Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Landkreis Donau-Ries: Hunderte Kinder im Landkreis Donau-Ries sind von Armut betroffen

Landkreis Donau-Ries

Hunderte Kinder im Landkreis Donau-Ries sind von Armut betroffen

    • |
    Damit Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringen Einkommen in der Schule und der Gesellschaft nicht abgehängt werden, schnürte die Bundesregierung ein Bildungspaket mit speziellen Leistungen, die nun anders finanziert werden müssen.
    Damit Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringen Einkommen in der Schule und der Gesellschaft nicht abgehängt werden, schnürte die Bundesregierung ein Bildungspaket mit speziellen Leistungen, die nun anders finanziert werden müssen. Foto: dpa

    Sascha, nennen wir sie so, ist zwölf Jahre alt. Sie freut sich, dass sie nun in der Schule ihre Freundinnen wieder täglich sieht. Sie geht auf eine Realschule im Landkreis. An der Fahrt ins Schullandheim konnte sie zuletzt jedoch nicht teilnehmen, da ihre Eltern es nicht bezahlen konnten. Ihr Vater wurde arbeitslos, die Familie lebt derzeit von Hartz IV.

    Damit Kinder und Jugendliche in ihren Bildungschancen und ihrer sozialen Teilhabe nicht benachteiligt werden, wenn die Eltern in prekären finanziellen Verhältnissen leben, gibt es Leistungen für Bildung und Teilhabe, die von den Kommunen verwaltet werden. Anfang August ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ergangen, wonach die Finanzierung dieser Leistungen neu geregelt werden muss. Der Bund hat den Kommunen seit 2011 Mehrbelastungen auferlegt, zum Beispiel für Lernförderungen oder die Mittagsverpflegung. Das Gericht urteilte, dass dies nicht rechtens war und bezog sich dabei auf das Durchgriffsverbot des Bundes. Danach darf der Bund den Kommunen keine Aufgaben übertragen, abgesehen von Anpassungen an veränderte ökonomische und soziale Umstände. Die Kommunen müssen folglich wieder entlastet und die Finanzierung der Leistungen anders geregelt werden.

    Derzeit beziehen 650 Kinder und Jugendliche im Landkreis Donau- Ries die sogenannten Bildungs- und Teilhabeleistungen, wie das Landratsamt mitteilt. Leistungsberechtigt sind Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen bis zu einem Höchstalter von 25 Jahren, die selbst oder deren Eltern Sozialleistungen erhalten, wie Kinderzuschlag, Hartz IV, Sozialgeld, Sozialhilfe, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen. Der Landkreis übernimmt die Kosten für die einzelnen Leistungen, die 2019 vom Bundestag erhöht worden sind (siehe Infokasten).

    Armut im Landkreis Donau-Ries: Zahl der Leistungsempfänger steigt

    Die Zahl der Leistungsempfänger stieg in den letzten drei Jahren dem Landratsamt zufolge an, wobei zu berücksichtigen sei, dass das Spektrum der Leistungen seit der Einführung auch erweitert worden sei.

    Im Jahr 2019 beliefen sich sich die Kosten des Landkreises für die Bildungs- und Teilhabeleistungen auf rund 212000 Euro. Es ist noch unklar, wie hoch der Betrag ist, um den das Landratsamt nun entlastet werden muss. Für die Neuregelung der Finanzierung hat der Bundestag bis Ende 2021 Zeit. Bis dahin müssen die Kommunen noch selbst für die Leistungen aufkommen. Beschwerdeführerinnen vor dem Bundesverfassungsgericht waren kreisfreie Städte des Landes Nordrhein-Westfalen, die ihr Recht auf Selbstverwaltung verletzt sahen.

    Wie groß das Problem der Kinderarmut im Donau-Ries-Kreis ist, geht auch aus der Armutsanalyse des Landratsamts hervor. 2019 waren demnach 622 Kinder unter 15 Jahren von Armut betroffen, was einer Quote von 3,3 Prozent entsprach. Die Gesamtquote der von Armut Betroffenen im Landkreis liegt bei 2,6 Prozent. Haushalte von Alleinerziehenden (13,5 Prozent) und Ausländern (8,7 Prozent) sind am stärksten von Armut betroffen. Im Vergleich dazu: Bayernweit sind laut Paritätischem Wohlfahrtsverband 16,7 Prozent der Kinder von Armut bedroht, die Gesamtquote liegt im Freistaat bei 11,7 Prozent.

    Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Nettohaushaltseinkommens zur Verfügung hat. Bundesweit lag dieser Wert laut jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2018 bei 22713 Euro, als arm gilt folglich, wer unter 13628 Euro jährlich liegt. Fachleute sprechen dabei von relativer Armut, da das soziokulturelle und damit menschenwürdige Existenzminimum unterschritten wird. Im Unterschied dazu bedroht absolute Armut die physische Existenz.

    Leistungen reichen noch immer nicht, um Kinderarmut zu bekämpfen

    Laut einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands von 2019 profitieren bundesweit weniger als 15 Prozent der Schüler im Alter zwischen sechs und 15 Jahren, die teilhabeberechtigt wären, von den Bildungs- und Teilhabeleistungen. Die Leistungen für benachteiligte Kinder und Jugendliche seien in ihrer Höhe unzureichend und in der bestehenden Form schlicht nicht geeignet, Kinderarmut zu bekämpfen, Teilhabe zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. „Die Chancen für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen sind in Deutschland und Bayern nicht gerecht verteilt“, so eine Verbandssprecherin. Der Paritätische fordert eine Ablösung des „Sammelsuriums familienbezogener Leistungen“ durch eine „bedarfsgerechte, einkommensabhängige Kindergrundsicherung in Höhe von 637 Euro im Monat“.

    Bundesweit werden laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Bildungspaket aus dem „Starke-Familien-Gesetz“ 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche aus Geringverdienerfamilien unterstützt.

    Landkreis Donau-Ries: Folgen von Armut in Familien haben gravierende Auswirkungen

    Sozialwissenschaftler sprechen von „Exklusion“, wenn Menschen von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden aufgrund von Erwerbslosigkeit, Armut oder schlechter Wohnlage. In der Folge, so schreibt der Soziologe Rainer Geißler, könne es bei den Ausgeschlossenen dazu kommen, dass sich ihre sozialen Netzwerke auflösten, dass psychische Probleme aufträten und sich lähmende Gefühle der Missachtung sowie Chancen- und Perspektivlosigkeit einstellten.

    Das Bildungs- und Teilhabepaket war 2011 nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingeführt worden, da kinderspezifischer Bedarf in den Regelsätzen nach dem SGB II nicht genügend berücksichtigt waren. Das Gericht stellte 2010 fest, dass zu einem menschenwürdigen Existenzminimum nicht nur die Sicherstellung der physischen Existenz gehöre, sondern auch die „Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (...), denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen“.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden