Zwei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung Nördlingen haben in diesen Tagen eine ungewöhnliche Aufgabe. Und die wiederum hat mit dem berühmtesten Fußballer zu tun, den der Krater bislang hervorgebracht hat: Gerd Müller. Der Ausnahmekicker, der Deutschland einst zum Weltmeister-Titel schoss, ist bekanntlich im vergangenen Jahr gestorben. Ihm zu Ehren soll eine Statue in seiner Heimatstadt errichtet werden. Doch der geplante Standort vor dem Berger Tor gefällt vielen offensichtlich nicht.
Wie berichtet, hatte die Bürgerinitiative um Rudolf Backof in den vergangenen Wochen Unterschriften gegen diesen Standort und für einen neuen bei der Stadtbibliothek gesammelt. Am vergangenen Freitag übergaben Backof und seine Mitstreiter einen dicken Pack Papier an Oberbürgermeister David Wittner, auf den Blättern die Adressen und Unterschriften der Befürworterinnen und Befürworter ihres Anliegens. Die Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung gehen jetzt Blatt für Blatt durch und prüfen, ob die Unterzeichner tatsächlich in Nördlingen wohnen und bereits 18 Jahre alt sind, informiert Christina Atalay, Sprecherin der Stadt. Zudem zählen sie die Unterschriften: Acht Prozent aller Nördlinger Wahlberechtigten müssen unterschrieben haben.
Wären die Dinge einfach, dann gäbe es einen Stadtratsbeschluss für das Berger Tor auf der einen Seite und einen Vorschlag der Bürgerinitiative für die Stadtbibliothek auf der anderen Seite - und die Bürger müssten entscheiden. Doch seit Kurzem gibt es noch eine dritte Variante: Die Witwe von Gerd Müller, Uschi Müller, bevorzugt für die Statue ihres Mannes die Ecke Herrengasse/Bergerstraße. So mancher Stadtrat kommt jetzt ins Grübeln: Wer hat mehr Gewicht? Die Familie des Verstorbenen oder die laut Backof mehr als 2400 Bürgerinnen und Bürger, die für die Stadtbibliothek unterschrieben haben?
Dazu kommt, dass drei Vertreter der Bürgerinitiative am vergangenen Freitag eine Vereinbarung unterzeichnet haben, in der sie angeblich in Aussicht stellen, ihr Vorhaben zurückzuziehen. Nachprüfen lässt sich das nicht, denn die Stadtverwaltung gibt die Vereinbarung auf Nachfrage unserer Redaktion nicht heraus. Was Sprecherin Christina Atalay allerdings bestätigt, ist, dass das Thema bereits am Donnerstag wieder im Stadtrat behandelt wird: Auf der Tagesordnung stehe der Punkt "Gerd-Müller-Statue; Sachstand und Beschlussfassung - weiteres Vorgehen".
Rudolf Backof von der Bürgerinitiative lässt eine schriftliche Anfrage unserer Redaktion nach einer Stellungnahme zum Thema am Dienstag bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Er wendet sich per Email unter anderem an einige Stadträte. Darin fordert er, dass der Stadtrat am Donnerstag keinen Beschluss fasst und dass die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt wird. Zudem kritisiert er, dass die Vereinbarung am vergangenen Freitag unter "massivem Zeitdruck" entstanden sei. Man habe nichts zugesichert, sondern lediglich Dinge in Aussicht gestellt.
Jetzt schnell über den von der Witwe gewünschten Standort entscheiden, bevor geklärt ist, wie es mit den Unterschriften der Bürgerinitiative weitergeht? Das habe ein "Geschmäckle", schimpft einer hinter vorgehaltener Hand - und: Der OB wolle das Thema vom Tisch haben. Sprecherin Atalay dagegen sagt, man werde unabhängig vom Beschluss am Donnerstagabend die Unterschriften prüfen. Gemäß Artikel 18a der Gemeindeordnung müsse der Stadtrat im Zweifelsfall dann über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung des Bürgerbegehrens" entscheiden.
Doch wie ist die Stimmung im Rat? Geteilt. CSU-Fraktionsvorsitzender Steffen Höhn sagt, für ihn sei die Lage noch etwas unklar. Er will unter anderem wissen, was die Umgestaltung des Platzes Bergerstraße/Herrengasse kostet, ob es Probleme wegen wegfallender Parkplätze geben könnte. Und wie sei denn der Wunsch von Uschi Müller zustande gekommen? Zweite Bürgermeisterin Gudrun Gebert-Löfflad von der Stadtteilliste meint, der Standort vor der Stadtbibliothek werde Gerd Müller nicht gerecht. Man könne sich dem Wunsch von Uschi Müller anschließen. Vielleicht biete der auch die Chance, die gesamte Verkehrssituation an dieser Stelle zu verbessern.
Beyschlag: Bei der Gerd-Müller-Statue geht auch um "Rechthaberei"
Für PWG-Fraktionsvorsitzenden Helmut Beyschlag geht es bei der "unsäglichen Standortdiskussion" vonseiten der Bürgerinitiative auch um "Rechthaberei": "Welche Instanz ist denn kompetenter als die Familie? Diesen Wunsch haben wir zu respektieren." Zumal sich auch Stadtheimatpfleger Dr. Wilfried Sponsel für diesen Platz ausgesprochen habe. Wenn man jetzt vom Berger Tor abweiche, habe man auch einen Teil des Bürgerwillens erfüllt und eine neue Geschäftsgrundlage. Gute Argumente gebe es für den Standort Bergerstraße/Herrengasse, meint auch SPD-Fraktionsvorsitzende Gabriele Fograscher. So, wie die Bürgerinitiative frei sei zu entscheiden, wie es weitergeht, sei es auch der Stadtrat. Und wenn Backof und seine Mitstreiter darauf bestehen, dann werde eben alles seinen rechten Gang gehen.
Ein Kompromiss wäre doch das Beste, meint dagegen Professor Wolfgang Mussgnug von der Fraktion Grüne/Frauenliste, der sich dafür ausspricht, die Abstimmung zu vertagen. Es bestehe Gesprächsbedarf, der ursprünglich angepeilte Termin zur Einweihung an Gerd Müllers erstem Todestag im August sei nicht mehr zu halten, das Denkmal solle die nächsten Jahrzehnte stehen. Da wäre es doch besser, eine Lösung zu finden, als die Sache jetzt über das Knie zu brechen, so Mussgnug.