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Ein Bild eines Holocaust-Überlebenden ist in der Möbelfundgrube gelandet
![Für den Freundeskreis der Synagoge Hainsfarth nahm dessen Vorsitzende Sigried Atzmon das Bild von Branko Schäpers, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbands, und Doris Ritter, Vorsitzende des Caritas-Kreisverbands, entgegen. Für den Freundeskreis der Synagoge Hainsfarth nahm dessen Vorsitzende Sigried Atzmon das Bild von Branko Schäpers, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbands, und Doris Ritter, Vorsitzende des Caritas-Kreisverbands, entgegen.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715673836705-1/ver1-0/img/placeholder/16x9.png)
![Ein Bild eines Holocaust-Überlebenden ist in der Möbelfundgrube gelandet Jan-Luc Treumann](https://www.augsburger-allgemeine.de/img/incoming/crop53271306/7333055789-cv1_1-w40-owebp/Jan-Luc-Treumann?t=.jpg)
Zwischen Gebrauchtwaren fällt eine Zeichnung auf. Es zeigt sich: Sie stammt vom israelischen Künstler Jehuda Bacon. Jetzt wurde sie an Sigried Atzmon überreicht.
Es ist eine Geschichte, die ihren Anfang in der Möbelfundgrube genommen hat. Wobei – es ist vermutlich nur ein kleiner Auszug einer viel längeren Erzählung. Aber dieses Kapitel kann man kaum glauben, es klingt, als ob es aus einem Film oder Buch entsprungen ist, doch es stammt aus dem Leben. Und beginnt im Nördlinger Ortsteil Baldingen.
Es war im September vergangenen Jahres, wie Doris Ritter, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes Donau-Ries, erzählt. Damals wurden diverse Gegenstände in der Baldinger Möbelfundgrube abgegeben. So wie es regelmäßig passiert. Menschen können der Möbelfundgrube allerlei Möbel, Geschirr und sonstiges vermachen, es wird in Baldingen zu günstigen Preisen verkauft. Und als im September die Waren abgegeben wurden, fand sich darunter auch ein Bild.
![Dieses Bild hat der Holocaust-Überlebende Jehuda Bacon gemalt. Dieses Bild hat der Holocaust-Überlebende Jehuda Bacon gemalt.](https://www.augsburger-allgemeine.de/resources/1715673836705-1/ver1-0/img/placeholder/1x1.png)
Bild in Nördlinger Möbelfundgrube aufgetaucht: Caritas ist überrascht
An dem blieb ein Mitarbeiter irgendwie hängen, so schildert es Branko Schäpers, Geschäftsführer des Caritas-Kreisverbandes. "Er dachte allein vom Bilderrahmen, dass das schon etwas Hochwertiges ist. Und er hat das Internet dazu befragt." Das Internet antwortete. Und zwar, dass es sich wohl um eine Zeichnung des Künstlers Jehuda Bacon handelt.
"Ich war schon überrascht, dass das bei uns auftaucht. Wir betreiben einen Handel mit Gebrauchtwaren; dass auserwählte Kunststücke dabei sind, damit rechnet man nicht unbedingt“, sagt Schäpers. „Wir haben viele gebrauchte Sachen, bei denen ich mich manchmal wundere, was die Leute so hergeben.“ Zwei Aspekte sind bei der Möbelfundgrube wichtig: der soziale Aspekt, nämlich, dass gut erhaltene Dinge günstig verkauft werden, und die Nachhaltigkeit. Doch dass einmal ein Bild des Künstlers Jehuda Bacon dort auftauchen würde, damit rechnete wohl niemand. Bacons Werke hängen unter anderem in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Denn Bacon hat den Holocaust überlebt, heute lebt er in Jerusalem.
