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Interview: Dekan Wolfermann rät: "Raus gehen und am Geschenk Leben erfreuen"

Interview

Dekan Wolfermann rät: "Raus gehen und am Geschenk Leben erfreuen"

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    Dekan Gerhard Wolfermann macht Mut und sagt: "Das Leben ist ein Geschenk und man sollte sich daran erfreuen."
    Dekan Gerhard Wolfermann macht Mut und sagt: "Das Leben ist ein Geschenk und man sollte sich daran erfreuen." Foto: Cara-Irina Wagner

    Erst Corona, jetzt der Ukraine-Krieg: Viele Menschen spüren auch im Ries in diesen Wochen und Monaten große Angst.Ängste vor Krieg und
    DEKAN GERHARD WOLFERMANN: Ja. Corona hat uns unsere eigene Verletzlichkeit deutlich gemacht. Unsere alten Gewissheiten, dass wir Seuchen im Griff haben und es in Europa keine Kriege mehr gibt, haben sich aufgelöst. Dazu kommt auch noch der Klimawandel, der vielen Menschen sehr bewusst ist. Die Verunsicherung ist sehr groß.

    Sind es eher die Jüngeren, die Ängste plagen, oder eher die Älteren?
    WOLFERMANN: Ich denke, die Jüngeren sind mehr verunsichert.Neue Studie: Jugendliche haben große KriegsangstJugendforschung Die Älteren denken sich, irgendwie wird es mich schon noch tragen. Mir geht es auch so, ich werde jetzt 64 Jahre alt. Man denkt sich, den größten Teil seines Lebens hat man schon hinter sich. Zudem ist meine Generation noch mit Vätern aufgewachsen, die den Krieg tatsächlich erlebt haben. Wir wussten, dass Frieden nicht selbstverständlich ist.

    Zumal dieser Krieg irgendwie unmittelbarer zu uns kommt, über soziale Medien in Bildern und Videos. Man sieht dort grauenhafte Szenen, die wir in unserer Zeitung beispielsweise nicht zeigen.Bilder des Ukraine-Kriegs: Wieso wir keine Toten zeigenIn eigener Sache
    WOLFERMANN: Man bekommt direkte Eindrücke ganz ungefiltert. Es herrscht bei vielen Menschen eine Verunsicherung. Aber eigentlich war diese Sicherheit ja immer nur ein Trugschluss. Das Leben ist nun einmal nicht vorhersehbar. Viele Menschen haben das zuvor nur durch Katastrophen im privaten Bereich erfahren, etwa, wenn ein geliebter Angehöriger gestorben ist.

    Es gibt Bilder, die lassen einen zweifeln - auch an Gott.
    WOLFERMANN: Gott gibt uns die Freiheit, uns selbst für das Richtige und Gute zu entscheiden. Er stellt sich auf die Seite der Notleidenden. Das Böse bringen wir schon selbst in die Welt. Es ist erschreckend, wozu Menschen fähig sind und was sie sich antun können. Dieser absolute Ich-Bezug, für meine Ziele gehe ich über Leichen.

    Ist das der Ursprung des Übels, die Konzentration nur auf sich selbst?
    WOLFERMANN: Luther hat es einmal so gesagt: Der in sich selbst verkrümmte Mensch, der nur um sich selbst und seinen eigenen Vorteil kreist. Diese Ich-Bezogenheit wird zur mangelnden Empathie.

    Ist die Lösung dann im Umkehrschluss auch, sich um andere zu kümmern?
    WOLFERMANN: Es ist die Bereitschaft, den anderen zu sehen, Barmherzigkeit und Empathie zu zeigen und sich einfühlen zu können.

    Menschen, die auf Gott vertrauen können, reagieren aktuell etwas gelassener.
    WOLFERMANN: Ja, das stimmt. Sie wissen, dass ihr Leben in Gottes Hand liegt, dass nicht alles ihre Entscheidung ist. Wir können auf Gott vertrauen, weil er uns liebt. Weil wir - daran erinnern wir uns besonders in dieser Karwoche - glauben, dass dieses Leben nicht das Letzte ist. Es kommt nicht auf die Dauer eines Menschenlebens an, sondern auf die Menschlichkeit, die in diesen Jahren gelebt wurde. Und es gibt eine evangelische Tradition, die besagt: Sündige tapfer. Wenn etwas für dich richtig ist und du dich dabei in die Gefahr begibst, dir die Hände schmutzig zu machen, dann kann es in zwei von 30 Fällen auch falsch sein, aber lieber etwas mit guter Absicht tun als die Hände in den Schoß legen.

    Was raten Sie Menschen, die Angst haben, in der derzeitigen Situation?
    WOLFERMANN: Man sollte das Leben mit den Menschen teilen. Die Gemeinschaft ist ein starkes Element für uns. Man sollte miteinander reden und versuchen, den anderen ernst zu nehmen. Und man sollte akzeptieren, dass man auch einmal nicht recht hat.

    Also raus aus unseren Höhlen?Regeln fallen weg: Sollten wir jetzt aus der Corona-Höhle herauskommen?Nördlingen
    WOLFERMANN: Ja. Corona hat da wirklich viel kaputt gemacht und viele Menschen in die Isolation und die Vereinsamung getrieben. Es hat die Leute auch ein bisschen ängstlich gemacht. Die jetzige Omikron-Variante ist doch für die meisten von uns (vor allem die Geimpften) eine bessere Grippe - sicher gilt das aber nicht für Menschen mit Vorerkrankungen. Man muss wieder raus gehen und seine Kontakte pflegen. Das fällt manchen Menschen nicht so leicht. Das Leben ist aber ein Geschenk und man sollte sich daran erfreuen.

    Zur Person

    Gerhard Wolfermann ist bereits seit 2004 evangelischer Dekan in Nördlingen. Geboren wurde er in Gunzenhausen. In Schwabach machte er 1977 sein Abitur und studierte anschließend evangelische Theologie in Erlangen.

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