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Landkreis Donau-Ries: Was ein Austritt aus der Kirche für die Menschen bedeutet

Landkreis Donau-Ries

Was ein Austritt aus der Kirche für die Menschen bedeutet

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    Viele Menschen haben im vergangenen Jahr die Kirche verlassen.
    Viele Menschen haben im vergangenen Jahr die Kirche verlassen. Foto: Jan-Luc Treumann

    An einem Punkt wird es sofort deutlich: der Kirchensteuer. Wer aus der Kirche austritt, muss diese nicht mehr zahlen. 2022 hat sich wieder eine Vielzahl an Menschen dazu entschlossen, offiziell die evangelische (rund 380.000 Personen) und katholische (522.000) Kirche zu verlassen. Doch mit den Pflichten enden auch Rechte.

    Gerhard Wolfermann vertritt die evangelische Kirche in Nördlingen. Man respektiere die Austritt-Entscheidung und oft wolle die Person auch nichts mehr mit der Kirche zu tun haben. Wer aus der Kirche austrete, werde im Normalfall nicht nach christlichem Ritus bestattet – Angehörige müssten schon sehr glaubhaft versichern, dass das für den Verstorbenen in Ordnung sei. "Das ist auch eine Frage des Respekts gegenüber der Entscheidung des Menschen", so Wolfermann. Andererseits spiele eine Trauerfeier für Angehörige eine wichtige Rolle, im Einzelfall sei es eine seelsorgerische Entscheidung.

    Kirchenaustritte: Nördlinger Dekan sieht Folgen für die Gesellschaft

    Eine kirchliche Trauung gebe es, wenn wenigstens einer der Partner in der evangelischen Kirche sei und der andere sagen könne, "ohne sich zu verrenken: 'Ja, mit Gottes Hilfe'".

    Doch Wolfermann sieht noch andere Folgen, die Austritte mit sich bringen: für den gesellschaftlichen Bereich. Denn das Engagement, etwa bei Kindertagesstätten und Friedhöfen, sei so langfristig kaum aufrechtzuerhalten. Bei einem Kita-Neubau trage die Kirche 15 Prozent der Bausumme. Irgendwann müsse die Allgemeinheit das selbst übernehmen.

    Das bestätigt auch Wolfermanns Pendant in Donauwörth, Frank Wagner. Hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Kirche ist der Dekan gespaltener Meinung: "Das Hauptproblem ist, wie wir als Kirche Mitgliedschaft definieren. Eigentlich machen wir das dadurch, dass ein Mensch getauft wird." Gottes Segen liege das ganze Leben auf dieser Person, doch wenn sie Geld verdiene, definiere sich die Mitgliedschaft über die Kirchensteuer: "Ich glaube, da müsste man über eine andere Finanzierung nachdenken."

    Bei Trauerfeiern entscheiden Pfarrer individuell

    Ab und zu komme auch der Wunsch nach kirchlichen Trauerfeiern von Ausgetretenen vor, manchmal fielen Verwandte aus allen Wolken, wenn ihnen davon zuvor nicht berichtet wurde. Wenn, dann führe man eine solche Trauerfeier für die Angehörigen durch. "In so einer Situation sagt man nicht, schaut, wo ihr mit eurer Trauer bleibt. Da muss man mit Fingerspitzengefühl rangehen. Aber ich verschweige es auch nicht, das traue ich mich schon, zu erwähnen." Wagner schildert, dass manche Kollegen auch keinen Talar anziehen, er selbst aber schon. Für die Angehörigen sei er ja in der Rolle als Pfarrer da.

    Auch Armin Diener vom Dekanat Oettingen sagt, dass es eine Sache der Pfarrerinnen und Pfarrer sei – in Zeiten von größeren Zuständigkeitsbereichen, werde die Zeit der Geistlichen aber auch knapper. Doch unabhängig von der Trauerfeier könnten die Menschen auf kirchlichen Friedhöfen bestattet werden, "ich habe von keinem Fall gehört, wo das abgelehnt wurde". Auch Angehörige anderen Glaubens etwa sollten einen würdigen Ort für Trauer haben.

    Bei Austritt eines Partners muss der Bischof der Trauung zustimmen

    Das sei auch bei der katholischen Kirche so, wie Dekan Jürgen Eichler sagt. Natürlich dürften Menschen, die aus der Kirche austreten, in den Sonntagsgottesdienst gehen, das gebe es etwa in seiner Pfarrei. Es gälten zwei Prinzipien: Da sei natürlich das Kirchenrecht, denn als Gemeinschaft brauche es Regeln, aber darüber hinaus schaue man auf die Einzelfälle.

    Was das Heiraten angeht, ist es bei der katholischen Kirche ein klein wenig schwieriger, wie der Donauwörther Dekan Robert Neuner, schildert. So könne ein ausgetretener Katholik nur heiraten, wenn es eine Genehmigung des Bischofs gibt, das sei in der Regel aber kein Problem. Bei Trauerfeiern "befinden wir uns in einem wahnsinnig schwierigen Konflikt". Neuner sieht hier eine "pastorale Freiheit" und entscheidet das im Einzelfall. Betrogen fühle er sich aber, wenn Menschen für das Patenamt in die Kirche einträten und sie kurz danach wieder verlassen.

    Große Nachfrage nach freien Trauungen

    Neuner meint, wenn die Trostbotschaft "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid" verloren gehe, werde die Welt unmenschlicher. Der Dekan sagt, er sei nicht mit allem in der Kirche einverstanden, genauso wenig wie mit der Bayerischen Staatsregierung. Aber deswegen könne er doch nicht sagen, er sei kein Bayer mehr.

    Viele Menschen suchen sich Alternativen: Bestattungen sind in der Region beispielsweise in Wäldern möglich. So betreibt die Stadt Donauwörth eine letzte Ruhestätte im Wald. Weitere Möglichkeiten dafür bieten die Firmen Friedwald in Duttenstein sowie Ruhebaum der Fürst Wallerstein GmbH an mehreren Standorten in der Region. Reden für verschiedene Anlässe übernehmen bisweilen freie Rednerinnen und Redner. 

    Bei Hochzeiten merkt das auch Katharina Riedel aus Donauwörth. Sie bietet erst seit Ende 2021 freie Trauungen an, daher habe sie keinen Vergleich zu früheren Zeiten. "Aber es boomt auf jeden Fall. Ich sage vielen Brautpaaren ab, weil ich noch einen hauptberuflichen Job habe und die Nachfrage so groß ist." Viele Personen seien nicht mehr in der Kirche Mitglied, andere, die es seien, wünschten sich lieber etwas Moderneres und Persönlicheres für ihre Hochzeit, so Riedel.

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