Das Abbild Gerd Müllers in Bronze ist enthüllt. Am Donnerstagabend setzte die Stadt Nördlingen dem Ausnahmefußballer ein Denkmal in Lebensgröße. Die Bevölkerung bekam die Statue zum ersten Mal zu Gesicht. Ausnahmefußballer, Fußball-Akrobat, Vorbild: Die Reden an diesem Abend zeigten mit ebendiesen Beschreibungen, warum der gebürtige Nördlinger selbst 2022 noch verehrt wird.
Er sei trotz des Ruhms bodenständig geblieben, sagte etwa Nördlingens Oberbürgermeister David Wittner. Mit seiner lockeren Art habe er Menschen immer wieder für sich gewinnen können. "Wir in Nördlingen sind stolz auf ihn, dass er es von hier aus zu Weltruhm schaffte." Auch daran solle das ehrende Denkmal erinnern, das künftig vor den Häusern steht, in denen er in Nördlingen aufgewachsen ist. "Es lebe der Sport, es lebe der Fußball, es lebe die Erinnerung an Gerd Hadde Müller", sagte Wittner.
Denkmal für Gerd Müller in Nördlingen enthüllt
An der Ecke Bergerstraße und Herrengasse bildete sich eine Menschentraube aus tausenden Interessierten und Fußballfans. Häuser waren rot angeleuchtet. An der großen Feier nahmen nicht nur Tausende Fans und Interessierte teil. Weggefährten folgten der Einladung bis hin zu den großen Namen des deutschen Fußballs: Uli Hoeneß, Sepp Maier, Herbert Hainer und Bulle Roth kamen ebenfalls nach Nördlingen.
Ministerpräsident Markus Söder nannte Müller nicht nur den größten Nördlinger, sondern auch einen der größten Bayern. Ohne Müller wäre der Erfolg des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft nicht möglich gewesen. Söder erinnerte daran, dass Müller auch schwierige Zeiten hatte. Söder sagte, dass Müller im FC Bayern damals genau den familiären Halt gefunden habe, den er benötigt habe. Der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands Christoph Kern nannte die Statue ein "Abbild eines Vorbilds" und sagte, dass Typen wie Gerd Müller heute im Fußball fehlen würden.
So sieht die Bronze-Statue von Gerd Müller in Nördlingen aus
Nach einigen Reden in der Alten Schranne in Nördlingen führte die Nördlinger Knabenkapelle die geladenen Gäste zum künftigen Gerd-Müller-Platz, auf dem die Statue enthüllt wurde. Unter tosendem Applaus wurde schließlich das rote Tuch weggezogen, die in Bronze schillernde Figur kam zum Vorschein.
Erste Reaktionen auf die Statue des Künstlers Herbert Deiss waren positiv. Uli Hoeneß sagte nicht nur, dass ihm das Müller-Denkmal "gut" gefalle, der Besuch der Feier habe auch einen emotionalen Wert: "Wenn man so verbunden mit jemandem war wie ich, dann ist das etwas ganz Besonderes." Sepp Maier meinte in seiner trockenen Art, dass Müllers Haare in Wirklichkeit doch etwas anders aussahen.
Das ist Gerd Müller
Gerd Müller wurde am 3. November 1945 als jüngstes von fünf Kindern in Nördlingen geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als Zwölfjähriger schloss er sich dem TSV Nördlingen an, dessen Spielstätte ein halbes Jahrhundert später zum „Gerd-Müller-Stadion“ ernannt wurde. Mit 14 begann er eine Weberlehre.
Mit 17 debütierte er in der Nördlinger Männermannschaft, die er praktisch im Alleingang in die Landesliga schoss. Nach 47 Toren in 28 Partien war klar, dass im Ries ein Juwel heranwuchs.
Der damalige Bundesligist 1860 München wollte Gerd Müller verpflichten. Allerdings kam der FC Bayern den Löwen zuvor. Für 4400 Mark Ablöse wechselte der spätere Jahrhundertstürmer zu den Roten. Nebenher arbeitete er halbtags bei einem Möbelhändler.
Müllers Start beim damaligen Regionalligisten FC Bayern verlief holprig. Erst als der Vereinspräsident Wilhelm Neudecker Druck auf Trainer Cajkovsky machte, durfte Müller spielen. Am Ende der Aufstiegssaison in die Bundesliga hatte er 39 Mal getroffen.
Sein außergewöhnliches Talent, aus beinahe jeder Lage ein Tor zu erzielen, war nun nicht mehr zu übersehen. Müllers 40 Tore aus der Bundesliga-Saison 1971/72 waren fast ein halbes Jahrhundert lang Bundesliga-Rekord. erst im Jahr 2021 übertraf ihn Robert Lewandowski mit 41 Treffern.
Müllers Tore waren Grundlage für die Entwicklung des FC Bayern zum deutschen Rekordmeister und international ruhmreichsten Aushängeschild der Bundesliga. Von 1974 bis 76 gewannen die Münchner dreimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorgängerwettbewerb der Champions League.
Zehn Müller-Treffer bei der WM 1970 mit der anschließenden Kür zu „Europas Fußballer des Jahres“ waren ein Höhepunkt seiner Karriere. Müller war der erste deutsche Spieler, dem diese Ehre zuteil wurde. Vier Jahre später: der WM-Triumph in Deutschland. 2:1 im Finale gegen Holland. Die deutschen Torschützen waren Breitner und natürlich Müller.
Nach dem Abschied vom FC Bayern 1979 zog es Müller dorthin, wo sich damals alle Großen der Fußball-Welt noch ein üppiges Übergangsgeld verdienten – in die USA. Mit den Fort Lauterdale Strikers traf er auf andere Altstars wie Carlos Alberto oder Franz Beckenbauer. 1982 war Schluss mit Fußball.
Es begann die schwierige Zeit in Gerd Müllers Leben. Als Fußball-Pensionär übernahm er als Teilhaber ein Steakhouse, in dem er den prominenten Gastgeber spielen sollte. Er, der auch nach zwei Jahren in den USA kaum einen Satz Englisch sprach, in der Rolle des Unterhalters. Das musste schief gehen. Müller fand sind in seinem neuen Leben nicht zurecht und begann zu trinken.
Ohne Perspektive kehrte er mit seiner Frau Uschi, die in der Anfangszeit seiner Karriere auch seine Managerin war, und seiner Tochter Nicole nach München zurück. Aber auch hier wusste er nichts mit sich anzufangen.
1991 kehrte er in seiner Not wieder häufiger nach Nördlingen zurück – in seine Heimatstadt, zu der er in den Jahren nach seinem Weggang ein gespaltenes Verhältnis entwickelt hatte. Zur Beerdigung der Mutter war er erst aufgetaucht, als der offizielle Teil des Begräbnisses vorbei gewesen war.
Die innere Leere Anfang der 90er Jahre betäubte er mit Alkohol – bis sich Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß seiner annahmen. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Entziehungskur schien sich sein Leben wieder zum Guten zu wenden. Der FC Bayern beschäftigte Müller als Assistenz- und Nachwuchstrainer. Bei Bundesligaspielen saß er auf der Auswechselbank.
Im Laufe der frühen 2010er Jahre erkrankte Müller an Alzheimer. Am 15. August 2021 starb er in einem Pflegeheim. (as)