Es ist die Geschichte eines stolzen Vereins, der seit über 600 Jahren das gesellschaftliche Leben in Nördlingen bereichert und aus der Stadt nicht wegzudenken ist: Die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen darf auf eine mittlerweile 625-jährige Geschichte zurückblicken und gehört damit erwiesenermaßen zu den ältesten Schützenvereinen Deutschlands. Das Jubiläum ist ein guter Grund, einmal in die bewegte Historie der Nördlinger Schützen zu blicken.
Die historische Entwicklung eines Vereins in Verbindung mit der Veränderung kommunaler Funktionen ist beispielhaft an der Geschichte des Schützenwesens in Nördlingen von der autonomen Wehrhoheit der Freien Reichsstadt zum Verein der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen. Diese enge Verbundenheit der Schützengesellschaft mit der Stadt erklärt das außergewöhnliche Alter des Vereins, indem die Privilegierte Schützengesellschaft Nördlingen das Jahr 1399 als Gründungsdatum annimmt.
Aus den im Stadtarchiv Nördlingen verzeichneten Nachweisen über das Schützenwesen in den Jahren 1399 und 1406 darf allerdings nicht geschlossen werden, dass es vor 1399 noch keine Schützen gegeben hat, denn diese Daten hängen von der archivalischen Überlieferung ab. Anhand der Quellenlage lässt sich aber sicher sagen: 1399 gab es nachweislich ein Schützenwesen in Nördlingen.
Den Archivalien nach war die Armbrust für die Schützen vor der Büchse die vornehmere Waffe bis zum 30-jährigen Krieg, nachweislich bis 1615. Wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, gab es zum Beispiel im Jahr 1458 in der Stadt 94 Armbrustschützen, davon 78 mit eigener Armbrust, sowie 79 Büchsenschützen, davon 56 mit eigener Büchse. Wenige Jahre später waren es dann nur noch 87 Armbrust-, aber bereits 113 Büchsenschützen. 1615 wurden dann 29 Armbrust- sowie 171 Büchsenschützen genannt.
Geschossen wurde seinerzeit nicht hinter dem Schutz der Mauer in der Stadt, sondern vor dem Reimlinger Tor und namentlich auch vor dem Baldinger Tor auf der „Keirwiese“ oder auch „Kaiserwiese“. Dort befindet sich bis heute das Zuhause des Vereins. Bereits im Jahr 1539 bauten die „Schießgesellen“, wie die Schützen damals hießen, auf der Kaiserwiese ein eigenes Schießhaus, das im 30-jährigen Krieg 1634 zerstört wurde und in das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (1684) der Blitz einschlug. 1723 wurde das Schießhaus völlig oder doch weitgehend neu errichtet, wie eine Jahreszahlinschrift an der 1975 renovierten Jugendherberge, die das alte Schieß- und Schützenhaus ist, bestätigt.
Die Notifikations- oder Einladungsschreiben im Schützenarchiv unterrichten genau über Zeitpunkt, Art und Umfang der Schießen, über die Länge der Bahnen und die Größe der Scheiben sowie die Anzahl und die Höhe der Preise. Darüber hinaus beschreiben sie die Nebenveranstaltungen wie Wettlaufen und Springen, Kegeln und Tanzen sowie den Glückstopf, einen Vorläufer von Lotterie und staatlichem Lotto - und vor allem sagen sie schützendes Geleit zu, was heutzutage zwar selbstverständlich erscheint, seinerzeit aber von unschätzbarem Wert gewesen ist.
Im Stadtarchiv finden sich etwa 135 erhaltene sogenannte Schützenbriefe oder Einladungen zu Freischießen befreundeter Schützen in anderen Städten. Schon vor Jahrhunderten nahm die Privilegerte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen daran Teil. Dazu gehören Aalen (im Jahr 1452), Augsburg (1415), Dinkelsbühl (1493), Eßlingen (1437), Schwäbisch Gmünd (1470), Kaufbeuren (1444), Kempten (1452), Konstanz (1438), Leipzig (1497), München (1467), Oettingen-Wallerstein (1445), Ulm (1463), Wallerstein (1499), Wemding (1555), Würzburg (1803) und Zürich (1465).
Als Nördlingen infolge der Mediatisierung 1802/1803 den Status einer Freien Reichsstadt verlor und bayerische Land- und Provinzstadt wurde, brachen auch für die Nördlinger Schützengesellschaft vorerst schlechte Zeiten an. Das alte Schießhaus von 1539 bzw. 1723 hatte 1805 weisungsgemäß verkauft werden müssen, die Schießanlagen mussten verkleinert werden und wurden schließlich 1808 freies Privateigentum der Nördlinger Schützen.
Die Zeit der jüngeren Vergangenheit nach dem Zweiten Weltkrieg ab 1945 war für die Privilegierte Schützengesellschaft 1399 Nördlingen nach den Berichten ihrer verantwortlichen ersten Schützenmeister Hans Lachenmeyer (1949-1957), Ernst Sieger (1957-1973), Hans Hülsenbeck (1973-1993) und Georg Mayer (1993-2019) von vielen Veränderungen geprägt und zudem sehr erfolgreich. Als die Beschränkungen 1949 gelockert wurden, fand noch im gleichen Jahr die Neugründung der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen statt, der auch das beschlagnahmte Vereinsvermögen zurückgegeben wurde.
Die Nördlinger Schützen haben in ihrer stolzen 625-jährigen Geschichte nicht nur Schießhäuser und -anlagen gebaut, modernisiert oder wieder errichtet, sie haben nicht nur über Jahrhunderte hinweg Schützenfeste und Jubiläen ausgerichtet, sondern sie haben vor allem stets aktiv und an vorderster Stelle mitgeholfen, den jeweiligen Erfordernissen und Nöten in ihrer Vaterstadt Nördlingen gerecht zu werden. In diesem Geist haben sie auch 1499 in der St.-Georgs-Kirche zwei Gewölbefelder im Chor durch Spenden mitfinanziert und bei der Errichtung geholfen – wie die Schlusssteine, die sie als Wappenschilde noch heute auf Briefköpfen und Plakaten abdrucken, verdeutlichen.
Die Wahrung der Tradition, die Pflege des geselligen Lebens und das Fördern des modernen Schießsports sollen auch in Zukunft Sinn und Inhalt der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen sein. Die komplette Chronik, verfasst von Dr. Dietmar-Henning Voges, ist auf der Internetseite der Nördlinger Schützen – www.psg1399.com – nachzulesen.
Die Anlagen und Bahnen der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen an der Kaiserwiese sind zugänglich natürlich für die eigenen Mitglieder, für Zweit-Mitglieder – aber auch jederzeit für Gastschützen. Deswegen herrscht dort fast täglich reger Betrieb. In den vergangenen Jahren wurden die Schießanlagen Stück für Stück modernisiert und an die heutigen Bedürfnisse angepasst. Damit ist der Verein optimal für die weitere Zukunft aufgestellt.
Die Kleinkaliberanlage Gewehr, 50 Meter, wurde 1964 gebaut. 1983 errichtete man die Pistolenanlage. Die Anlage 100 Meter wurde 1998 unter Verantwortung von Schützenmeister Georg Mayer neu erbaut. Unter der Leitung von Schützenmeisterin Lilly Schwarz wurden zuletzt auch die Bahnen Sport-Pistole (2020) sowie Luftpistole/Gewehr (2024) mit Geräten der Firma Meyton auf den neuesten Stand gebracht. Elektronische Schießscheiben sind somit ebenso Standard wie die Ausstattung mit Kameras und Bildschirmen.
Neben dem Bewahren der Tradition und dem sportlichen Wettkampf steht natürlich auch das gesellige Vereinsleben bei der Privilegierten Schützengesellschaft 1399 Nördlingen im Mittelpunkt. Die rustikale Schützenstube hat regulär Sonntagvormittag und Dienstagabend sowie nach Vereinbarung geöffnet, im angrenzenden Saal können größere Feierlichkeiten stattfinden – stimmungsvoll eingerahmt von zahlreichen gewonnen oder gespendeten Schützenscheiben und Bildern.
Alljährlich beteiligt sich die Schützengesellschaft auch bei der Nördlinger Mess´. Diese wird traditionell durch drei kräftige Salutschüsse von Schützenmitgliedern eröffnet. Im gemütlichen und schattigen Biergarten der Schützen lässt es sich während der Mess´-Tage entspannt sitzen und genießen.
Die Privilegierte Schützengesellschaft hat auch Spuren weit über Nördlingen hinaus hinterlassen. In Illerbeuren (Kreis Unterallgäu) findet sich eine alte Schützenscheibe als Leihgabe im dortigen Museum. Und auf der Nördlinger Hütte der Sektion Nördlingen des Deutschen Alpenvereins im Tiroler Karwendel-Gebirge befinden sich gleich zwei Scheiben: Eine aus dem Jahr 1954 und eine von 2005.
Bis heute gibt es auch weiterhin regen Kontakt zum Partnerverein aus Erfurt, mit dem urkundlich gesichert seit 1399 eine Freundschaft besteht.