapp 15 Millionen Jahren nicht eine vorübergehende Erscheinung war, sondern immer wieder neu aufflammt.

    Vielleicht nicht in der Riesgeologie, aber bei den Riesgeologen.

    Lesen Sie auch:

    Das ist der neue Namenssponsor der Nördlinger Angels

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden