Und plötzlich sind sie einfach auf. Es ist kurz vor 12 Uhr am Freitagmittag, als die Holzbuden in der Nördlinger Innenstadt zwischen Löpsinger Straße und St. Georg ihre Fenster öffnen. David Wittner ist natürlich da. Die Adventszeit am Ende seines ersten Jahres als Oberbürgermeister hatte er sich sicher anders vorgestellt. Weil die Zahl der Corona-Infektionen im Landkreis und der Republik seit Wochen hoch ist, sind Menschenmassen unerwünscht. Auf eine Ansprache zur Eröffnung des „Adventszaubers“, der in Nördlingen den abgesagten Weihnachtsmarkt ersetzt, verzichtet Wittner deshalb. Stattdessen schlendert er über den Markt, betrachtet die Stände und begrüßt Gäste und Marktbeschicker. Es ist ruhig am ersten Mittag des Adventszaubers. Doch darüber beklagt sich kein Händler.
Nicht jeder Gast ist damit einverstanden, wie weit die Einschränkungen beim Adventsbummel heuer reichen. Wittner hat kaum den Marktplatz betreten, gerade die erste Bude passiert, da spricht ihn eine Frau an. „Dass man hier nicht essen darf, ist doch unnötig“, sagt sie. Wittner zieht die Schultern hoch. In der Stadtmitte, wo die Händler ihre Buden aufgebaut haben, herrscht seit Wochen Maskenpflicht, Gastronomie, Glühwein, Schupfnudeln, Bratwürste gibt es auf dem Markt keine. Nur Süßigkeiten und andere Lebensmittel, eingepackt und zum Mitnehmen. „Aber Sie wissen doch, wie es dann ist“, antwortet Wittner der Frau. „Dann stehen schnell wieder Gruppen zusammen, das wollen wir heuer einfach vermeiden.“ Und außerdem, sagt er, sei der Weg herunter vom Markt, wo man die Maske abnehmen und Mandeln und Plätzchen essen dürfe, nicht weit.
Nördlinger "Adventszauber" baut auf geringes Risiko an der frischen Luft
So manches fehlt im Advent 2020 in der Innenstadt. Das Karussell etwa am Rübenmarkt oder der Stand des Tierheims an der Alten Schranne. Natürlich gebe es auch diejenigen, die sich dafür aussprechen würden, alle Veranstaltungen abzusagen, erzählt Wittner. Doch er sei optimistisch, dass der Markt in seiner jetzigen Form funktioniere. „Wir sind an der frischen Luft und bemühen uns, dass nicht zu viele Besucher kommen.“ Schon dass der Markt eben nicht Weihnachtsmarkt heißt, will die Stadt als ein Zeichen verstanden wissen: Heuer ist der Advent wirklich anders.
Überraschend vieles auf dem Markt ist trotzdem so, wie in den Jahren zuvor. Zahlreiche Beschicker sind mit ihren Waren schon seit Jahren auf dem Weihnachtsmarkt, verkaufen Krippen, Edelsteine oder Honig. Manche seien gar neu hinzugekommen, sagt Wittner.
In vielen Städten der Region fallen die Weihnachtsmärkte heuer ersatzlos aus. Für sie ist der „Adventszauber“ Gelegenheit, im Winter trotz Pandemie Geld verdienen zu können. Vor allem für die Händler hat die Stadt den Markt organisiert, ohne Volksfeste haben sie ein dürres Jahr hinter sich. So wie Egon Menzel.
Kein Weihnachtsmarkt 2020: Schausteller hoffen nach dürrem Jahr
Er verkauft seit Jahren Feuerzangenbowle in der Löpsinger Straße, sein Stand ist Wittners letzter Stopp beim Spaziergang über den „Adventszauber“. Ohne Soforthilfen, mit denen die Bundesregierung aktuell vom Lockdown betroffene Unternehmen unterstützt, würde er in massiven Problemen stecken, sagt Menzel. „Ich habe dieses Jahr ein Drittel meiner Altersvorsorge aufgebraucht, um über die Runden zu kommen.“ Jetzt hofft er, dass die Pandemie mithilfe eines Impfstoffs bald endet – sodass etwa die Mess’ im neuen Jahr stattfinden kann. Menzels Feuerzangenbowle bleibt heuer kalt, an Besucher ausschenken darf er sie nicht. Stattdessen verkauft der Schausteller sie in Flaschen.
Ein Treffpunkt soll die Feuerzangenbowle 2020 nicht sein, auch dann nicht, als der Betrieb auf dem Markt mit einsetzender Dunkelheit zunimmt. Wenn der Plan der Stadt aufgeht, bringt der „Adventszauber“ einige Menschen in die Stadt, aber nicht zu viele. Sie stehe „zu 100 Prozent“ hinter dem Markt, sagt Stadtmarketing-Chefin Sabine Vierkorn, der Handel könnte davon profitieren. „Eine leere Innenstadt, durch die nur Paketdienste fahren, kann niemand wollen“, sagt sie.
Das übliche Gedränge in der vollen Innenstadt soll es aber heuer im Advent nicht geben. Denn das Virus könne die Buden so unvermittelt schließen, wie sie am Freitag geöffnet haben. „Sollten die Zahlen wieder massiv steigen, dann müssten wir abbrechen“, sagt Oberbürgermeister Wittner.
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