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Archäologie: Sensationsfund unter Varta-Fabrik: Warum verließen die Kelten das Ries?

Archäologie

Sensationsfund unter Varta-Fabrik: Warum verließen die Kelten das Ries?

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    Auf dem Gelände der Varta AG ist bei Ausgrabungen ein vorgeschichtlicher Brunnen gefunden worden. Er stammt aus der Zeit, bevor die Kelten das Ries verließen. Wieso sie das taten, das fragen sich Wissenschaftler nach wie vor.
    Auf dem Gelände der Varta AG ist bei Ausgrabungen ein vorgeschichtlicher Brunnen gefunden worden. Er stammt aus der Zeit, bevor die Kelten das Ries verließen. Wieso sie das taten, das fragen sich Wissenschaftler nach wie vor. Foto: ABDW Archäologiebüro Dr. Woidich GmbH

    Archäologen und Denkmalpfleger haben in Nördlingen einen Brunnen aus der Zeit um 130 vor Christus gefunden. Sie stießen bei Ausgrabungen auf dem Varta-Gelände auf das Bauwerk. Eine wissenschaftliche Sensation ist er aber nicht in erster Linie wegen seines Alters.

    Während der Ausgrabungen befand sich der Batteriehersteller Varta gerade im Bau einer Erweiterung der bestehenden Fabrik. Erst sahen die Mitarbeiter des Harburger Archäologiebüros Dr. Woidich nur eine dunkle Färbung des Bodens, im Erdreich fanden sie dann den Brunnen. Vor Ort wurde er zunächst untersucht, dann Stück für Stück herausgeholt, ins Landesdenkmalamt gebracht und später mit einem Kunstharz konserviert.

    Das Verschwinden der Kelten aus der Region ist ein Rätsel

    Er liefert wichtige Erkenntnisse über die keltische Siedlungsgeschichte – wie bisherige Funde deutet der Brunnen darauf hin, dass das Volk die Region langsam verlassen hat. Wieso, das ist ist bis heute unklar. Dr. Johann Friedrich Tolksdorf vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sagt, das Ries insgesamt, besonders aber die Gegend um Nördlingen sei seit sechs Jahrtausenden von Menschen besiedelt worden – das sei gut dokumentiert. Doch eine Frage konnte man in ganz Süddeutschland nicht beantworten: Was geschah in den bis zu zwei Jahrhunderten, nachdem die Kelten verschwunden und die Römer noch nicht gekommen waren?

    Tolksdorf nennt drei Hypothesen, die das Verschwinden der Kelten erklären könnten. Der erste Erklärungsversuch: eine Art Wirtschaftskrise. Abgeschnittene Handelsströme hätten die Kelten zur Abwanderung zwingen können. Zweitens: militärischer Druck von den Römern. Dagegen spreche, dass bisher keine Spuren wie Massengräber gefunden worden seien. Drittens: eine Seuche oder Dürre. Auch hierfür habe man keine Hinweise. Im Gegenteil, die Jahresringe der bisherigen Holzfunde sprächen gegen eine Dürre. Eines aber zeige der Brunnen sehr klar: Bevor er verschüttet wurde, war er offenbar umgeben von Getreidefeldern, einer von Menschen bestellten Kulturlandschaft. Dann breiteten sich wieder wilde Holunderbüsche aus – das geht aus Pollen hervor, die die Wissenschaftler im Brunnen fanden.

    Der Brunnen enthält Informationen über die keltische Küche

    Ein weiterer Inhalt gibt Aufschluss über die keltische Küche: fast 2000 Pflanzenreste von mehr als 60 Arten. Man fand Gerste und Dinkel, außerdem Dill, mit dem die Kelten offenbar ihre Speisen würzten. Physalis, das heute als sogenanntes Superfood bezeichnet wird, schätzten anscheinend auch die Kelten. Echtes Johanniskraut und das berauschende Schwarze Bilsenkraut nutzten sie möglicherweise als Heilpflanzen. Besonders überrascht waren die Wissenschaftler von dem Rest einer Birne: Laut dem Landesamt war die Frucht zu dieser Zeit zwar südlich der Alpen in Mode, im Ries aber dürfte es sich um eine wilde Form gehandelt haben. Dass die Kelten sie nutzten, konnte bislang kaum nachgewiesen werden, weil die Funde schlecht erhalten waren – bis zu dieser Ausgrabung.

    Mittlerweile steht der Varta-Anbau, unter dem der Brunnen gefunden wurde. Im Obergeschoss befindet sich ein Casino für die Mitarbeiter, im Erdgeschoss die sogenannte Formation, erklärt Varta-Chef Herbert Schein, während er an genau der Stelle steht, wo Forscher auf das Bauwerk stießen.

    Varta-Chef Herbert Schein war erleichtert

    Varta baut derzeit mit Hochdruck seine Produktion aus. Aktuell werden Bohrpfähle für eine weitere Fabrik auf dem Nachbargelände versenkt. Der Fund alarmierte den Varta-CEO deshalb zunächst: „Glauben Sie mir bitte, in einem solchen Moment hat man als Verantwortlicher die Befürchtung, dass jetzt die Ampel auf Rot springt.“ Man sei der Stadt Nördlingen und dem Landesamt für Denkmalpflege deshalb dankbar, dass die Untersuchung vor Ort und schnell abgeschlossen wurde. „Damit bleiben wir sozusagen im Plan und können unsere hochgesteckten Ziele erreichen“, sagte er. Dort, wo früher Kelten lebten, gehen also zukünftig noch mehr Hightech-Akkus vom Band.

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