Es war gegen 6 Uhr am Donnerstagmorgen, als vor Gut Klosterzimmern bei Deiningen im Donau-Ries Streifenwagen und Busse der Bereitschaftspolizei vorfuhren. Beamte riegelten die Zufahrtsstraßen ab, zeitgleich rückten Ermittler der Kripo und Mitarbeiter des Jugendamtes an.
Die Mitglieder der "Zwölf Stämme" in ihren Häusern waren völlig überrascht, als die Beamten ausschwärmten, von Tür zu Tür gingen - und die Mütter und Väter aufforderten, ihre Kinder anzuziehen und herauszugeben. Busse für den Transport stünden schon bereit.
Die Eltern leisteten keinen Widerstand: Insgesamt 28 Buben und Mädchen, das Jüngste gerade einmal sieben Monate alt, wurden von den Beamten zu den Fahrzeugen gebracht und weggefahren. Vier Säuglinge wurden von ihren Müttern begleitet.
Zwölf Stämme: Weiterer Großeinsatz in Wörnitz
Zeitgleich fand ein zweiter Großeinsatz in Wörnitz (Mittelfranken) statt. Auch dort war das Ziel der Ermittler und Jugendschützer eine Kommune der "Zwölf Stämme", auch dort wurden insgesamt zwölf Kinder bei ihren Eltern abgeholt.
Die Glaubensgemeinschaft der "Zwölf Stämme", die weltweit rund 2000 Angehörige hat und streng nach den Regeln der Bibel lebt, gerät seit Jahren immer wieder in Konflikt mit dem deutschen Staat. Die Mitglieder weigern sich, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Die Gemeinschaft begründet dies mit ihrer Religion, macht „Gewissensgründe“ geltend. Ein Grund ist der Sexualkundeunterricht, mit dem die Gläubigen nicht einverstanden sind.
Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme"
Die "Zwölf Stämme" (The Twelve Tribes) sind eine urchristliche Glaubensgemeinschaft, die in den 70er Jahren in den USA gegründet wurde.
Die Anhänger der "Zwölf Stämme" leben streng nach der Bibel, die sie wortwörtlich auslegen. Sie sind fest davon überzeugt, dass ihr Glaube der einzig Richtige ist.
"Grundlage unseres Lebens ist der Gehorsam zu den Worten Jahschuas , des Messias, so wie sie in der Bibel, dem Wort Gottes, niedergeschrieben sind", schreiben die "Zwölf Stämme" über sich selbst.
Die Zwölf Stämme haben weltweit etwa 2000 Mitglieder, davon etwa 100 in Deutschland.
Mitglieder der Zwölf Stämme leben und arbeiten in streng hierarchisch aufgebauten Kommunen zusammen.
Eine dieser Kommunen wohnt seit 2000 im Gut Klosterzimmern im Kreis Donau-Ries.
Die Mitglieder der „Zwölf Stämme“ weigern sich, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Die Gemeinschaft begründet dies mit ihrer Religion, macht „Gewissensgründe“ geltend. Ein Grund ist der Sexualkundeunterricht.
"Unsere Religion hat sich nicht in den Staat einzumischen und umgekehrt sollte sich der Staat nicht in unsere Religion einmischen", ist eine weitere Aussage der "Zwölf Stämme" .
Ab 2006 unterrichteten die Zwölf Stämme in Klosterzimmern ihre Kinder in einer Privatschule.
Wegen des Verdachts, sie würden ihre Kinder züchtigen, haben die "Zwölf Stämme" immer wieder Ärger mit Polizei und Justiz. Die Mitglieder bestreiten die Vorwürfe.
Als 2013 ein Video auftaucht, auf dem festgehalten ist, wie Mitglieder ihre Kinder mit Ruten schlagen, holen Polizisten alle 40 Kinder der Sekte ab und bringen sie in Pflegefamilien unter.
Im September 2015 kündigen die "Zwölf Stämme" an Deutschland zu verlassen und nach Tschechien zu ziehen. Die Sekte hofft, dort ihren Glauben frei ausleben zu können.
Die "Zwölf Stämme" waren in der Vergangenheit aber auch wegen Misshandlungs-Vorwürfen im Visier der Staatsanwaltschaft. Umfangreiche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen fünf Mitglieder der Glaubensgemeinschaft in Klosterzimmern ergaben demnach, dass in der Sekte Kinder gezüchtigt werden. Zu einer Anklage kam es aber nicht. „Die Taten ließen sich nicht in der für eine Anklage ausreichenden Weise konkretisieren“, hieß es.
Nun aber, berichteten am Donnerstagmittag Landratsamt Donau-Ries und Amtsgericht Nördlingen, ergaben sich neue, konkrete Hinweise auf brutale Züchtigungen. Demnach meldeten sich im August mehrere Aussteiger der Gruppe und sagten als Zeugen aus. Kinder und Jugendliche seien bei den "Zwölf Stämmen" wiederholt mit Weidenruten verprügelt worden.
Eltern das Sorgerecht entzogen
Das Nördlinger Familiengericht entzog den Eltern daraufhin vorläufig das Sorgerecht. Man habe schnell handeln müssen, um bleibende Schäden bei den Kindern zu verhindern, hieß es. Die betroffenen Kinder sollen nun in Jugendhilfeeinrichtungen und bei Pflegeeltern untergebracht werden.
Man wolle jetzt erst einmal Ruhe einkehren lassen, hieß es bei einer Pressekonferenz. In einigen Tagen werde man den Eltern dann mitteilen, wo ihre Kinder untergebracht sind und ihnen den Kontakt ermöglichen. Das Sorgerecht soll ihnen aber bis zu einer endgültigen Entscheidung entzogen bleiben.
Ein Mitglied der "Zwölf Stämme" beteuerte am Donnerstag vor Journalisten noch einmal, dass in der Gruppe keine Kinder geschlagen würden. Man sei entsetzt über die Polizeiaktion und werde sich mit rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen. Zudem lägen Gutachten vor, dass es in der Glaubensgemeinschaft keine Züchtigungen gebe.