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Trauer: Als Dominic starb

Trauer

Als Dominic starb

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    Dominic, den alle nur „Dodo“ nannten, starb am bei einem Verkehrsunfall. Er wurde 17 Jahre alt. Seine Mutter berichtet, wie ihr die „Verwaisten Eltern“ dabei helfen, mit ihrem Verlust zu leben.
    Dominic, den alle nur „Dodo“ nannten, starb am bei einem Verkehrsunfall. Er wurde 17 Jahre alt. Seine Mutter berichtet, wie ihr die „Verwaisten Eltern“ dabei helfen, mit ihrem Verlust zu leben. Foto: Jan Kandzora

    Der DJ im Prado fragte vom Pult in die Menge, ob es unter den Disco-Besuchern jemanden gebe, der Geburtstag habe, und Dominic meldete sich. Natürlich hatte er an dem Tag nicht Geburtstag, es waren noch einige Monate hin bis zu seinem 18., aber er feierte trotzdem schon mal, wie lebenslustige Teenager das eben so machen. Später verabschiedete er sich von seinen Freunden, die mit ihm unterwegs waren, er umarmte jeden einzelnen von ihnen, herzlicher und fester als sonst. Seinen tatsächlichen 18. Geburtstag erlebte Dominic nie. Er starb am Tag nach der Feier im Prado bei einem Verkehrsunfall.

    Waltraud Dollmann erinnert sich an fast jedes Detail dieses Tages. Auch wenn es bald vier Jahre her ist, dass der Unfall ihren Sohn aus dem Leben riss. Sie erinnert sich daran, dass es Fisch und Spargel zum Mittag gab, ein Gericht, das Dominic eigentlich nicht besonders mochte. An jenem Tag im April verschlang er trotzdem zwei Portionen, Jungs können in dem Alter wahnsinnig viel essen. Dollmann erinnert sich auch daran, dass sie mit ihrer Tochter unterwegs war, als ein Kumpel ihres Sohnes anrief und sagte, Dominic habe einen schweren

    Es ist vielleicht die schlimmste Erfahrung, die Eltern sich vorstellen können: dass das eigene Kind stirbt. Im Ries gibt es seit 20 Jahren eine spezielle Gruppe, die Eltern, die diese Erfahrung gemacht haben, dabei hilft, mit ihrem Verlust zu leben, ohne daran zugrunde zu gehen. Die Gruppe heißt „Verwaiste Eltern“, einmal im Monat trifft sie sich im Dekanat in Nördlingen. Die Eltern, die an den Treffen teilnehmen, teilen ein ähnliches Schicksal. Sie alle haben Kinder verloren, sei es durch eine Krankheit, einen Unfall, einen Suizid, ein Verbrechen. Nun geben sich die Mütter und Väter gegenseitig Halt. Vor allem reden sie. Doch wer nicht reden wolle oder könne, sagt Dollmann, der müsse selbstverständlich auch nicht.

    Am Anfang konnte sie es ja auch nicht. Das ganze erste Jahr nach Dominics Tod, sagt sie, habe sie sich gefühlt wie im falschen Film. Irgendwann las sie in der Zeitung von den Verwaisten Eltern und nahm das erste Mal an einem Treffen der Gruppe teil. Es sei ein Versuch und zunächst wahnsinnig schwer gewesen. Die Trauer hatte die Mutter fest im Griff. Doch Dollmann kam auch zum nächsten Treffen der Verwaisten Eltern, und zu dem danach, und seitdem kommt sie regelmäßig, bis heute. „Ich habe damals in zwei Welten gelebt“, sagt sie. Eine Welt bestand aus dem, was für die Mutter Alltag bedeutet hatte: Arbeit, Freunde, Interessen. Dollmann lebte noch in dieser Welt, aber sie hatte nicht den Eindruck, dazuzugehören. Die andere Welt bestand nur aus Trauer. „Zu der“, sagt sie, „will man aber nicht gehören.“ Die Verwaisten Eltern halfen der Mutter dabei, wieder Fuß zu fassen.

    Im Kern ist das, was die Verwaisten Eltern ausmacht, der monatliche Gesprächskreis. Hinter der Gruppe steht das Diakonische Werk Donau-Ries, die Diakonin Margret Mährle-Merz leitet den Gesprächskreis, bietet aber auch Einzelgespräche an. Die Mütter und Väter kommen zusammen, um darüber zu sprechen, was sie erlebt haben, um ihre Trauer auszudrücken. Und sie mit anderen Menschen zu teilen, die ihren Schmerz nicht nur nachvollziehen, sondern auch nachempfinden können. Derzeit hat die Gruppe etwa 10 Teilnehmer, manche kommen unregelmäßig, andere immer. Einmal im Jahr veranstalten die Eltern einen gemeinsamen Gottesdienst, einmal im Jahr besuchen sie auch gemeinsam die Gräber ihrer Kinder.

    Das zweite Jahr nach Dominics Tod, sagt Dollmann, sei fast noch schwerer gewesen als das erste. Sie habe gespürt, dass sie den Unfall akzeptieren müsse. „Ich hatte das Gefühl, es sickert wie Gift in mich hinein.“ In dieser Situation habe sie die Gruppe der Verwaisten Eltern sehr unterstützt. Und darum gehe es auch: einander Halt zu bieten, wenn es notwendig sei. An Weihnachten etwa. An den Geburtstagen der Kinder. Und an deren Todestagen.

    Als Dominic starb, sei Großsorheim wie gelähmt gewesen, sagt seine Mutter. In dem Stadtteil von Harburg kennt jeder jeden, und jeder kannte Dominic, der den Fußball liebte und an seinem Todestag einem Mädchen einen Maibaum stellen wollte. An dem Tag hatte er ein Fußballspiel, mit dem Roller fuhr er zu einem Mitspieler, einem Kumpel. Die beiden wollten vor dem Spiel noch schnell das Auto des Freundes holen, es stand in Enkingen. Die Mutter des Freundes bot den Teenagern an, sie mit dem

    Dominics Fußballtrainer hielt später die Grabrede. Er sprach darüber, was für ein fröhlicher, liebenswerter Mensch Dominic war. Dass, wer ihn kannte, kaum eine Wahl hatte, als ihn zu mögen. Dass er eine Lücke in der Mannschaft und in den Herzen hinterlassen habe, die sich nie wieder schließen lassen werde. Und dass die Mannschaft sicher sei, dass er trotzdem bei jedem Spiel dabei sein werde, auch wenn man ihn nicht sehe.

    Auch Waltraud Dollmann ist davon überzeugt, dass Dominic noch da ist. Nur in einer anderen Form, auf eine andere Art und Weise als zuvor. Das, sagt sie, gebe ihr Kraft.

    Das nächste Treffen der „Verwaisten Eltern“ findet am 14. April um 20 Uhr im Dekanat Nördlingen statt.

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