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Nördlingen: Amtsgericht Nördlingen: Ein Geständnis, das ihm nichts nützt

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Amtsgericht Nördlingen: Ein Geständnis, das ihm nichts nützt

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    Ein Mann stand in Nördlingen wegen schwerer Körperveletztung vor Gericht.
    Ein Mann stand in Nördlingen wegen schwerer Körperveletztung vor Gericht. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Staatsanwältin Irmina Zeitner zeigt sich nach fast zweieinhalb Stunden Verhandlung in ihrem Plädoyer fassungslos: „Der Angeklagte war deutlich mehr an der Tat beteiligt, als er uns glauben lassen mag“, sagt sie. Das Geständnis sei so dürftig gewesen, dass sie es kaum berücksichtigen könne. Zeitner fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Was war passiert?

    Zurück in den Januar 2020, Dreikönigstag, nachts in Wallerstein an der Hauptstraße. Zwei Männer werfen zwei Brüdern vor, dass die sie beleidigt hätten. Die Brüder gehen darauf nicht ein, gehen weiter, die Angeschuldigten laufen ihnen nach, schlagen und treten sie. Die Brüder versuchen abzuhauen, was einem der beiden auch gelingt. Er kann einige Freunde zu Hilfe holen. Der jüngere Bruder wird in dieser Zeit mit einem Schal vier bis fünf Sekunden lang gewürgt – so jedenfalls wird in der Anklageschrift der Vorfall geschildert. Vor dem Schöffengericht in Nördlingen steht an diesem Tag nur einer der beiden Beschuldigten, ein heute 26-Jähriger aus Wallerstein. Das Verfahren des anderen Mannes ist abgetrennt und wird in Augsburg verhandelt.

    Der Angeklagte sagt, dass er niemanden gewürgt habe

    So sitzt nur der 26-Jährige vor Richterin Ruth Roser und beteuert, dass er niemanden getreten hätte, auch habe er keinen der Brüder mit einem Schal gewürgt. Nachfragen des Gerichts beantwortet der Angeklagte nur vage, kann sich an Details häufig nicht mehr erinnern. Er wisse nicht, ob einer der beiden Brüder zu Boden gefallen sei.

    Nach dem Würgevorfall – der Mittäter des Angeklagten war zwischenzeitlich abgehauen – sei er mit dem jüngeren Bruder wieder zurück zur Hauptstraße gelaufen. Richterin Roser fragt nach: „Täter und Geschädigter laufen einvernehmlich nebeneinander her?“ Naja, einvernehmlich eher nicht, räumt der Angeklagte ein, man sei hintereinander gelaufen. Die Staatsanwältin schaltet sich ein: „Wenn Sie das so schönreden wollen, schaut es düster für Sie aus.“

    Die Richterin schien dem Angeklagten nicht so ganz zu glauben

    Der Angeklagte schildert auf Nachfragen der Richterin, dass er und der Mittäter Alkohol getrunken hätten, er selbst habe eine halbe Flasche Schnaps konsumiert. Als mittelmäßig betrunken beschreibt er sich, er habe noch geradeaus laufen können. Ob er Alkohol gewöhnt sei, fragte Roser? „Nein“, sagt der Angeklagte. So ganz schien ihm die Richterin das nicht zu glauben.

    Auch die beiden Brüder hatten an diesem Abend ein bisschen was getrunken, waren mit Freunden zusammengesessen. Zeugen beschreiben die beiden Brüder als schüchtern, sie seien eher zurückhaltend. Auch auf anderen Feiern seien sie nie aggressiv gewesen. An dem besagten Abend hatte eine Freundin der Brüder bei der Polizei ausgesagt, dass sie sich nicht vorstellen könne, warum die beiden angegriffen worden seien. Es hätte auch jeden anderen treffen können. Ihr gegenüber habe der Angeklagte gesagt, dass er wegen einer Sache mit seiner Ex-Freundin verärgert gewesen sei.

    Die Brüder sind vor Gericht zurückhaltend

    Die beiden Brüder sagen vor Gericht ebenfalls aus. Der ältere der beiden schildert die Fußtritte, die er abbekommen habe. Er sagt auch, dass ihm, nachdem er am Boden lag, von einem der beiden Täter hochgeholfen wurde. Die Richterin fragt nach, ob das freundschaftlich gemeint war. Der ältere Bruder verneint. Sei es nicht vielleicht ein Hochzerren gewesen, fragt die Richterin nach? Ja, eher so. Es ist eine der Szenen im Gerichtssaal, auf die sich die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer bezieht, als sie sagt, dass die beiden Zeugen keinerlei „Belastungseifer“ gezeigt hätten, eher zurückhaltend seien, wenn sie sich nicht mehr ganz sicher waren, wie sich ein Detail zugetragen hatte.

    Der jüngere der Brüder berichtet, was aus seiner Sicht passiert ist, als sein Bruder losgerannt war, um Hilfe zu holen. „Sie wollten, dass ich mich auf eine Bank setze. Ich sollte meinen Bruder anrufen, damit er zurückkommt“, schildert er. Schließlich sei ihm ein Schal mehrmals um den Hals gewickelt worden und er wurde für mehrere Sekunden gewürgt. Wer der beiden das war, könne er nicht sagen.

    Einige Tage vor Beginn der Verhandlung haben die beiden Brüder eine Entschuldigung des Angeklagten sowie ein Schmerzensgeld von 250 beziehungsweise 300 Euro bekommen. Für das Schöffengericht spielt das bezüglich des Urteils keine große Rolle mehr. Richterin Ruth Roser lobt hier nur den Anwalt des Angeklagten, der gute Arbeit geleistet hätte.

    Die Richterin sagt, man habe in der Vergangenheit gesehen, was ein Schlag anrichten könne

    Zwei Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe lautet das Urteil. „Sie haben beschönigt, haben versucht, das Beste für Sie rauszuholen“, sagte die Richterin zum Angeklagten. Das sei zulässig. Doch ein nachvollziehbares, von Reue geprägtes Verständnis wäre besser gewesen. Dazu musste sich der Angeklagte erst ein Jahr zuvor wegen einer Körperverletzung verantworten. Die Tat nun zeuge von einer hohen Rückfallgeschwindigkeit.

    Ob der Angeklagte einen der Brüder tatsächlich gewürgt habe, sei nicht entscheidend. „Wir sind hier auf dem Land. Jeder möchte unbefangen auf die Straße gehen können. Die Brüder kommen aus einer Kneipe, treffen auf Sie und werden zusammengeschlagen“, sagt die Richterin und führt aus: „Sie haben sich die schwächsten Opfer rausgesucht, keine muskelbepackten Kerle, vor denen Sie Angst haben müssten.“ Auch wenn die äußeren Verletzungen in diesem Fall nicht so stark ausgefallen seien, habe man nicht zuletzt am Beispiel des verstorbenen Feuerwehrmannes in Augsburg gesehen, was nur ein Schlag für Auswirkungen haben könne. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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