Die 88-jährige Theresia Nagler wurde in Unterschneidheim in die Bauernwelt von damals hineingeboren. Im Dorf heiratete sie in den Bauernhof ein, wo sie heute ihre Welt von damals vor dem Untergang bewahrt – mit einem Sammelsurium von tausende Relikten. Die gestaltet sie jährlich zu einer neuen Themenausstellung. Heuer zeigt sie noch bis Oktober „Abschied vom Dorfleben“.
Darin ist sogar Platz für Protest gegen die schrittweise Auslöschung des Dorfcharakters – das alte Schulgebäude nebenan soll abgerissen werden; so stehen bei ihr Bagger, Raupe und Dampfwalze schon neben einem Modell-Schulhaus. Das ist nur eines von rund 40 kleinen Gebäuden und Puppen-Szenenkästen: Bauernhöfe mit ganzen Szenerien wie Plumpsklo, Güllepumpe und Pferdewagen mit Güllefass, Schaf- und Gänseherden, einem dörflichen Jahrmarkt, Milchwagen mit kleinen Metallkannen.
Liebevoll ausgestattete Stuben zeigen ein Wirtshaus samt Kasse, Spielkarten und Bierwerbung, ein Klassenzimmer voller Stoffpüppchen, Kaufladen, Schlafzimmer, dazwischen althergebrachte Garben aus echtem Getreide hinter modernen Mähdreschern, eine Postkutsche, handgefertigte Einzelexemplare von detailgenauen Pflügen, ein Brautwagen samt kompletter Aussteuer – so wie der, auf dem Theresa Nagler einst als stolze Braut durchs Dorf fuhr.
Sie zog acht Kinder groß
Denn sie führte das Leben, das sie mit ihrer kleinen Welt darstellt: Vom elterlichen Bauernhof weg „in Stellung gegangen“ als Haushaltshilfe, dann ins Haushaltungs-Internat, geheiratet, acht Kinder groß gezogen. Sie schrieb Gedichte über ihre Welt, veröffentlichte mithilfe des Rieser Kulturvereins vier Bände. Die Heimatkundlerin Gerda Schupp-Schied war eine enge Freundin und fragte sie oft um Rat für ihre Bücher. Als sie einmal von Appetshofen mit dem Rad zu Besuch kam, hatte Theresa Nagler für den langen Rückweg vorsorglich eine Riesenportion Schneckennudeln als Wegzehrung gebacken.
Wie es zu der Sammelleidenschaft kam? „Bei uns zuhause wurde alles aufgehoben“, sagt sie. Vor 50 Jahren machte sie den nächsten Schritt, sammelte vor allem religiöse Antiquitäten, Spielzeug sowie Trachten, Spitzen und Stickereien. Auf Flohmärkten fand sie nicht nur Schätze wie ihren ersten gusseisernen Ofen, das Modell eines Nördlinger Gerberhauses für die Wand oder ein handgesticktes Deckchen von 1806. Sie traf auch Bekannte, die wieder andere Sammler kannten.
Ein störrisches Kalb sorgte dafür, dass sie zu spät zum Markt kamen
Parallel sammelt sie Bücher oder Antiquariats-Kataloge, mit denen sie besondere Schätze wie eine Taufschale von 1530 identifizieren kann. Besonders ergiebig sind die Flohmärkte im Ries. Nach Nördlingen kam sie schon von Kindesbeinen auf die Nördlinger Bauernmärkte über die „Meil“, einen extra angelegten schnurgeraden Feldweg in Richtung Riesmetropole. Einmal wollten ihr Vater und sie ein Kalb zum Viehmarkt bringen, doch es war störrisch, lief nicht so recht und sie kamen erst an, als sich der Markt auflöste. Auf dem Rückweg legte sich das Kalb hin, streikte vollends und erhob sich erst wieder, als die Tageshitze vorbei war.
Zuerst machte Theresa Nagler zeitlich begrenzte Ausstellungen in der Halle des Bauernhofes; als die Landwirtschaft 2000 aufgegeben wurde, baute man den Schweinestall aufwendig um. Zur Weihnachtszeit zeigt die Lokal-Matadorin hier ihre umfangreiche Krippensammlung, das Jahr über nun zum zwölften Mal Themenausstellungen, gespeist aus den Speichern im ganzen Anwesen. Oft reagieren die zahlreichen Besucher mit Wehmut, dass der einstige Alltag jetzt Zuflucht im Museum suchen muss. Was der 88-Jährigen ihre unglaubliche Vitalität und geistige Regheit erhält? „Die Freude darauf, wenn ich das nächste Stück auskundschafte und finde“, sagt sie und lacht.
Theresa Naglers Museum in der Ziegelhütte 30 in Unterschneidheim ist an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Unter Telefon 07966/2817 kann man sich auch für andere Tage anmelden.