Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Die verborgenen Frauen im Bauernkrieg: Die Geschichte der Klosterfrauen von Maihingen

Maihingen

„Mit Spießen und Hellebarden“: Als die Maihinger Nonnen fliehen mussten

    • |
    • |
    • |
    Übergabe der Ordensregel durch die Heilige Birgitta von Schweden an Kloster Maria Mai. Da der Holzschnitt das Oettinger Wappen zeigt, dürfte er anlässlich der Gründung in Maihingen 1481 ausgegeben worden sein.
    Übergabe der Ordensregel durch die Heilige Birgitta von Schweden an Kloster Maria Mai. Da der Holzschnitt das Oettinger Wappen zeigt, dürfte er anlässlich der Gründung in Maihingen 1481 ausgegeben worden sein. Foto: Staatliche Museen zu Berlin

    Auch wenn es gegenläufige Tendenzen gibt, wird der Bauernkrieg bis heute vorrangig als männliches Ereignis wahrgenommen, an dem Frauen allenfalls als Opfer beteiligt waren. Diese Sicht ist nicht zuletzt durch die Quellenlage bedingt: Obrigkeitliche Dokumente beließen Frauen – aber auch große Gruppen von Männern – häufig namenlos. Angesichts dieser Problematik ist eine Chronik aus dem Kloster Maihingen von enormer Bedeutung. Enthält sie doch einen Bericht, in dem die Priorin Walburga Scheffler und andere die Ereignisse 1525 plastisch offenlegen. Die Autorinnen erlebten Gewalt, Plünderungen sowie Flucht.

    Eigene Erfahrungen verwoben sie mit Auskünften Dritter zu einem fesselnden Narrativ. Der aus moderner Warte an eine Kriegsreportage erinnernde Text eignet sich nicht für das Stricken einer Heldinnenerzählung. Als seltenes Zeugnis weiblicher Chronistik eröffnet er indes ganz neue Perspektiven.

    Bauernkrieg: Dorfbevölkerung rückt mit „Spießen und Hellebarden“ vor

    Nachdem es schon 1510 zu Konflikten der Nonnen des Birgittenordens mit Bauern in der Umgebung gekommen war, eskalierte die Lage in der Ägide der Langzeit-Äbtissin Anna Haselbeck. Anfang 1525 warfen Kinder Steine über die Klostereinfriedung und verängstigten Nonnen mit Gesängen über ihre Vertreibung. Am 1. März rückte die Dorfbevölkerung mit „Spießen und Hellebarden“ vor, doch noch genügte das Androhen von Sanktionen: Die Aufrührer gaben sich mit zwei Eimern Wein zufrieden.

    Werden geläufige Lagerbildungen bis dahin bestätigt, löste sich Eindeutigkeit in der Ambivalenz des Krieges auf. So kooperierte die Äbtissin zunächst mit dem Deininger Haufen. Erst als Karren für eine Wagenburg verlangt wurden, verweigerte sie Unterstützung. Die Oettinger Grafen wiederum wiegelten Hilfegesuche lapidar ab, sodass die tradierte Ordnung für die Nonnen zerfiel. Nachts vergruben sie „Zinn, Messing, Kupfer und mit Stoffen gefüllte Truhen“. Eine Schwester aus der Küche verriet jedoch die Standorte: Es kam zu Diebstahl. Dass es dennoch gelang, in Silber gefasste Reliquien sowie Zins- und Schuldbriefe beim Augsburger Bischof in Sicherheit zu bringen, war einer externen Helferin zu verdanken, die ihren Karren für eine Schmuggeltour zur Verfügung stellte.

    Äbtissin ordnet Flucht nach Oettingen an

    Auch wenn der Text die Bauern als Aggressoren markiert, erscheint in seinem wendungsreichen Verlauf das Handeln von Individuen wichtiger als Generalisierungen. Verrat aber auch unerwartete Hilfe sind Zentralmotive der Autorinnen, die Konflikte der Gemeinschaft thematisieren. In ihrer apokalyptischen Welt war – von Gott abgesehen – alle Sicherheit verloren.

