Rüdiger Lange sitzt im Wohnzimmertisch und spielt mit einem Meterstab, während er redet. Seine grau-schwarze Arbeitshose ist mit weißen Farbflecken gesprenkelt. Fast könnte man sagen, dass das sein typisches Pfarrersgewand ist. „Bei meiner Verabschiedung wurde behauptet, dass man mich häufiger in der Latzhose als im Talar gesehen hat“, berichtet der Pfarrer der Gemeinden Kleinsorheim und Großsorheim. „Stimmt auch“, schiebt er mit einem Lächeln hinterher.
18 Jahre lang war er Pfarrer dieser Gemeinden, in der vergangenen Woche wurde er verabschiedet, gleich vier Mal: in Alerheim, Heroldingen, Kleinsorheim und Großsorheim. Denn Lange war sehr aktiv, half in anderen Gemeinden aus und kümmerte sich um die Organisation des Religionsunterrichts. Für Rüdiger Lange war das Pfarrersamt nicht einfach nur ein Amt, sondern eine Berufung. Als er in das Pfarrhaus in Kleinsorheim zog, packte er erst mal die beiden Anrufbeantworter auf den Dachboden. Als Pfarrer wollte er immer für die Menschen erreichbar sein.
Als Schüler hielt Rüdiger Lange bereits seinen ersten Gottesdienst
Zur Kirche hatte 65-Jährige bereits als Bub eine enge Beziehung. Lange erzählt, dass er damals schon gerne in den Kindergottesdienst ging. Später arbeitete er dort mit und organisierte die Gottesdienste für die Kleinen. Und das ebnete ihm auch den Weg für seinen ersten Gottesdienst, den er selbst hielt – noch als Schüler mit 18 oder 19 Jahren. „Der Pfarrer war krank und seine Frau kam zu uns und fragte, ob ich den Gottesdienst halten kann“, schildert Lange. Und so hielt er an einem ersten Advent seinen ersten Gottesdienst ab. Groß gepredigt habe er nicht, er sprach vom Einzug von Jesus nach Jerusalem „und sonst habe nur das gemacht, was ich auch im Kindergottesdienst gemacht habe.“
Als er und seine Frau sich vor 18 Jahren nach einer passenden Pfarrstelle umsahen, war eines letztendlich entscheidend: das Pfarrhaus in Kleinsorheim. „Das war groß genug für vier Kinder“, sagt Lange. Dieses Pfarrhaus – es steht nun voll mit Umzugskartons – werde wohl erst einmal nicht so schnell wieder belebt sein, wie Lange vermutet. Bei den Pfarrstellen werde es Kürzungen geben, ob die Stelle nachbesetzt werde, sei unklar.
Rüdiger Lange reißt auch schon mal Wände ein
Im Hof, gegenüber des Pfarrhauses, befindet sich die Werkstatt. Kisten mit Äpfeln stehen dort herum, Holzspäne liegen neben dem Sägeblatt der Kreissäge. Es ist der Ort, an dem Pfarrer Lange viele gute Ideen kamen, wie Ehefrau Erika Lange sagt: „Die besten Predigten sind in der Werkstatt entstanden.“
Zum Abschied hat Rüdiger Lange einige Fotoalben bekommen. Und darin ist er wohl wirklich so häufig in Arbeitskleidung wie im Talar zu sehen. Kein Wunder, es wurden in seiner Amtszeit die beiden Kirchen in Klein- und Großsorheim renoviert. Da steht der Pfarrer eben schon mal mit Hammer und Meißel und reißt eine Wand ein. Und auch oder vielleicht sogar gerade da könne man mit den Menschen einfacher über Gott, Glaube oder andere Themen reden als in anderen Situationen, sagt Lange.
Ein Pfarrer bezeichnete ihn einst als Pragmatiker
In einer Botschaft, die der damals erkrankte Pfarrer dem damaligen Schüler Rüdiger Lange vor seinem ersten Gottesdienst schrieb, beschrieb er diesen als Pragmatiker, eine Bezeichnung, die zutreffend scheint. Lange erzählt von einer Tagung, bei der zwischenzeitlich der Altar aufgeräumt wurde und plötzlich ein Kreuz fehlte. Lange bastelte kurzerhand eines aus ein paar Holzlatten zusammen – das Kreuz nahm er seitdem immer für Freiluftgottesdienste mit. Im Abspann des Films „Die letzte Sau“ von Regisseur Aaron Lehmann stehe er im Abspann als theologischer Berater. Bei den Dreharbeiten fiel ihm auf, dass der Filmpfarrer nicht passend gekleidet war: „Der Schauspieler mit hannoverschem Talar auf einer Beerdigung in Bayern, das geht gar nicht“, sagte Lange und besorgte die passende Kleidung.
Der Abschied vom Pfarramt sei nicht wirklich schwer, wie er sagt. Zu viel Bürokratie habe er in den vergangenen Jahren abarbeiten müssen. Von den Menschen falle ihm der Abschied schon schwer. Vor allem, dass er sich gerade in dieser Zeit habe verabschieden müssen, sei nicht schön. Abstand statt Umarmungen. Es sei traurig, dass „Corona die Menschen zur Vereinzelung zwinge.“ Die Begegnung mache das Christentum aus.
Das Telefon klingelt, Rüdiger Langes Frau geht an den Apparat und spricht mit dem Anrufer. Doch jetzt ist er nicht mehr zuständig, Erika Lange sagt ins Telefon: „Mein Mann ist im Ruhestand.“
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