Es gehört eine Menge Mut dazu, mit einem Ensemble, das lediglich aus ambitionierten Laien besteht, ein Musical auf die Bühne zu stellen. Wenn dann am Schluss das Publikum steht und die Darsteller ekstatisch feiert, hat man – in diesem Fall wohl frau – alles richtig gemacht. Mehr noch: Der kleine Horrorladen des DE, in der Inszenierung von Clarissa Bühler (Co-Regie Gerhard Munk), ist ein unglaublich gut gelungener Spaß, bei dem alles stimmt. Vom Bühnenbild über die Ausstattung, die Kostüme, die perfekte Livemusik einer tollen Band bis zu den Darstellern. Da kann man sich nur bestens unterhalten fühlen.
Die Story ist schnell erklärt: Im maroden Blumenladen des Mr. Mushnik (Oliver Böckh) wird die Hauptfigur Seymour Krelbourne (Kai Weeber) als Gehilfe gnadenlos ausgebeutet. Die weibliche Hauptrolle, die Angestellte Audrey (Clarissa Bühler), in die der unbedarfte Seymour genauso heimlich wie unsterblich verliebt ist, wird von ihrem sadistischen Verlobten, dem Zahnarzt Orin Scrivello (Uli Bühler), gedemütigt.
Als Rettung vor der endgültigen Schließung des Ladens entpuppt sich eine ungewöhnliche Pflanze, die Seymour heimlich gekauft und ins Schaufenster gestellt hat. Er nennt sie Audrey II und als sie einzugehen droht, stellt er durch Zufall fest, dass er sie mit seinem Blut aufpäppeln kann. Mit der Pflanze wächst auch der Umsatz. Seymour und der Laden werden berühmt, Radio und Fernsehen berichten, und die Kunden reißen sich darum, bei Mushnik einkaufen zu dürfen.
Während Audrey vergeblich von Harmonie mit Häuschen im Grünen mit ihrem Sadistenfreund träumt, wird Seymour vom geschäftstüchtigen Mushnik adoptiert. Derweil wird Audrey II immer gieriger und beginnt zu sprechen (Wolfgang Heinrich): Seymour solle Audreys Zahnarzt Orin töten. So bekäme sie Nahrung, und Seymour könne Audrey gewinnen. Seymour schafft es zwar nicht, doch durch einen technischen Defekt bringt sich der Arzt mit einer Überdosis Lachgas selbst um und wird an Audrey II verfüttert, die immer mächtiger wird (auch auf der Bühne).
Audrey himmelt inzwischen Seymour an, sie werden zum Liebespaar. Als Mr. Mushnik Verdacht schöpft und damit droht, Seymour an die Polizei auszuliefern, verschwindet auch er im Maul der gierigen Pflanze. Von da an nimmt das Geschehen seinen Lauf. Pflanze und Geschäftemacher übernehmen das Kommando und stürzen das gesamte Bühnenensemble im Klösterle ins Chaos. Ein Chaos, das genauso brillant in Szene gesetzt ist, wie das gesamte Musical vom Anfang bis zum Ende.
Das Publikum ist hingerissen: von den drei Damen Crystal (Franziska Eßmann), Ronette (Sarah Prügel) und Chiffon (Steffi Preiss), die ähnlich wie in Mozarts Zauberflöte „durchs Programm führen“, über die Soulgirls-Straßengang (Elke Prügel, Ulrike Seidl, Mareike Tegeler) bis in die kleinsten Nebenrollen, wie zum Beispiel Saufbruder Alexander Güntert oder Kunden (Jutta Hummel/Michael Eßmann). Kostüme, Auftritt, Inszenierung, Bühnenbild, Musik, Gesang und nicht zuletzt Ton- und Lichtregie passen wie angegossen. Man kann nicht alle nennen, die zum gelungenen Abend beigetragen haben, aber alle Beteiligten können sich beglückwünscht fühlen, einem vollen Klösterle schon bei der Premiere einen denkwürdigen Abend beschert zu haben.
DE 2023 in Nördlingen: Ovationen wie bei einem Rockkonzert
Frenetisch die Zuschauer, Ovationen wie bei einem Rockkonzert und euphorisch nicht zuletzt auch das gesamte DE, das nach dem Erfolg zu Recht kollektiv geflasht war. Allen voran Clarissa Bühler: „Das kann man sich nicht erträumen, so gefeiert zu werden.“ Wer dieses Highlight noch erleben will, muss blitzschnell reagieren. Eigentlich sind alle weiteren Vorstellungen am kommenden Wochenende ausverkauft. Ulrich Klieber hat allerdings verraten, dass das Ensemble am kommenden Sonntag, 26. November, um 11 Uhr noch eine Zusatzvorstellung geplant habe.