Es ist bitterkalt an diesem Januarmorgen, doch die Bauern hält das nicht auf. In aller Früh fahren sie mit ihren Traktoren los in Richtung Nördlingen. Auf der Bundesstraße B25 kommt es zu Verkehrsbehinderungen, in Nördlingen reiht sich am Inneren Ring Schlepper an Schlepper. Eigentlich soll die Kundgebung des Bayerischen Bauernverbandes um 10 Uhr auf der Kaiserwiese beginnen. Doch auch mehr als eine Viertelstunde später rollen noch immer Traktoren auf den Nördlinger Festplatz. Es ist ein beeindruckendes Bild: Schlepper an Schlepper, Fahrzeug an Fahrzeug parkt genau dort, wo nach Pfingsten wieder die Mess' gefeiert wird. Doch statt Feierstimmung herrscht Unmut.
Die Polizei berichtet am Mittag, dass mehr als 1400 Fahrzeuge auf der Kaiserwiese gestanden seien, etwa 2300 Menschen hätten sich an der Kundgebung beteiligt. Der überwiegende Teil von ihnen sind Landwirte. Und die haben erkennbar genug – von all dem, was die Bundesregierung ihnen da zuletzt aus ihrer Sicht so eingebrockt hat. Dass die Ampel mittlerweile einen Teil der Agrar-Sparmaßnahmen wieder zurückgenommen hat, spielt da keine Rolle mehr.
Landwirte beklagen immer größer werdende Bürokratie
Das sei nur die Spitze des Eisbergs gewesen, meint beispielsweise Hannes Leinfelder aus dem Donauwörther Stadtteil Schäfstall, der an diesem Morgen mehr als zwei Stunden mit dem Auto ins Ries gebraucht hat. Die Mehrwertsteuer-Pauschale gesenkt, die geforderte Stilllegung von vier Prozent der Fläche, immer mehr Bürokratie: "Als große Firma kann man ja einen Nachhaltigkeitsmanager einstellen. Aber für uns als Familienbetrieb ist das fast nicht mehr machbar." Seine Frau Maria kritisiert die fehlende Planungssicherheit: Wie solle man in diesen Zeiten einen neuen Stall bauen, wenn man gar nicht wisse, was der Regierung als Nächstes in Sachen Tierwohl einfällt?
So ähnlich wie die Leinfelders äußern sich auch andere Bauern. Johannes Wolf aus Birkhausen etwa ist im Nebenerwerb Biolandwirt. Es gehe an diesem Tag nicht allein um den Agrardiesel, betont er und verweist auf die neue Düngeverordnung. Für die meisten Bauern, so erklärt er, sei Gülle ein hochwertiger Dünger. Wenn der teils durch künstlichen ersetzt werden soll, sei das unverständlich. Martin Eberhardt aus Hochstein, einem Ortsteil von Bissingen, verweist auf ein Schild, auf dem steht: "Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser." Johann Straßner aus Pfäfflingen hat seinen Betrieb schon aufgegeben, ist an diesem Morgen ein Beobachter. Doch auch ihm stinkt, wie sich die Ampel-Regierung verhält. Erst werde entschieden, dann wieder zurückgenommen: "Man muss doch vorher wissen, was machbar ist."
Bauernprotest auf Nördlinger Kaiserwiese: Wut auf Minister Cem Özdemir
Die Wut der Bauern bekommen in Nördlingen vor allem die Landesvorsitzende der Grünen, Eva Lettenbauer, und FDP-Bundestagsabgeordneter Maximilian Funke-Kaiser zu spüren. SPD-Bundestagsabgeordneter Christoph Schmid aus Alerheim lässt sich entschuldigen, er sei auf einem Termin in Augsburg, wird bekanntgegeben. Lettenbauer versucht, auf dem Podium gegen die Buh-Rufe der Protestierenden anzukämpfen. Sie betont, die bayerischen Grünen hätten sich dafür eingesetzt, dass die ursprünglich geplanten Agrar-Kürzungen zurückgenommen werden, ein Teilerfolg sei schon erzielt. Sie verweist auf das Engagement von Bundes-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir – doch spätestens als dessen Name erwähnt wird, geht die Stimme Lettenbauers in Buhrufen unter. "Drecksau" beschimpft einer den Politiker, andere drehen Lettenbauer den Rücken zu. Funke-Kaiser gewinnt auch keine Sympathien, als er eingangs sagt, dass er dafür gewählt sei, sich den Protest jetzt anzuhören – dass es aber auch angenehmere Termine für ihn gebe.
Applaus gibt es dagegen für den stellvertretenden Kreisobmann des BBV, Friedrich Weng, der moderiert und auch seine eigene Meinung vertritt: "Wir ernähren das Volk!" Kreisobmann Karlheinz Götz ist beeindruckt von den Bauernprotesten. Jahrelang seien die Landwirte ruhig gewesen, aber jetzt reiche es.
Landwirte betonen: Nachhaltig sei Produktion im eigenen Land
Man sei auch nicht extrem, betont Götz, nicht auf einem Irrweg: "Die Bundesregierung muss auf den richtigen Weg kommen." Für alle möglichen Projekte auf der Welt werde Geld ausgegeben, schimpft der Kreisobmann, nur fürs eigene Volk habe man keines. Die Landwirtschaft sorge für Frieden, betont Götz, sie liefere Rohstoffe. Und Subventionen erhalte man, damit die Lebensmittel so günstig bleiben könnten, wie sie eben jetzt seien. Kreisbäuerin Nicole Binger bekommt ebenfalls Applaus als sie sagt: "Zu viel ist zu viel." Nachhaltigkeit bedeute, wenn die Lebensmittel im eigenen Land produziert werden. Es gehe um Wettbewerbsfähigkeit: "Wir wollen unsere Arbeit tun." BBV-Geschäftsführer Michael Stiller fordert eine Abkehr von der "ideologiegetriebenen" hin zur Sachpolitik.
Ebenfalls zu den Bauern spricht Landrat Stefan Rößle, der die Partnerschaft zwischen Landkreis und Landwirten betont. Oberbürgermeister David Wittner bekommt erst Applaus, wird dann aber für seine Kritik an den Galgen, die an einigen Orten stehen, teils ausgebuht. CSU-Landtagsabgeordneter Wolfang Fackler stellt sich komplett hinter die Anliegen der Bauern: "Ihr seid zu Recht aufbracht", er wettert gegen die Ampel-Regierung. Zudem auf dem Podium mit jeder Menge Kritik an der Bundesregierung: Rupert Kollmann, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Nordschwaben, der Obermeister der Fleischer, Harald Münzinger, und Josef Meyer, Kreisvorsitzender des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes.
Viele machen sich danach auf den Weg, um in Donauwörth weiter zu demonstrieren. Ein Ende der Bauerproteste scheint nicht in Sicht. Landwirt Eberhardt sagt: "Ich hoffe, dass es die ganze Woche so weitergeht."