Die 22. Veranstaltung der 23. Rieser Kulturtage brachte – im Anschluss an die kurz vorher enthüllte Informationstafel am Judenbuck – einen Vortrag des Vorsitzenden Gerhard Beck zum Thema. Die 1700 Jahre alte Geschichte der Juden in Deutschland ist von Vertreibung, Verfolgung und Wiederansiedlung geprägt. Aus dem Jahr 1298 sind allein für Hürnheim (die Ortsangabe bezieht sich vermutlich auf den Amtsbezirk dieses Namens) 26 Morde an jüdischen Einwohnern überliefert. Der sogenannte „Rintfleisch-Pogrom“ hatte im fränkischen und altbaierischen Raum, aber eben auch im Ries, die jüdischen Gemeinden schwer bedrängt, viele ausgelöscht. Was ist über sie bekannt?
1331 erteilte Kaiser Ludwig der Bayer dem Oettinger Grafen das sogenannte Judenregal, das heißt die „Schutzherrschaft“ über die Juden seines Herrschaftsbereichs, verbunden mit dem Recht zur Erhebung der „Judensteuer“. Trotzdem kam es bereits 1348 im Zusammenhang mit einer Pestepidemie zu weiteren Verfolgungsaktionen.
Wo es jüdische Gemeinden im Ries gab
In der Folgezeit bestanden die wichtigsten jüdischen Gemeinden im Ries in Oettingen (hier kam es zur Bildung zweier jüdischer Gemeinden mit der berühmten Einteilung in „evangelische“ und „katholische“ Juden) und in Wallerstein (hier war über mehrere Jahrhunderte der Sitz des Landesrabbiners) sowie in weiteren Orten wie Hainsfarth, Oberdorf am Ipf (ebenfalls Rabbinatssitz, bis zu 40 Prozent der Einwohner jüdischen Glaubens), Aufhausen bei Bopfingen, Steinhart, Harburg, Kleinerdlingen, Mönchsdeggingen und auch Ederheim.
Heinrich Aufhäuser aus Hainsfarth, der in München zum Gründer eines heute noch bestehenden Bankhauses wurde, Michael Ries aus Wallerstein, der als Grundstücksmakler in Chicago tätig war und letztlich bei einem Besuch in der alten Heimat starb und begraben wurde, Samuel Liebmann aus Aufhausen, der in den USA als Brauereiunternehmer erfolgreich war, wurden als herausragende Persönlichkeiten aus den jüdischen Landgemeinden hervorgehoben.
In Ederheim gab es eine große jüdische Gemeinschaft
Zu den örtlichen Honoratioren rechneten sich unter anderem Abraham Weiler, Nördlingen, der nicht nur Lehrer und Kantor der jüdischen Kultusgemeinde war, sondern eine Zeit lang auch Schützenmeister der Privilegierten Schützengesellschaft, Leopold Gutmann, Oberlehrer und Kantor in Oettingen, und der Hainsfarther Schneidermeister Joseph Schlossmann, auch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, ebenso wie Louis Badmann, Oettingen. Hohes Ansehen genoss auch Dr. med. David Heimann in Nördlingen.
Über zwei Außenseiter der Rieser Judenschaft berichtete der Referent: Samuel Friedrich Brentz, der als getaufter Jude 1614 eine scharfe antijüdische Polemik veröffentlicht und dessen Sohn lutherischer Pfarrer wird, und G. C. Victor, der 1660 in Nördlingen getauft wird und 1675 zur Rechtfertigung seiner Konversion ein Buch verfasst.
Auch eine Synagoge gab es in Ederheim
Speziell zur Ederheimer Situation wurde berichtet, dass hier von 1503 bis 1537 und dann wieder ab 1674 Juden wohnten. Zeitweise wurde fast die Hälfte der Anwesen von jüdischen Familien bewohnt; 1820 zählte man 25 Familien. „Ederheimer“ wurde auch als Familienname gebräuchlich. Es gab eine Synagoge und eine Schule, die beide am „Judenbuck“ standen, und eine Mikwe. Beerdigt wurden die Ederheimer Juden auf dem jüdischen Friedhof von Harburg. Ein um 1850 entstandener Thoraschild, der im Jüdischen Museum Augsburg ausgestellt ist, kann mithilfe der Stifternamen der Ederheimer Synagoge zugeordnet werden.
Als weiteres Zeugnis für die jüdische Vergangenheit Ederheims zeigte Beck einen Teil einer mit hebräischen Schriftzeichen versehenen Kachelofenbank von 1847 aus dem Besitz einer Familie Einstein. Von 77 Personen, die im 19. Jahrhundert ausgewandert sind, waren 54 jüdischen Glaubens.
Nach der Nazizeit erloschen viele jüdische Gemeinden
Die meisten ländlichen Judengemeinden erloschen im 19. Jahrhundert, weil die jüdische Bevölkerung in die Städte abwanderte oder nach Übersee emigrierte. Nach einer kurzen Blütezeit der (klein)städtischen Judengemeinden verloren auch diese den großen Teil ihrer Glieder durch Abwanderung in zentralere Orte und führte in der Nazizeit zum endgültigen Erlöschen der Rieser Judengemeinden.
Nach den Worten des Zweiten Vorsitzenden Imrich haben die Rieser Kulturtage 2021 einen Schwerpunkt auf die Geschichte der Juden im Ries und deren Schicksal gelegt, „als Verbeugung vor den Opfern unserer Vorfahren in der Vergangenheit und als Vorbeugung vor der Verblendung vieler unserer Zeitgenossen in der Gegenwart“.
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