In jener Nacht wacht Barbara Lechner kurz nach halb vier mit Bauchschmerzen auf. Ob sie sich wohl den Magen verdorben hat? Die junge Frau steht auf, geht ins Bad, legt sich zurück in ihr Bett. Die Bauchschmerzen bleiben. Barbara Lechner steht wieder auf, geht wieder ins Bad – und merkt plötzlich, dass das kein Magen-Darm-Infekt ist. Dass das Wehen sind. Dass da ein Kind auf die Welt kommen will, von dessen Existenz sie die vergangenen Monate nichts gespürt hat. Dass sie seit Monaten unbemerkt schwanger war.
Barbara Lechner wohnt in einem kleinen Ort im Ries. Drei Wochen nach dieser Nacht sitzt sie am Esstisch ihres Hauses, eine Tasse Tee in der Hand. Die Sonne strahlt durch die großen Fenster herein. Die 32-Jährige ist verheiratet. Und wie es sich anfühlt, schwanger zu sein, wusste sie: Das Paar hatte bereits zwei Söhne. Der Jüngere, Noah, hat vor Kurzem seinen ersten Geburtstag gefeiert. Als sie mit ihm schwanger war, hat Barbara Lechner 17 Kilo zugenommen. „Ich hatte einen ganz normalen Bauch“, sagt sie. Und eine vergleichsweise normale Geburt mit kräftigen Wehen.
Schwanger trotz Pille
Einige Wochen danach geht sie zum Frauenarzt und lässt sich die Pille verschreiben: „Die habe ich auch genommen, bis zum Schluss.“ Das einzige, was ihr nach dieser zweiten Schwangerschaft auffällt, ist der kleine Bauch, der bleibt. Die 32-Jährige ist sehr zierlich, dieser Bauch stört sie. Sie geht zur Rückbildungs-Gymnastik. Sie macht Sport, geht joggen – noch im Januar rund sechs Kilometer. Und sagt zu ihrem Mann Christian, dass jetzt Schluss sei mit Süßigkeiten. Am Abend vor jener Nacht stellt sie sich wieder einmal auf die Waage. Endlich hat sie ihr Ausgangsgewicht wieder, das von vor der zweiten Schwangerschaft.
Geburt auf dem Boden des Badezimmers im Landkreis Donau-Ries
Wenige Stunden danach liegt Barbara Lechner mit ihrem dritten Baby auf dem Arm auf dem Boden ihres Badezimmers. Genauer gesagt nur etwa 45 Minuten, nachdem sie mit Bauchschmerzen aufgewacht ist: „Ich habe erst richtig realisiert, was passiert ist, als das Baby da war.“ Barbara Lechner ruft nach ihrem Mann. Der fragt, ob es ihr gut gehe – und muss sich dann erst einmal setzen. Der kleine Jonathan dagegen tut etwas, was er die vergangenen Monate konsequent vermieden hat: Er macht auf sich aufmerksam und schreit. Die Eltern rufen den Rettungsnotdienst. Doch die Sanitäter, die kommen, wollen Mama und Kind erst gar nicht mitnehmen – denen gehe es doch gut. Barbara Lechner besteht darauf, ins Krankenhaus gebracht zu werden. Und kommt mit Baby im Kreißsaal an.
Wer stillt, kann schwanger werden
In jener Nacht hat eine Kollegin von Christina Pflugmacher Dienst. Die sagt Barbara Lechner, dass sie einen Fall wie den ihren schon mehrfach erlebt habe. Auch Christina Pflugmacher kennt Frauen, die ihre Schwangerschaft nicht bemerkten. Rund 4000 Geburten hat die Hebamme in 40 Jahren begleitet. Fünf Frauen fallen ihr spontan ein, die vor der Geburt nicht ahnten, Nachwuchs zu bekommen. Vielleicht, weil sie sich auf der sicheren Seite wiegten. Schließlich heißt es ja, wer stille, werde nicht schwanger. Von wegen, sagt die Hebamme: Eisprünge könnten unregelmäßig stattfinden. Auch leichte Blutungen könne es in der Schwangerschaft durchaus geben, bei manchen Frauen sogar alle vier Wochen. Wenn die Plazenta vorne liege, dann fallen die Bewegungen des Kindes zudem nicht so sehr auf. Und dann gebe es auch noch sehr entspannte Kinder, die grundsätzlich kaum in Mamas Bauch turnten.
Corona positiv in der Schwangerschaft
Genau so ein Baby ist Jonathan auf jeden Fall an diesem sonnigen Tag. Entspannt liegt er in eine warme Decke eingekuschelt auf dem Sofa, den Schnulli im Mund. Der ist noch immer ein bisschen groß für ihn. 44 Zentimeter war Jonathan lang, als er auf die Welt kam, und 2450 Gramm schwer. Mittlerweile hat er schon ein halbes Kilo zugelegt. Das Wichtigste: Er ist gesund. Weder die Diät noch die Corona-Infektion seiner Mama haben ihm glücklicherweise etwas anhaben können. Lächelnd schaut Barbara Lechner auf ihren Sohn, auf dieses Überraschungskind. Ihr Mann habe sich schon immer drei Kinder gewünscht, sagt sie. Jetzt seien es eben drei Buben. Am Anfang habe sie sich noch gedacht, dass es doch peinlich sei, nicht zu merken, dass man schwanger ist. Schließlich habe sie sich zuvor auch immer gefragt: Wie kann so etwas passieren? Doch mittlerweile nehme sie es mit Humor: „Es gibt wirklich Schlimmeres.“
Das mit dem Humor fing übrigens schon am Tag nach Jonathans Geburt an. Da schickten die Eltern ihren Ältesten, Ben, zu Oma und Opa. Die wussten zu diesem Zeitpunkt von nichts. Der Knirps sollte seine Großeltern fragen, wie denn sein Bruder heißen solle. Die konnten das natürlich nicht verstehen und erklärten, der Bruder habe doch schon einen Namen – Noah. Da fragte Ben: „Ja und mein anderer Bruder?“