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Rieser Kulturtage: Was ein Raumschiff über den "scheuen Planeten" Merkur herausfinden soll

Rieser Kulturtage

Was ein Raumschiff über den "scheuen Planeten" Merkur herausfinden soll

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    So nah kommt der Merkur – hier als kleiner schwarzer Punkt sichtbar – der Sonne. Deshalb wird es auf seiner Sonnenseite auch bis zu 4300 Grad heiß. Warum der Planet als „scheuer“ Planet gilt, erklärte Professor Dr. Harry Hiesinger bei einem Online-Vortrag im Rahmen der Rieser Kulturtage.
    So nah kommt der Merkur – hier als kleiner schwarzer Punkt sichtbar – der Sonne. Deshalb wird es auf seiner Sonnenseite auch bis zu 4300 Grad heiß. Warum der Planet als „scheuer“ Planet gilt, erklärte Professor Dr. Harry Hiesinger bei einem Online-Vortrag im Rahmen der Rieser Kulturtage. Foto: picture alliance/dpa/NASA Solar Dynamics Observatory/AP | Uncredited

    „Merkur, der scheue Planet“ war der fast poetisch anmutende Titel des Online-Vortrags von Prof. Dr. Harry Hiesinger, Ordinarius der Universität Münster für geologische Planetologie. Tatsächlich zeigte sich der Referent als emotional engagierter Wissenschaftler, der für sein Lebensthema „brennt“ und der auch schwierige Sachverhalte einem interessierten Publikum verständlich machen kann.

    „Scheu“ ist Merkur in dem Sinn, dass er sich der optischen Beobachtung gerne entzieht, erklärte Hiesinger in seinem Vortrag, der im Rahmen der Rieser Kulturtage stattfand. Der Planet zieht seine Bahn verhältnismäßig nahe an der Sonne und wird deshalb regelmäßig vom Zentralgestirn so überstrahlt, dass er nur als schwarzer Punkt erscheint. Umso spannender ist der Versuch, über den Merkur so viel zu erfahren, wie man über seinen Nachbarplaneten Venus und seinen übernächsten Nachbarn Mars schon weiß.

    Merkur hat als einziger Planet keine Atmosphäre

    Diesen Versuch unternimmt „BepiColombo“, eine Kooperation zwischen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA, die Hiesinger in einer wichtigen Schlüsselfunktion mitgestaltet. Der Name des Projekts erinnert an Giuseppe Colombo, der sich um die Merkurerkundung besonders verdient gemacht hatte, bevor er 1984 starb. Bei interplanetaren Missionen müssen die jeweiligen Anflugwinkel und die im System Sonne/Planet wirkenden Schwerkräfte einberechnet und ausgenutzt werden. Diese Erkenntnis von Colombo hat bei der Vorgängermission Mariner drei „Vorbeiflüge“ am Merkur ermöglicht und einen bahnbrechenden wissenschaftlichen Fortschritt bewirkt.

    Als einziger Planet hat der Merkur keine Atmosphäre. Dies führt zur extremen Aufheizung auf der Sonnenseite, bis 430 Grad ist es dort heiß. Wo die Sonne aber nicht hin scheint, herrscht eine extreme Kälte von bis zu -180 Grad. Wie bei anderen Planeten, so ist auch beim Merkur die Oberfläche durch Impaktkrater geprägt. Dass der Merkur auch Vulkanismus kennt, ist einer der Unterschiede zu den anderen Planeten und zum Mond. Die Zentralberge und -ringe der Impaktkrater und die Auswurfmassen der Vulkane erlauben via Spektralanalyse Schlüsse auf das Innere des Planeten.

    Raumfahrtmission soll mehr Erkenntnisse über den Merkur bringen

    Allerdings sind bezüglich der Materialzusammensetzung noch viele Fragen offen. Unter anderem scheint der Merkur an flüchtigen Materialien reicher zu sein als die Vergleichsobjekte. Das extrem niedrige „Kalium/Thorium-Verhältnis“, führt zu der Frage, ob der Planet vielleicht ursprünglich nicht auf seiner heutigen Umlaufbahn unterwegs war, sondern weit draußen im Weltall entstanden ist und von der Sonne „eingefangen“ wurde. Verwerfungen der Merkur-Oberfläche weisen darauf hin, dass der Planet durch Schrumpfung an Volumen eingebüßt hat.

    Das europäisch-japanische Raumschiff BepiColombo soll möglichst viele dieser Fragen einer Lösung näherbringen. Sein Innenleben ist eine Ansammlung von extremster Hochtechnologie auf engstem Raum, abgesichert gegen Erschütterung, Aufheizung und Auskühlung. Die einzelnen Elemente wurden in Europa und Japan an verschiedenen Orten gefertigt, im niederländischen Noordwijk zusammengebaut und getestet. Im Europäischen Raumfahrtzentrum Kourou wurde das Raumschiff mit einem aus der Hauptrakete (Ariane 5) und zwei „Boostern“ bestehenden Startsystem in den Weltraum geschossen, und ist nun mit Hilfe eines sonnenenergie- und schwerkraftgestützten Transportsystems in Richtung Merkur unterwegs.

    Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus anderen Staaten sei angenehm

    Hiesinger ist verantwortlich für das Instrument „Mertis“, ein Spektrometer zur Bestimmung der mineralogischen Zusammensetzung der Merkuroberfläche. Mit Erleichterung, so der Referent, beobachtete er, wie „sein“ Bauteil samt dem übrigen technischen Wunderwerk auf den Weg gebracht wurde. Nach einem Vorbeiflug an der Erde schraubt sich BepiColombo jetzt „langsam“ dem Zielobjekt entgegen.

    In der Fragerunde hob der Direktor des Rieskrater-Museums, Prof. Dr. Stefan Hölzl die friedenstiftende Funktion der Weltraumforschung hervor, und Hiesinger bestätigte, dass die persönliche Zusammenarbeit auch mit Wissenschaftlern aus autoritären oder problematischen Staaten angenehm, produktiv und bereichernd ist. Der Vorsitzende des Vereins „Rieser Kulturtage“, Gerhard Beck, dankte Hölzl für die Vermittlung des Referenten. Der 2. Vorsitzende, Pfr. Wilhelm Imrich beschloss den Abend mit dem Hinweis, dass der Merkur bei Dante als Symbol für harmonische Verknüpfung steht.

    Alle Beiträge zu den Vorträgen der Rieser Kulturtage finden Sie hier:

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