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Corona-Maßnahmen: Kultur im Ries: Vom Lockdown zum Knockout

Corona-Maßnahmen

Kultur im Ries: Vom Lockdown zum Knockout

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    Vielleicht hilft ja beten, dass die Rieser Kulturszene so bunt und lebendig bleibt wie bei dieser Veranstaltung in der Nördlinger St. Georgskirche.  	Clarissa Hopfensitz in ihrem selbst geschriebenen Solostück „Engel auf Erden“ als Marlene Diet-rich. 	Foto: Uli Bühler
    Vielleicht hilft ja beten, dass die Rieser Kulturszene so bunt und lebendig bleibt wie bei dieser Veranstaltung in der Nördlinger St. Georgskirche. Clarissa Hopfensitz in ihrem selbst geschriebenen Solostück „Engel auf Erden“ als Marlene Diet-rich. Foto: Uli Bühler Foto: Peter Urban

    Herbert Grönemeyer hat eine drastische Maßnahme für die Unterstützung der Kultur gefordert. In einem Gastbeitrag in der Wochenzeitung Die Zeit machte er folgenden Vorschlag: „Den Künstlern, die durch die Pandemie und den neuerlichen Lockdown in Not geraten sind, muss endlich geholfen werden. Wie wäre es, wenn die vermögendsten Menschen dieses Landes ihnen zur Seite sprängen?“ Eine abwegige Idee? Humbug? Was meint er damit?

    Deutschland hat circa 1,2 Millionen Millionäre: wenn sich diese zu einer zweimaligen Sonderzahlung von zum Beispiel 50 000 bis 150 000 Euro bereit erklären würden, jeweils in diesem wie auch im nächsten Jahr, stünden ad hoc circa 200 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, um Existenzen in der Kultur zu sichern, Pleiten aufzufangen und Ängste zu mildern. Den Wohlhabenden täte es nicht weh und den zahllosen Kulturschaffenden überall in unserem Land wäre geholfen. Denen, die – wie Grönemeyer in seiner poetischen Art sagt – uns Menschen unterhalten, buchstäblich gesagt stützen in unserer Verzweiflung und/oder Trauer mit ihrer Lust, Freude, mit ihrem Lachen, ihrem Mut und ihrer Zuversicht.

    Diese Idee wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein Traum bleiben. Das Virus reißt gerade die mit sich, die in anderen Zeiten zu Abertausenden die Bühnen jeden Tag zum Strahlen bringen. Entweder mit ihrer Kunst oder mit dem, was drumherum nötig ist. Grönemeyer weiter: „Vielen dieser Solo-Selbstständigen drohen direkte Insolvenzen, sie greifen bereits ihre Altersversorgung an, da sie keine Arbeitslosenversicherung haben. Sie waren und sind es über Jahrzehnte gewohnt, als solvente Steuerzahler von der Hand in den Mund zu leben und waren stolz darauf. Der Veranstaltungsbereich ist der sechstgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands mit 130 Milliarden Euro Umsatz. Insgesamt sind wir ungefähr eine Million Beschäftigte und 10 000 Acts, Künstler und Künstlerinnen. Unser Unternehmenswert ist größer als der der gesamten ersten deutschen Fußball-Bundesliga.“

    Vielfältige und lebendige Kulturszene

    Auch der Landkreis Donau-Ries kann stolz auf seine Künstler, auf seine Kulturszene sein, die unglaublich vielfältig und lebendig daherkommt. Doch der zweite Lockdown innerhalb eines Jahres droht vielen dieser Menschen den finanziellen Boden unter den Füßen wegzuziehen. Erst vergangenen Freitag berichtete die RN, dass von den versprochenen zehn Milliarden Euro, die an die besonders betroffenen Branchen wie Gastronomie und Kultur noch im November fließen sollten, bislang noch kein Cent geflossen ist. Wir haben, stellvertretend für alle, bei vier Kulturschaffenden im Ries nachgefragt, wie es ihnen ganz persönlich mit diesem Lockdown geht.

    Moritz Gruber aus Oettingen hat Musik und Veranstaltungsmanagement studiert und ist gleich doppelt betroffen. Erstens hat er nach eigener Aussage im Jahr 2020 erst fünf Konzerte als Gitarrist spielen können und muss sich im Moment mit dem begnügen, was er mit Gitarrenunterricht verdienen kann. Sein Kinokabarett, das er als Veranstalter zusammen mit Silvan Hertle initiiert hat, steckt noch in den Kinderschuhen und ist durch den zweiten Lockdown extrem getroffen. Er sagt: „Das Publikum ist, selbst wenn es kommen dürfte, durch die dauernd wechselnden Maßnahmen so verunsichert, dass es doch lieber wegbleibt, als sich diesen Unwägbarkeiten auszusetzen.“ Entschädigung hat er bisher keine bekommen. Sein Bruder Wolf J. Gruber, ebenfalls Künstler, Illustrator und Maler, Mitbegründer des Ateliers „Markise“ in

    Corona-Soforthilfe zunächst abgelehnt

    Ähnliche Erfahrungen mit den Behörden hat die Schauspielerin, Sängerin, Autorin und Regisseurin Clarissa Hopfensitz gemacht. Ihre Corona-Soforthilfe wurde im April abgelehnt, sie hat dann zwar eine Drei-Monats-Hilfe bekommen, aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie lebt von ihren Ersparnissen, die sie sich in 15 Bühnenjahren erarbeitet hat und die eigentlich für ihre Altersversorgung gedacht waren. Momentan wäre sie in den Endproben für ein Musical in Nürnberg, doch die gesamte Winterproduktion ist weggebrochen, wie sie sagt. Und auch ihr persönlicher Traum, ihr Solostück über Marlene Dietrich, „Engel auf Erden“, das sie selbst geschrieben und inszeniert hat, konnte bisher nur uraufgeführt werden. Ihr geplanter Auftritt in der Heimat beim DE im Nördlinger Klösterle fiel ebenfalls in den November und somit aus.

    Ebenfalls keine wirklich positive Antwort kann Monia Aichinger geben, eine der Protagonistinnen von „Shakers to Rent“, einer Wallersteiner Event- und Veranstaltungsagentur, die von der Planung über Catering bis zu Eventequipment alles Technische für Kulturveranstaltungen zur Verfügung stellt. Die Stimmung bei den „Shakers“ schwankt zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit: Seit März arbeiten sie nur sporadisch und werden auch nur sporadisch vom Staat unterstützt. Zwar haben sie Erstförderzuschüsse bekommen und irgendwelche Fixkostenzuschüsse, aber das alles reicht bei weitem nicht, um die – zum Teil natürlich freien – Mitarbeiter bei der Stange halten zu können: „Viele unserer besten Mitarbeiter haben Familie und Häuser gebaut. Die müssen sich andere Jobs suchen, um finanziell überleben zu können.“ Das verstehe sie zwar, aber

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