Es könnte eines der größten Wohnprojekte der jüngsten Vergangenheit werden: Um mehr Bauplätze zu schaffen, plant die Stadt Nördlingen eine Erweiterung des Wemdinger Viertels. Als „Gartenstadt“ oder „Wohnpark Ost“ wurde das Baugebiet schon mal bezeichnet. Bis zu 5000 neue Bewohner könnten dort künftig einmal ihr neues Zuhause finden, wie Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner unlängst in einem Interview mit unserer Zeitung sagte. Ziel ist es, den angespannten Wohnungsmarkt im Stadtgebiet zu entlasten. Doch es formiert sich Widerstand. Vertreter der Nördlinger Landwirte kritisieren das Projekt scharf.
Das Gebiet, in dem künftig die Gartenstadt entstehen soll, besteht aktuell beinahe ausschließlich aus Ackerflächen. Ruth Meißler ist Kreis- und Ortsbäuerin des Bayerischen Bauernverbands (BBV). Sie fürchtet, dass mit der Erweiterung des Wemdinger Viertels „30 bis 50 Hektar bestes Ackerland vernichtet“ würden, wie die Bäuerin sagt. „Wir haben in Nördlingen einen der hochwertigsten Ackerböden in ganz Deutschland. Würde die Fläche verbaut, wäre sie endgültig für die Landwirtschaft verloren.“
Bauernverbände und Bund Naturschutz kritisieren Flächenfraß
Der Bund Naturschutz und die Bauernverbände kritisieren seit Längerem einen „Flächenfraß“ – wenn auch aus unterschiedlicher Intention. Die Naturschützer mahnen, durch den Verbrauch an Boden werde die Artenvielfalt weiter bedroht. Die Bauern fürchten, dass ihr Ackerland zunehmend von Wohngebieten, Straßen und anderer Infrastruktur vernichtet wird.
Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner weiß um dieses Problem. Im Gespräch mit unserer Redaktion betont er: „Das Letzte, was wir wollen, ist, die Landwirte zu verdrängen.“ Ihm „blute das Herz“, den „herausragenden Boden“ unweit des Wemdinger Viertels zu bebauen, sagt Wittner. „Aber aus städtischer Sicht ist das mit die einzige Möglichkeit, sich zu entwickeln.“
Bauernverband: Erst Baulücken in Nördlingen schließen
Denn in und um die Stadt Nördlingen, sagt der OB, gebe es eine enorme Nachfrage nach Baugrund und die Bevölkerungszahlen würden aktuell stetig steigen. „Es herrscht ein enormer Druck nach Wohnraum.“ Dem müsse die Stadt standhalten.
Die Bauern hätten auch nicht grundsätzlich etwas gegen dieses Wachstum, sondern gegen Leerstand, wie Bernd Steinmeyer, der Nördlinger Ortsobmann des BBV, sagt. Er verstehe nicht, weshalb die Stadt wertvolles Ackerland verbaue, bevor vorhandene Baulücken in der Kernstadt nicht geschlossen würden. Das sieht auch Ortsbäuerin Meißler so. Als Beispiel führt sie das Baugebiet Saubrunnen auf. Dort würden seit 20 Jahren Bauplätze brachliegen und verwildern, wie sie sagt.
Ab Herbst will Stadt Nördlingen Gartenstadt vorantreiben
Oberbürgermeister Wittner betont, die Stadt beschäftige sich ausführlich mit dem Thema Nachverdichtung. „Wir wollen die Baulücken schließen. Aber viele Plätze liegen nicht ohne Grund brach.“ Denn ein Großteil der Flächen befinde sich in privatem Besitz und die Verhandlungen zum Verkauf würden teils zäh laufen. „Ich kann den Ärger der Landwirte verstehen, auf der anderen Seite müssen wir bezahlbaren Wohnraum schaffen.“
Ab Herbst will die Stadt einen Bebauungsplan erstellen und weitere Grundflächen erwerben. „Wir stehen aktuell in Verhandlungen mit vielen Grundstückseigentümern und haben auch schon Erfolge erzielt“, sagt Wittner. Heißt: Die Stadt besitzt bereits einige Grundstücke an besagter Stelle. Der OB betont auch, es werde noch etwa zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis in der Gartenstadt großflächig gebaut werde. Große Wohngebiete würden nicht über Nacht aus dem Boden schießen.
Meißler: "Gartenstadt trägt zu Problem bei"
Indes haben die Bauernvertreter Meißler und Steinmeyer eine Protestwand am Rande des „Wohnpark Ost“ aufgestellt. Über zwei Meter ist sie hoch, daran befestigt sind Schilder mit Aufschriften wie „Stoppt Landfraß“, „Landwirtschafts-Schutzgebiet“ und „Keine Monster-Siedlung“.
Meißler sagt: „Die Corona-Krise hat doch gezeigt, dass wir alle von Lebensmitteln, also auch von der Landwirtschaft, abhängig sind.“ Konträr dazu gebe es kaum noch landwirtschaftliche Flächen in und um Nördlingen. Die Gartenstadt trage sicherlich zu diesem Problem bei.
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