Jehuda Bacon überlebte Auschwitz
1929 wurde Bacon geboren, 1942 deportierten ihn die Nazis mit seinen Eltern und einer Schwester in das Konzentrationslager Theresienstadt, später kam er nach Auschwitz. Er überlebte als Einziger – so heißt es im Flyer anlässlich einer Ausstellung, die 2018 im Deutschen Bundestag gezeigt wurde. Früh begann er zu zeichnen, Porträts seiner Mitmenschen, die ins KZ gesteckt wurden, und die Anlagen des Vernichtungslagers selbst. Diese Zeichnungen seien auch in den Auschwitzprozessen genutzt worden, wo Bacon 1964 aussagte.
Jehuda Bacon arbeitete als Kind in den Gaskammern, musste mit anderen Kindern Asche aus den Krematorien bringen. Er musste ansehen, wie sein Vater in die Gaskammer ging, schildert der Spiegel in einem Bericht über sein Leben, der Junge habe in der Schlange noch neben dem Vater gestanden, bevor sie sich verabschiedeten. „Grau wie Asche sind Jehuda Bacons Zeichnungen von Auschwitz. Umso reicher an Tönen geraten die Werke des Künstlers nach dem Krieg“, beschreibt der Spiegel seine Kunst. Demnach handelt es sich bei dem Werk, das in Baldingen abgeben wurde, wohl um eines aus früheren Jahren.
Es ist nicht klar, wer das Bild in Baldingen abgegeben hat
Dunkle Striche zeigen ein Gesicht mit weiblichen Zügen, den Blick leicht gesenkt. Als das Bild in der Möbelfundgrube aufgefallen war, versuchte die Caritas herauszufinden, woher es kam. Doris Ritter erzählt, dass im Rahmen des Bildes ein Gemeindebrief aus Schwäbisch Hall aus dem Anfang der 2000er-Jahre gefunden wurde. Ritter nahm Kontakt mit dem dortigen Pfarrer auf, doch auch der konnte nicht weiterhelfen. Wer die Zeichnung in Baldingen abgegeben hat oder welchen Weg es hinter sich hat, ist nicht bekannt.
Bei der Caritas versicherte man sich, dass das Werk nun auch rechtmäßig der Einrichtung gehörte. Das Bild habe zwar einen gewissen finanziellen Wert, doch vor allem einen ideellen, sagt Geschäftsführer Schäpers. Und deswegen wollte die Caritas es nicht einfach verkaufen. Schließlich kam die Idee auf, es dem Freundeskreis der Synagoge Hainsfarth zu vermachen. Und so wurde es in dieser Woche schließlich an dessen Vorsitzende Sigried Atzmon in Hainsfarth überreicht. Sie zeigte sich sichtlich bewegt, schon den ganzen Tag sei sie aufgeregt gewesen. „Das hat mich besonders überrascht, es ist einmal eine positive Nachricht, die uns erreicht.“ Als die Caritas sie vor einiger Zeit kontaktierte, habe sie die Geschichte gar nicht glauben können. Atzmon freut die Übergabe besonders, weil sie sich vor einigen Jahren schon einmal bemüht habe, eine Ausstellung mit jüdischen Erinnerungsstücken zu organisieren. Doch dies sei nicht gelungen.
Atzmon ist gerührt, dass das Bild dem Freundeskreis vermacht wird
Es sei auch toll, „dass die Mitarbeiter sensibel für ein jüdisches Bild waren, gerade in der heutigen Zeit“. Atzmon findet es eine schöne Idee, das Bild dem Freundeskreis zu vermachen. Atzmon vermutet, dass das Bild Erinnerungen aus dem KZ zeigt. Vielleicht sei es für Bacon auch selbst schön, dass die Zeichnung nun in der ehemaligen Synagoge ein Heim gefunden habe.
Schäpers sagt bei der Übergabe: „Vielleicht war es nicht nur Zufall, dass es den Ehrenamtlichen aufgefallen ist.“ Sigrid Atzmon ist sich sogar sicher: „Ich glaube nicht an Zufall.“ Das sei von höherer Stelle entschieden worden.
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