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Neresheim: Die ganze Schönheit der Kirchenmusik

Neresheim

Die ganze Schönheit der Kirchenmusik

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    Studentinnen und Studenten der Royal Academy aus London gaben in Neresheim ein Konzert.
    Studentinnen und Studenten der Royal Academy aus London gaben in Neresheim ein Konzert. Foto: Peter Urban

    Seit 1991 gibt es die Zusammenarbeit der Royal Academy of Music London und der Abtei Neresheim. Seitdem bereichern Studierende der Academy jedes Jahr eine Woche lang die tägliche Liturgie der Mönche durch Chor- und Orgelmusik und bereiten ein abschließendes Konzert vor. So auch in diesem Jahr, nach zuletzt zwei Jahren Abstinenz wegen Corona. Unter dem Titel "In der Schönheit der Heiligkeit" konzertierten am Sonntagnachmittag der Kammerchor und drei Orgelschüler unter der Leitung von Professor Patrick Russill (Chor) und Professor David Titterington (Orgel) mit einem Ergebnis, das man getrost mit dem zum Programm umgekehrten Titel "Die Heiligkeit der Schönheit" bezeichnen kann.

    Bei jedem Ton des Konzerts war spür- und hörbar, dass die Studierenden in der ältesten und führenden Musikhochschule Großbritanniens auf höchstem Niveau ausgebildet werden. Der Chor begann mit "O viridissima virga" von Hildegard von Bingen und "Salve Regina" von Caterina Assandra, beides lateinisch gesungen. Schon hier: glasklare Stimmen, perfekte Intonation.

    Royal Academy of Music liefert Gänsehautmoment mit "Magnificat in G"

    Den ersten Gänsehautmoment lieferte Jean-Francois Dandrieus "Magnificat in G" an der Holzhey-Orgel von 1797, das für das Spiel im Wechsel mit gregorianischem Gesang geschrieben wurde. Nach diesem Stück wanderte der Chor vom Mönchschor in die Mitte des beeindruckenden Kirchenschiffs unter die Kanzel, um dort drei "cantiones sacrae" des niederländischen Komponisten Jan Pieterszoon Sweelincks, unter anderem das berühmte "O sacrum convivium", zu singen.

    Nach dem nächsten Höhepunkt, Kenneth Leightons "Paean" von 1966, unglaublich intensiv und kraftvoll interpretiert von Joshua Simoes, begab sich der Chor auf die Empore vor der Holzhey-Orgel. Zusammen mit Charles Maxtone-Smith an der Orgel erklang von dort oben Judith Weirs "Love bade me welcome", eine feinfühlige Vertonung eines Textes des englischen Renaissance-Dichters George Herbert. Judith Weir ist eine der wichtigsten noch lebenden Exponentinnen der britischen Komponistenszene und bekleidet als erste Frau das Amt "Master of the Queens Music".

    Die volle Kraft des Chors entfaltete sich in James MacMillans "Tota pulchra es", in dessen einzigartiger Umsetzung des Textes Drama, Wut und Ekstase kumulieren und dem Chor alle Möglichkeiten eröffnen, "einen Erguss schillernden Lobes der großartigsten Frau in Gottes Schöpfung" (Programmheft) ins Oratorium nachgerade zu schmettern: einzigartig! Als vorletztes Stück des Konzerts in der vollbesetzten Abteikirche erklang das dreisätzige "Voluntary in D major" (Largo, Fuga, March) von Samuel Wesley, der als der begabteste englische Komponist im klassischen Mozart- und Haydn-Stil gilt. Das 1828 erschienene Spätwerk ist eine Mini-Sonate, die Jeremy Ng mal einfühlsam, mal zupackend darbot.

    Dramatische Ausbrüche, lyrische Momente und hymnische Passagen

    Des Komponisten Sohn, Samuel Sebastian Wesley – ebenfalls Komponist und fast noch berühmter als sein Vater – war es vorbehalten, den Schlusspunkt mit Orgel und Chor zu setzen: Eines seiner Anthems, das 1851 entstandene "Ascribe unto the Lord", forderte nochmals das gesamte Können der Royal-Academy-Studierenden. Die dramatischen Ausbrüche, lyrischen Momente und hymnischen Passagen rissen das Publikum, das zu Beginn aufgefordert worden war, nur ganz zum Schluss zu applaudieren, zu einem Beifallssturm und größtenteils stehenden Ovationen hin. Ein faszinierend schönes Konzert, das mit einer letzten Zugabe, jetzt wieder in der Mitte des Kirchenschiffs mit allen Beteiligten, zu Ende ging und die Zuhörer beeindruckt und berührt in den sonnigen Spätnachmittag entließ.

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