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Nördlingen: Besuch auf der Kirchen-Baustelle: So aufwendig wird Sankt Georg saniert

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Besuch auf der Kirchen-Baustelle: So aufwendig wird Sankt Georg saniert

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    Die beiden letzten Pfeiler von Sankt Georg werden derzeit saniert, hier der Blick vom Obstmarkt aus.
    Die beiden letzten Pfeiler von Sankt Georg werden derzeit saniert, hier der Blick vom Obstmarkt aus. Foto: Jochen Aumann

    Mächtig sieht die Nördlinger Kirche Sankt Georg von unten aus. Mehr als fünf Jahrhunderte hat das Bauwerk schon überdauert, Generationen von Nördlingern, Kriege und Wetterkapriolen überstanden. Doch nichts ist für die Ewigkeit, meint Steinmetz Matthias Wittner, der seit 2014 an der Sanierung der Kirche arbeitet. Das sieht man spätestens, wenn man die Treppen des Gerüsts am Gotteshaus nach oben steigt.

    Oder den eingebauten Lift nutzt, der einen bequem nach oben bringt. In den steigen an diesem sonnigen Vormittag Steinmetz Wittner, Architekt Rainer Heuberger und Stadtbaumeister Jürgen Eichelmann. Oben hat man nicht nur einen tollen Blick auf die Dächer Nördlingens, sondern auch auf das, was in den vergangenen Jahren bereits geleistet wurde: Pfeiler um Pfeiler wurde Sankt Georg saniert. Jetzt sind die letzten beiden dran.

    Deutlich ist zu sehen, welche Pfeiler bereits saniert wurden und wo Sandsteinblöcke eingesetzt wurden. Sie wittern nach und werden dunkler.
    Deutlich ist zu sehen, welche Pfeiler bereits saniert wurden und wo Sandsteinblöcke eingesetzt wurden. Sie wittern nach und werden dunkler. Foto: Martina Bachmann

    Die Nördlinger Kirche wurde ursprünglich aus Suevit erbaut, dem sogenannten Schwabenstein. Der entstand, als vor rund 14,5 Millionen Jahren ein rund ein Kilometer großer Asteroid auf die Region stürzte, woraufhin eine Glutwolke gen Himmel stieg. Als die wieder in sich zusammenfiel, lagerte sie sich als Suevit im Rieskrater und in isolierten Bereichen drum herum ab. Der Schwabenstein ist kein homogener Stein, seine Bestandteile sind deutlich zu erkennen. Deshalb verwittert er auch ganz unterschiedlich. Vereinfacht gesagt: Manche Suevitblöcke überdauern die Zeit besser, andere schlechter.

    Mit weißen Kreuzen werden Blöcke markiert, die ausgetauscht werden müssen.
    Mit weißen Kreuzen werden Blöcke markiert, die ausgetauscht werden müssen. Foto: Martina Bachmann

    Oben, auf dem Gerüst, dicht vor der Außenmauer, sieht selbst der Laie, wie es um welchen Stein beschaffen ist. Denn manche sind noch intakt, anderen dagegen fehlt ein ganzes Stück, ihre Oberfläche ist uneben. Und wenn man mit der Hand ganz vorsichtig an ihnen entlang streicht, dann löst sich schon die nächste Schicht. Solche Steine bekommen von Eichelmann, Heuberger und Wittner meist ein weißes X. Das bedeutet so viel wie: Der muss raus.

    Sanierung von Sankt Georg in Nördlingen: Die Pfeiler stützen die Wand

    Wer als Kind mit Bauklötzchen gespielt hat, der weiß: Aus einem Bauwerk einen einzelnen bunten Stein heraus zu friemeln, das ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Im heimischen Wohnzimmer kann das durchaus auch einmal schiefgehen - was nicht weiter schlimm ist, weil man in wenigen Minuten ein neues Bauwerk aufstapelt. Bei Sankt Georg wird ein Statiker zurate gezogen. Weil die Pfeiler mit ihrem Gewicht ganz entscheidend zur Stabilität beitragen, wird die Kirche derzeit mit Stahlträgern gesichert. Wittner vergleicht das mit einem Korsett: "Das Pfeilergewicht stützt die Wand."

    Musste früher ein Stein raus, dann hat man ihn mit einem Presslufthammer aus der Wand geschlagen. Heutzutage holen Wittner und seine Kollegen jeden Block einzeln heraus. Gerade einmal sieben Zentimeter dick ist die Fuge, die die Handwerker dafür nutzen können, 750 Kilogramm wiegt ein Stein. "Das ist nichts für Ungeduldige", meint Wittner und schmunzelt. Der klare Vorteil dieses Verfahrens: Die Steine können für sogenannte Vierungen, ein steinernes Ersatzstück, wiederverwendet werden. Denn nicht immer wird entschieden, einen ganzen Suevitblock auszutauschen, teils wird auch mit einer Vierung ausgebessert.

    Auch das Maßwerk der Fenster ist über die Jahrhunderte in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Auch das Maßwerk der Fenster ist über die Jahrhunderte in Mitleidenschaft gezogen worden. Foto: Martina Bachmann

    Jeder einzelne Sandstein, der in Sankt Georg neu eingesetzt wird, wird von Wittner, Heuberger und Eichelmann begutachtet. Und jeder neue Stein wird auch vom Steinmetz und seinen Kollegen von Hand bearbeitet. Teilweise werden die Werkzeuge dafür extra geschmiedet. Architekt Heuberger, der bereits seit rund elf Jahren mit der Sanierung des Nördlinger Gotteshauses betraut ist, schaut auf jedes Detail, auf jede Kante. Auch das Landesamt für Denkmalschutz wird immer wieder eingebunden.

    Nach den letzten Pfeilern steht die Sakristei an. Eichelmann hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis zum Jahr 2027 soll die Außensanierung von Sankt Georg beendet sein, dann jährt sich die Grundsteinlegung der Kirche zum 600. Mal. Sechs Jahrhunderte mögen keine Ewigkeit sein - doch verglichen mit einem Menschenleben ist es doch eine beträchtlich lange Zeit.

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