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Foto: Cara-Irina Wagner
Foto: Cara-Irina Wagner

Zahlreiche Menschen in der Region haben Wohnraum für Flüchtlinge aus der Ukraine angeboten. Doch die Verteilung der Menschen dauert.

Landkreis Donau-Ries
25.03.2022

Landrat Rößle erklärt den Aufnahmestopp von ukrainischen Flüchtlingen

Von Martina Bachmann

Die Hilfsbereitschaft ist groß, viele wollen Flüchtlinge aus der Ukraine unterstützen. Doch es hapert an vielen Stellen und mietfreie Wohnungen stehen leer.

Die schrecklichen Bilder des Krieges in der Ukraine, sie haben Sigrid Heiß bewegt. Die Nördlingerin hat Mitleid mit den Menschen, möchte etwas tun. Vor mehr als zwei Wochen hat sie sich deshalb beim Landratsamt in Donauwörth gemeldet und eine möblierte Wohnung mietfrei zur Verfügung gestellt. Selbst Lebensmittel hat Sigrid Heiß bereits gekauft, kurzum: Alles ist bereit für Flüchtlinge aus der Ukraine. Nur eingezogen war bis Donnerstagvormittag noch keiner.

Dabei seien doch Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet nach Bayern gekommen, sagt die Nördlingerin. Auch im Kreis wurden bereits Frauen, Kinder und Senioren in Notunterkünften untergebracht, beispielsweise in der Stauferhalle in Donauwörth, im ehemaligen Blumenhotel in Rain oder in Nördlingen in der Unterkunft in der Nürnberger Straße. Für Sigrid Heiß ist das nicht verständlich: "Man kann diese Menschen doch nicht in den Auffanglagern sich selbst überlassen." Auf ihre Nachfrage hin habe man ihr vonseiten des Landratsamts nur mitgeteilt, dass alles noch dauere, und: "Ich soll von weiteren Nachfragen Abstand nehmen."

Manche Ukraine-Flüchtlinge kommen mit den Hilfskonvois von der Grenze

Es scheint mehrere Wege zu geben, auf denen Flüchtlinge aus der Ukraine derzeit in die Region kommen. Der erste: Die Menschen haben Bekannte oder Verwandte im Kreis. Die wiederum nehmen die Ukrainer und Ukrainerinnen bei sich zu Hause auf oder vermitteln eine Bleibe. Der zweite: Die Flüchtlinge kommen mit einem der zahlreichen Hilfskonvois in die Region – so wie beispielsweise die Menschen aus Odessa, die mit Kinga Putschögel aus Kirchheim mitgefahren sind. Der dritte: Die Ukrainerinnen und Ukrainer kennen niemanden in Deutschland, stranden mit einem Flüchtlingstransport in Berlin und werden von dort aus in die Bundesländer verteilt.

Eine Verteilung, die offensichtlich mehr schlecht als recht funktioniert. Das kritisierte am Mittwoch auch Landrat Stefan Rößle deutlich. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er am Donnerstag, das Bundesamt für Güterverkehr sei mit dieser Aufgabe betraut worden. Das Amt habe die wiederum an die Bahn delegiert, die dann Subunternehmer beauftragt habe. Schlussendlich führe das dazu, dass Ukrainerinnen und Ukrainer in Berlin in einem Bus sitzen, dann von einem Fahrer, der ihre Sprache nicht spreche, stundenlang durch Deutschland gefahren werden, um dann an einem Ort wie Donauwörth anzukommen.

Donau-Rieser Landrat Rößle zu Flüchtlingssituation: "Hilfe muss effektiv sein"

Oder auch nicht: Denn dem Landratsamt und den freiwilligen Helfern teile man weder genau mit, wann ein Bus ankomme, noch wie viele Flüchtlinge tatsächlich drin sitzen. Es gehe ihm nur um einen Anruf des jeweiligen Busfahrers mit genaueren Informationen, betont der Landrat: "Ich bin nicht unsozial. Aber die Hilfe muss effektiv sein." Dass Ehrenamtliche umsonst bei ihren Jobs freinehmen oder Mitarbeiter des Landratsamts stundenlang untätig warten müssen, möchte dem Landrat nicht einleuchten. Und deshalb habe er auch gesagt, dass die Hilfe besser koordiniert werden müsse – und der Landkreis bis zu einer besseren Lösung keine Flüchtlinge mehr aufnehme. Es seien aber schon mehrere Lösungen in Sicht, so Rößle am Telefon – unter anderem werde über zentrale Drehscheiben in Bayern und in Schwaben debattiert.

Die Hilfsbereitschaft im Landkreis Donau-Ries sei sehr groß, betont der Landrat. Tatsächlich haben Bürger und Bürgerinnen wie Sigrid Heiß bereits rund 800 Wohnungen und Zimmer zur Verfügung gestellt. Und die werde man in Zukunft auch brauchen, betont die Sprecherin des Landratsamts, Gabriele Hoidn: "Wir sind noch ganz am Anfang." Man nehme die Flüchtlinge in den Notunterkünften erst einmal auf und registriere sie. Rößle berichtet, man nehme auch ihre Fingerabdrücke: "Man will wissen, wer da ist", schließlich gehe es auch um den Sicherheitsaspekt. Den Flüchtlingen wolle man die Gelegenheit geben, zur Ruhe zu kommen: "Die Leute sind sehr dankbar." Manche seien aber auch apathisch, es werde deutlich, dass sie Schreckliches erlebt hätten.

Wenn der Registrierungsprozess abgeschlossen sei, dann vermittle das Landratsamt die Ukrainerinnen und Ukrainer an die Wohnungsanbieter, betont Hoidn. Man stelle auch Übersetzer. Ziel sei es, dass die Flüchtlinge selbst Mietverträge abschlössen: "Das soll ja auch passen." Die ganze Sache stelle sich weit komplexer dar, als auf den ersten Blick zu sehen sei, meint Rößle. Mancher unterschätze es auch, was es bedeute, wenn ein Flüchtling länger bleibe. Und die Ukrainerinnen und Ukrainer, die meist aus den Städten kämen, wollten nicht unbedingt in eine ländliche Gegend wie den Landkreis Donau-Ries, so Rößle.

Über eine Internetplattform kommen die Menschen nach Reimlingen

Dem widerspricht Kendyl Faaß aus Reimlingen deutlich. Sie stammt ursprünglich aus Kalifornien, lebt mit ihrem Mann, einem Rieser, in Reimlingen. Als sie die Bilder vom Krieg in der Ukraine sah, hat sie sich auf der Internetplattform host4ukraine.com registriert. Kendyl Faaß bekam so viele Anfragen, dass es ihr fast das Herz brach, nicht allen Menschen helfen zu können. Mittlerweile hat sie nicht nur Flüchtlinge im Gästebereich ihres Hauses untergebracht, sondern auch im Dachgeschoss und in einem weiteren Gebäude in Reimlingen.

Die Amerikanerin kann verstehen, dass alles einen offiziellen Weg gehen muss. Doch dass die Flüchtlinge wochenlang in den Notunterkünften leben sollen, leuchtet ihr nicht ein – gerade, wenn es so viele Angebote von Bürgerinnen und Bürgern gibt: "Das Landratsamt steckt in der Bürokratie fest." Die Hilfsbereitschaft der Deutschen sei beeindruckend, betont sie. Kendyl Faaß wünscht sich, dass die Vermittlung schneller geht. Und: Dass alle ukrainischen Flüchtlinge einen sicheren Platz finden, an dem sie bleiben können, bis der Krieg in ihrer Heimat vorbei ist.

So einer, wie es die Wohnung von Sigrid Heiß wäre. Die wurde am Donnerstag bereits aufgrund einer privaten Vermittlung besichtigt.

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