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Jahresrückblick 2021: Archäologie-Epizentrum Deiningen: Viele sensationelle Ausgrabungsfunde

Jahresrückblick 2021

Archäologie-Epizentrum Deiningen: Viele sensationelle Ausgrabungsfunde

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    Ein Kamm aus Elfenbein ist in einem spätmittelalterlichen Grab in Deiningen gefunden worden.
    Ein Kamm aus Elfenbein ist in einem spätmittelalterlichen Grab in Deiningen gefunden worden. Foto: Bayerisches Landesamt Für Denkmalpflege

    Das Baugebiet Nord in Deiningen hat sich im Laufe der letzten Jahre immer mehr zum archäologischen Epizentrum im Ries entwickelt. Vor allem, weil die dort gehobenen archäologischen Schätze überaus spannende Rückschlüsse ermöglichen, wenn sie mit Funden aus den anderen, kleineren Grabungsgebieten verglichen werden.

    So konnte bei Grabungen in Großsorheim – das eigentlich erst im 11. Jahrhundert nach Christus erstmals urkundlich erwähnt wurde – die durchgehende Besiedlung bis zurück ins 3. Jahrhundert nachgewiesen werden. Nicht minder ergiebig waren die Grabungsfelder in Mönchsdeggingen, Harburg, an der Varta-Baustelle oder im Industriegebiet Steinerner Mann in Nördlingen, auch wenn dort auf den ersten Blick nichts so spektakulär Auffallendes wie die "Dicke" oder der "gepflegte Reiter" in Deiningen freigelegt wurde.

    Damals hatten die RN berichtet, dass das Deininger Archäologen-Paradies noch reichlich an Puzzleteilchen, viel Raum für Vermutungen und Arbeit für das Landesamt für Denkmalpflege bereithält. Schon früh stand fest, dass die Gemeinde mindestens 200 Jahre älter war als bis dato angenommen. Und dass ihre Bedeutung im Frühmittelalter höchstwahrscheinlich unterschätzt wurde.

    Die Gemeinde Deiningen ist viel älter als vermutet

    Laut Dr. Manfred Woidich, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des gleichnamigen Harburger Archäologiebüros, ist das inzwischen zweifelsfrei bewiesen. Denn die damals zu Tage geförderten Funde geben bei intensiver wissenschaftlicher Untersuchung nach und nach immer mehr Geheimnisse preis. So ist jetzt klar, dass Deiningen schon zur Hallstattzeit ein keltisches Mittelzentrum war, also schon 800 bis 400 Jahre vor Christus als große befestigte Siedlung existierte. "Man kann sich das ungefähr wie das gallische Dorf von Asterix und Obelix vorstellen", sagt Dr. Woidich schmunzelnd, "nur eben nicht irgendwo am Rand, sondern mitten im Ries, und beherrscht vom fürstlichen Machtzentrum auf dem Ipf."

    Dr. Manfred Woidich (oben) und Dr. Zoltán Havas, das Wissenschaflter-Team im Harburger Archäologiebüro Woidich.
    Dr. Manfred Woidich (oben) und Dr. Zoltán Havas, das Wissenschaflter-Team im Harburger Archäologiebüro Woidich. Foto: Peter Urban

    Eine ländliche Siedlung mit mehr als sechs Brunnen, mit Palisaden befestigt, die sich mit allem, was man brauchte, selbst versorgen konnte. Es lebten Handwerker dort, sogar Metall wurde selbst geschmolzen und produziert. Und es ist auch bewiesen, dass schon damals das gesamte Ries, ähnlich wie heute, weitgehend besiedelt war.

    Warum die Kelten verschwanden, kann auch Dr. Zoltán Havas, der engste wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Woidichs, nicht erklären, die letzten keltischen Spuren von exakt 133 vor Christus fanden sich in einem Brunnen auf dem Varta-Gelände. Den frei gewordenen Raum nahmen dann die Römer ein, allerdings erst kurz vor unserer Zeitrechnung, die dann irgendwann von den Alemannen abgelöst wurden, diese dann wiederum im sechsten Jahrhundert von den Franken.

    Deiningen wurde in der gesamten Archäologie-Welt bekannt

    Das alles ist mit den Funden aus dem Ries belegbar, unzählige Details, teils kleinste Scherben, Fibelfragmente, Körbchenanhänger etc. geben, wenn man sie „lesen“, deuten und einordnen kann, darüber Auskunft. Doch solche Sensationsfunde wie die „Dicke von Deiningen“ sind natürlich überaus selten. Nicht umsonst haben diese Funde Deiningen über Nacht in der ganzen Archäologie-Welt bekannt gemacht.

    Und sogar die Boulevard-Medien haben sich darauf gestürzt. Doch die eigentliche Arbeit beginnt für die Forscher erst danach: Noch lange sind die Geheimnisse, die allein dieses Grab beinhaltet, nicht im Ansatz ausgewertet. Die Frau muss sehr wohlhabend gewesen sind, hatte wohl einen Webstuhl (das zeigen ein Webschwert und ein Kamm zur Wollbereitung) im Haus, den sie aber als (heute würde man sagen) Hobby betrieb. Sie musste nicht davon leben. Ihre Schmuckstücke waren zum Teil indischen Ursprungs, es gab zahlreiche verschiedenfarbige Glasperlen, Artefakte aus aller Welt, Spangen, Fibeln, Haarnadeln. Alles Dinge, die jetzt nach und nach sorgfältigst gereinigt, erforscht und wohl in den nächsten Jahren noch sehr viel mehr interessante Details preisgeben werden. Inzwischen werden die Rieser Archäologen-Teams, wo immer es geht, weiter graben und auch in den nächsten Jahren reichlich Stoff für weitere spannende Erkenntnisse aus der Vergangenheit liefern.

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