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Nördlingen: Assistierter Suizid – ein Thema, das für die Gesellschaft schwierig ist

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Assistierter Suizid – ein Thema, das für die Gesellschaft schwierig ist

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    Zur Akademietagung waren Axel Piper, Babara Kittelberger, Professor Arne Manzeschke, und Frank Kittelberger nach Nördlingen gekommen. Vorn im Bild: Christa Müller, Leiterin des Evangelischen Bildungswerks Donau-Ries.
    Zur Akademietagung waren Axel Piper, Babara Kittelberger, Professor Arne Manzeschke, und Frank Kittelberger nach Nördlingen gekommen. Vorn im Bild: Christa Müller, Leiterin des Evangelischen Bildungswerks Donau-Ries. Foto: Friedrich Wörlen

    Der "assistierte Suizid" ist ein gesellschaftlich schwieriges Thema. Besonders betroffen sind Personen, die im Pflege- und Fürsorge- oder Seelsorgebereich mit aktiven Sterbewünschen konfrontiert werden und verlässliche, ethisch vertretbare und rechtssichere Regeln für den Umgang mit Suizidgefährdeten benötigen. Dazu hat die Evangelische Akademie Tutzing ein Format mit dem Titel "Meine Zeit steht – in wessen Händen?" erstellt. Dazu finden in Städten Vortrags- und Diskussionstage statt, kürzlich war Nördlingen der Tagungsort. Kooperationspartner waren das Evangelische Bildungswerk Donau-Ries und der Freundeskreis der Akademie. Etwa dreißig Personen aus dem Pflege-, vor allem Hospizbereich, waren der Einladung gefolgt.

    Die Bedeutung des Themas für die "Amtskirche" wurde dadurch dokumentiert, dass Regionalbischof Axel Piper, Augsburg, den geistlichen Impuls für die nachfolgenden Vorträge und Diskussionen gab, indem er Psalm 31 auslegte, dem das Motto der Tagung entnommen war: "Meine Zeit steht in deinen Händen."

    Bundesverfassungsgericht urteilte zu assistierter Selbsttötung

    Das Thema ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 ein großes Thema. Für die Träger entsprechender Dienste und Einrichtungen sowie für alle dort Beschäftigten wird mit Nachdruck das Recht des Einzelnen zur Geltung gebracht, "seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen". Barbara Kittelberger, Mitglied des entsprechenden Synodalausschusses und Mitautorin einer landeskirchlichen "Handreichung", nannte es das Ziel der Zusammenkunft, "die Diskussion in die Fläche zu tragen", um vor Ort ins Gespräch mit Praktikerinnen und Praktikern zu kommen.

    Das Dokument solle nicht "von oben, von der Kanzel herunter", sondern konkret und praxisgerecht aktualisiert werden. "Fürsorge" heißt für sie nicht, eine beratungsbedürftige Person zu bevormunden und ihr Sorgen abzunehmen, sondern konkrete Fragestellungen aufmerksam und in Demut zu erwägen und das Gegenüber mit Respekt vor seiner Würde und Autonomie ergebnisoffen zu begleiten. Eigene ethische Positionen sollen benannt, aber nicht durchgesetzt werden.

    Der selbst herbeigeführte "Tod vor der Zeit", so Professor Arne Manzeschke von der Evangelischen Hochschule Nürnberg, sei für die Gesellschaft immer noch ein Skandal und für die Angehörigen eine traumatische Erfahrung. Die Kommunikation werde ultimativ abgebrochen; Fragen nach Verschulden und Versäumnissen blieben offen. Rituale und Formeln könnten helfen; trotzdem bleiben Sprachlosigkeit und Schweigen. Verboten sei weder die autonome Lebensbeendigung noch die Hilfeleistung dazu.

    Vortrag in Nördlingen: Auch in der Bibel gebe es Beispiele für Selbsttötungen

    Somit müssen Gesundheits- und Pflegeberufe und -institutionen sich entsprechend verhalten. Systematisch handelte der Professor praktische, kulturelle, (kirchen-)politische, rechtliche, ethische und theologische Kriterien ab. Schutz des Lebens, Respekt vor der Autonomie des Individuums, Schutz vor Stigmatisierung und Psychiatrisierung (=Sedierung) bei Misslingen der Selbsttötung, Hilfe zur autonomen Lebensbeendigung aus Liebe, wurden erörtert. Was wäre eine Theologie, die der Liebe widerspricht? Die Bibel nenne Beispiele für Selbsttötungen, ohne sie eindeutig zu werten, Augustinus macht sie zur Todsünde. Eine verantwortliche Entscheidung setze eine differenzierte Analyse des Einzelfalls voraus, „die Kirche kann nicht sich nicht entscheiden.“ Auch Gremien müssen die Würde des Sterbewilligen respektieren.

    Die an den Referaten und an Fallbeispielen aus der örtlichen Hospiz- und Sterbebegleitungsarbeit orientierte Diskussion berührte die Funktion der Patientenverfügung sowie die Rolle der Ärzte, des Ehrenamts und der diakonischen Dienste. Barbara Kittelberger spitzte zu: "Sind wir bereit, Suizidenten zu helfen?" Daran zeige sich, ob die Kirchen gesellschaftlich relevant bleiben. Laut Diakoniegeschäftsführer Johannes Beck ist man dort bereit, sich den Herausforderungen zu stellen. Erfahrungsberichte aus der Praxis kamen von Roswitha Schmalisch und Birgit Kolb sowie von Margit Wiedenmann, Koordinatorin der Hospizgruppe Donau-Ries, die auf die Wichtigkeit ehrenamtlicher Mitarbeit hinwies sowie auf die neuen "Letzte-Hilfe-Kurse".

    Info: Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie darüber! Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten – per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch, auch anonym. Eine Übersicht gibt es auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention https://suizidprophylaxe.de/hilfsangebote oder hier.

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