    Gerüchte über Grausamkeiten der Aufrührer und nächtliche Strohfeuer auf den Feldern führten zum Zerfall des Konvents – Nonnen setzten sich heimlich ab. Im April ordnete die Äbtissin die Flucht nach Oettingen an, doch neue Querfronten taten sich auf: Während 30 Nonnen sie begleiteten, überzeugte eine „kecke Schwester“ 20 Frauen dazu, zu bleiben und warf die Pforte hinter den „Furchtsamen“ zu.

    Kloster Maihingen besetzt und geplündert

    Nach einer gescheiterten Hilfsaktion Graf Ludwigs XIV. von Oettingen am 1. Mai wurde das Kloster besetzt und geplündert. In einer Verlustrechnung wird die Zerstörung von Lebensmitteln, Inventar, der großen Bibliothek, der Mühle und des Hofes bei Uttenstetten festgehalten. Das zeigt, dass für die Birgittinnen der Verlust des von ihnen verwalteten Wirtschaftsraumes der zentrale Aspekt des Krieges war. Der Verlust ihrer Autonomie musste für sie der Maßstab sein, um die Erhebung zu bewerten.

    Zeitweise flüchteten alle Maihinger Nonnen nach Oettingen. Hier kamen sie auf dem Tiefpunkt an und wurden sowohl von Stadtbewohnern gemieden als auch den Bauern gedemütigt. Doch auch im Schlussakt verweigert sich die Chronik Stereotypen. So wird es einem Bauern angerechnet, die Brandstiftung des Klosters verhindert zu haben: Er löschte das entstehende Feuer – wohl zum Entsetzen vieler Leser – mit Bier.

    Katerina Lemmel, Detail des Epitaphs in St. Sebald (Nürnberg). Die verwitwete Geschäftsfrau war 1516 in den Maihinger Konvent eingetreten. Sie wurde Zeugin der Zerstörung des von ihr gestifteten Wohlstands und starb 1533 im Kloster.
    Katerina Lemmel, Detail des Epitaphs in St. Sebald (Nürnberg). Die verwitwete Geschäftsfrau war 1516 in den Maihinger Konvent eingetreten. Sie wurde Zeugin der Zerstörung des von ihr gestifteten Wohlstands und starb 1533 im Kloster. Foto: Georg Kaulfersch

    Nachdem der Rieshaufen durch Truppen Markgraf Casimirs am 8. Mai bei Ostheim zerstreut worden war, kehrten die Frauen für den Wiederaufbau zurück. Armut und harte Arbeit beschließen die Chronik, die freilich vorgibt, nie am Beistand Gottes zu zweifeln. Für 1525 werden vier Todesfälle aufgrund der Strapazen des Jahres verzeichnet – unter ihnen Scheffler, die mit 60 Jahren starb.

    Für die Birgittinnen war der Aufstand der Bauern eine Katastrophe, von der sie sich bis zur Auflösung um 1580 nicht erholen sollten. Zudem entzog die Reformation dem Konvent Rekrutinnen. Im Krieg hatten sich die Nonnen allerdings als Gestalterinnen ihrer eigenen Zukunft erwiesen und den teilautonomen klösterlichen Raum zu erhalten versucht. Fragen nach der Gesellschaftsordnung oder dem Schutz von Kultgegenständen waren relevant, im Kern stand aber der Kampf um ihre ökonomische Prosperität.

    Zum „Bauernkrieg 1525“ findet am Montag, 14. April 2025, im Museum KulturLand Ries Maihingen um 19.00 Uhr ein Vortrag von Dr. Georg Kaulfersch statt zur Thematik „Weibliche Perspektiven auf den Bauernkrieg“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden