Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Rieser Kulturtage: „Ist das Rieserische noch zu retten oder ist es bald ein Fall fürs Bauernmuseum?“

Rieser Kulturtage

„Ist das Rieserische noch zu retten oder ist es bald ein Fall fürs Bauernmuseum?“

    • |
    Sowie der Glockenturm „Daniel“, prägt der Rieser-Dialekt die Region auf eine besondere Art.
    Sowie der Glockenturm „Daniel“, prägt der Rieser-Dialekt die Region auf eine besondere Art. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

    „Der Wandel der Rieser Mundart – ein Betrachtungsversuch“, mit diesem neutral und zurückhaltend, ja bescheiden formulierten Thema trat Eckhard Greiner aus Holzkirchen vor sein online versammeltes Publikum. Im Programmheft war Klartext zu lesen: „Ist das Rieserische noch zu retten oder ist es bald ein Fall für das Rieser Bauernmuseum?“

    Rund 150 Menschen haben bei dem Vortrag der Rieser Kulturtage zugehört

    Eckard Greiner ist studierter Germanist und Linguist. Gedanken und Gesichtspunkte aus diesem akademischen Zweig seiner Biografie trug er seinen rund 150 Zuhörern vor. Akademisch korrekt definierte er zu Beginn die Begriffe Sprache und Dialekt und erklärte Grundsätzliches aus der Sprachwissenschaft. „Dialekt“ bezeichnet vereinfacht eine räumlich begrenzte Varietät ohne Schriftlichkeit und ohne standardisierte Grammatik innerhalb einer „Dachsprache“.

    Durch den Ausdruck „hochdeutsch“, wird in wissenschaftlich unbegründeter Weise der Dialekt als minderwertig dargestellt. Für Linguisten gibt kein „höheres“ Deutsch, sondern eine „Standardsprache“, die als Schriftsprache das überörtliche öffentliche Leben prägt beherrscht und feste allgemeine Regeln hat, insbesondere im gesamten Sprachraum verstanden wird, und die Dialekte, sowie andere Varietäten. Beim Gebrauch des Dialekts unterscheidet man die Diaglossie, den stufenlosen Übergang vom Dialekt zur Standardsprache je nach Gelegenheit (eher privat oder eher offiziell), von der Diglossie, der echten Zweisprachigkeit.

    Richtung und Geschwindigkeit der Entwicklung von Sprachen und Dialekten richten sich - vor allem beim mündlichen Sprachgebrauch - nach (gut rieserisch) „Maulfaulheit“ und Verständlichkeit, vor allem bei der Weitergabe von Generation zu Generation. Aber auch der Umgang mit Medien, die Verständigung am Arbeitsplatz, der Spracherwerb im Kindergarten und in der Schule, sowie die allgemeine gesellschaftliche Mobilität sind Entwicklungsfaktoren. Besonders ins Gewicht fällt das Sprachprestige, das heißt die tief verwurzelte Neigung der Menschen, sich im Sprachgebrauch an Vorgesetzten oder anderen Vorbildern zu orientieren um auf diese Weise von deren Wichtigkeit und Ansehen zu profitieren.

    Rieserisch wurde durch gesellschaftliche Veränderung beeinflusst

    Auf diese Weise hat sich der Rieser Dialekt von einer schriftlich nicht nachgewiesenen, von den Römern als „germanisch“ bezeichneten Verständigungsform zu dem entwickelt, was er heute ist. Die Standardisierung durch den schriftlichen Schriftgebrauch hat den Dialekt weniger beeinflusst als gesellschaftliche Veränderungen beispielsweise durch die Angleichung an das Baierische nach dem Anschluss an Bayern beziehungsweise Württemberg am Anfang des 19. Jahrhunderts.

    In seiner Bachelor-Arbeit hatte Eckhard Greiner experimentell ermittelt, in welchem Verhältnis „Sprache“ als Dialekt und als Standardsprache von Eltern an Kinder weitergegeben wird. Dabei hat er zwischen Vätern und Müttern, zwischen den Altersstufen der Kinder, sowie zwischen verschiedenen Milieus unterschieden.

    Rieser Kulturtage: Der Dialekt überlebt nur dann, wenn er praktiziert wird

    Ohne dass er seine Ergebnisse als repräsentativ hinstellen wollte, konnte er als Ergebnis den – gegenüber den Vätern – überragenden Einfluss der Mütter feststellen, sowie deren überwiegende Neigung, dem Gesichtspunkt des Sprachprestiges Raum zu geben. Interessanterweise scheint es aber auch eine Tendenz unter Schulkindern und Halbwüchsigen zu geben, den Dialekt zu entdecken und zu bevorzugen.

    Die Frage, ob der Rieser Dialekt überlebt oder zum Museumsstück wird, beantwortet Eckhard Greiner klar: Eine Sprache überlebt nur als praktisches Kommunikationsinstrument. Es kommt also darauf an, wie die Rieser reden. Die Vortragsveranstaltung wurde aufgelockert durch Hörbeispiele, dargeboten von den „Bressack Buam“ (Benedikt und Bastian Offinger aus der Gruppe „Los Bressackos“) und vom Duo „Okomod“ (Florian Hager von der Rieser Hörspielmanufaktur und Jochen Österlein). Dieses Experiment war leider nicht von durchschlagendem Erfolg gekrönt; es lohnt sich aber, sich die Musiknummern auf Youtube anzusehen.

    https://www.youtube.com/watch?v=NSjjb1QCjFk

    Alle Beiträge zu den Vorträgen der Rieser Kulturtage finden Sie hier:

    Lesen und lernen Sie mehr über die Vorträge der Rieser Kulturtage

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden