Startseite
Icon Pfeil nach unten
Nördlingen
Icon Pfeil nach unten

Rieser Kulturtage: Die Windmühle in Ehringen brachte dem Besitzer kein Glück

Rieser Kulturtage

Die Windmühle in Ehringen brachte dem Besitzer kein Glück

    • |
    Der Lageplan der Mühle in der Ehringer Flur in der Nähe des heutigen Kreisverkehrs der Bundesstraße 25. Die günstigen Westwinde würden dort vom Riesrand her ungehindert auf die Mühle treffen, glaubte man.
    Der Lageplan der Mühle in der Ehringer Flur in der Nähe des heutigen Kreisverkehrs der Bundesstraße 25. Die günstigen Westwinde würden dort vom Riesrand her ungehindert auf die Mühle treffen, glaubte man.

    Wie in Marktoffingen war auch die Ehringer Windmühle völlig in Vergessenheit geraten, bis ein zufälliger Fund im Archiv auf der Harburg Licht in das einstige Unternehmen bringen konnte (Mühlsachen VI. 68a. 2-2. Ehringen). Das ungünstige Marktoffinger Beispiel, das im Lande wohl noch bekannt war, hat den Ehringer Bader Johann Jacob Keßler (1747- 1793) nicht von einem eigenen Versuch einer Windmühle abgeschreckt. Er war ein Sohn des Schulmeisters Johannes Caspar Keßler und verfügte über genügend Zuversicht, dass er dazu ebenfalls fähig wäre.

    Ehringer versprach sich mit der Windmühle viel Geld zu machen

    Seine Überlegungen waren ähnlich denen von Melchior Hochstein, nämlich dass genügend Bauern die kürzeren Wege zu seiner Mühle denen zu den Wassermühlen vorziehen würden, dass in dieser Zeit, wo „Brotmangel herrsche und hohe Preise für Brot zu zahlen“ waren, seine günstige Mühle Vorteile böte und dass „alle Menschen in der Nachbarschaft der Aufbauung einer Windmühle … begierig entgegensähen und versuchten, [ihn] dazu anzuspornen“. Für eine Unterstützung durch das Fürstliche Haus Wallerstein sollte sein Angebot werben, dass es eine Mühle der Herrschaft Wallerstein werden und ihre Abgaben an die Herrschaft fallen sollten, während doch die meisten Wassermühlen und damit ihre Erträge anderen Grundherren dienstbar waren. Mit dieser Hoffnung nahm er nach und nach die schwierigen Hürden der „amtlichen Zulassung“.

    Die deutsche Bockwindmühle mit nur einem Mahlgang (aus: Claus Grimm, Aufbruch ins Industriezeitalter, München 1985, Band 1).
    Die deutsche Bockwindmühle mit nur einem Mahlgang (aus: Claus Grimm, Aufbruch ins Industriezeitalter, München 1985, Band 1).

    Am wichtigsten dafür war Keßlers Kenntnis von Bau und Funktion einer Windmühle. Er wies sie im Oktober 1784 durch eine detaillierte Übersicht über die nötigen Materialien, ihre Maße und Kosten nach. Für die Stabilität der gesamten Konstruktion verlangte er Eichenbalken und für Bretter aller Art Tannenholz. Unter den vielen Eisenteilen waren die Mühleisen, die die Läufersteine rotieren lassen, die aufwendigsten. Aufgrund der ausführlichen Liste könnte ein Fachmann eine komplette Windmühle zeichnen.

    Es handelte sich wieder um eine erweiterte „deutsche Bockwindmühle“: Auf der abgestützten zentralen Hauptsäule von circa 6,5 Metern Höhe ruht das obere Stockwerk. Unter dem Gehäuse befindet sich der Sattel, auf dem mithilfe des Sterz das Mühlenhaus in den Wind gedreht werden kann. Die vier Flügel maßen ab Achse gut drei Meter und waren zum Betrieb von drei Mahlgängen hinreichend. Hier zeigte der Bader eine geniale Lösung auf: Für leichte Winde hatte er im Obergeschoss einen kleinen Mahlgang vorgesehen, der sich notfalls auch per Handkurbel bewegen ließ. Den mittleren Gang verwendete er auch zum Gerben, also um die Dinkelkörner aus den Spelzen zu reiben.

    Windmühle in Ehring konnte unterschiedliche Windstärken nutzen

    Den schweren, den Wassermühlen ähnlichen Gang beließ er im unteren Geschoss. Blies der Wind also nur schwach, konnten immerhin der obere oder der mittlere Gang laufen, bei gutem Wind aber der große Mahlgang und für starke Winde konnte der Müller alle drei Gänge zusammenschalten. Die Vorteile dieser Konstruktion liegen auf der Hand: Während andere Windmühlen nur über einen einzigen Gang verfügten, konnten diese hier die unterschiedlichen Windstärken nutzen. Keßler berechnete sogar die Mahl-Leistungen: Mit dem kleinen Gang könne „bei dringender Not“ immerhin ein Malter Getreide pro Tag vermahlen werden, der zweite Gang schaffe das in sechs bis acht Stunden und der große Gang in drei bis vier Stunden. Dem Einwand, es könnten zu wenige Kunden kommen, begegnete der einfallsreiche Bader damit, dass er für diesen Fall sogar noch eine „Schleif- und Poliermühle“ einbauen könnte.

    Für kalte Zeiten dachte er vorsorglich auch an Glasfenster und einen „Windofen mit Rauchröhren“ im unteren Stockwerk. Zuletzt sah er auch einen Zaun um seine Mühle vor, der bei einer quadratischen Anlage circa 22 Meter Seitenlänge bekommen sollte. Dieses bis ins Detail durchdachte Unternehmen zeigt den Keßler als denjenigen, der zu Recht von sich behaupten konnte, er habe „aus allen gesehenen Windmühlen das Beste ausgesucht und zur Nachahmung aufgezeichnet“.

    Keßlers Kostenaufstellung für die geplante Windmühle belief sich auf rund 900 Gulden.
    Keßlers Kostenaufstellung für die geplante Windmühle belief sich auf rund 900 Gulden.

    Die angenommenen Kosten, die Keßler inclusive der Arbeitslöhne detailliert bezifferte, würden sich auf 861½ Gulden (fl) summieren. Dazu kämen allerdings noch Kosten für Fuhrdienste und Gerätschaften wie Hohlmaße und Gewichte, Wannen und Siebe, wodurch der Aufwand auf 900 fl anwuchs.

    Manche Dorfbewohner gönnten dem Ehringer die Mühle nicht

    Weil er über eine solche Summe natürlich nicht in bar verfügte, reichte er an der Rentkammer eine Vermögensübersicht ein. Sein Wohnhaus samt zwei Morgen Äcker und Wiesen mit etwas Vieh und einer Bienenzucht bewertete er mit 1550 fl und weitere 1¾ Morgen Äcker von anderen Grundherren mit 530 fl, zog davon, gewissenhaft wie er war, 200 fl für noch ausstehende Verpflichtungen ab, sodass er sich immerhin 1880 fl Vermögen zugutehielt. Außerdem schätzte er seine jährlichen Berufseinnahmen mit circa 100 fl als realistisch ein. Zusätzlich plante er mit der Großzügigkeit der Herrschaft, die ihm vier abgabenfreie Jahre einräumen und außerdem 500 fl in bar vorstrecken möge. Sein berufsmäßiges Einkommen würde genügen, dass er in zehn Jahren alle Kredite tilgen könnte – sogar ohne die Erträge der Mühle, die letztlich seinen Gewinn bedeuteten, in Anspruch nehmen zu müssen.

    Vonseiten der Verwandtschaft seiner Frau entstand ihm freilich erhebliches Ungemach und der fortschrittliche Chirurgus beklagte sich bitter über seinen ängstlichen Schwiegervater, den Ehringer Bauern Johannes Wiedemann. Dieser sei von Leuten, die dem Dorf eine Windmühle nicht gönnten, aufgewiegelt worden. Er habe eine „natürliche Abneigung gegen alles Unternehmen, was bey ihm Neuigkeit heißet“. Keßler weist diese verbreitete Skepsis gegenüber dem technischen Fortschritt zurück und sieht sich vielmehr als Pionier einer verheißungsvollen Zukunft.

    Schwiegervater war der Meinung seine Enkel schützen zu müssen

    Sein Schwiegervater sei auch der Meinung, mit seiner Ablehnung würde er seine Enkel vor finanziellem Schaden bewahren. Dabei habe er seiner Tochter weniger Heiratsgut als seinen anderen Kindern gegeben und fürchte nun, dass dieses „in den Wind geschlagen“ werden könne. Keßler hält dagegen: Er habe mehr Einkommen als jener und während der sogar Kredite für die Aussteuer habe aufnehmen müssen, könne er von den „Steuerämtern“ überzeugende Zahlungsbelege vorweisen. Und er schließt das „Pro Memoria“ an die Herrschaft mit der hypothetischen Frage: „Soll ich ihn [etwa] zum Lehrmeister haben?“ Und siegesgewiss fügt er hinzu: „Ich sehe nicht ein, dass ich zu viel wage.“

    Blick in eine Windmühle.
    Blick in eine Windmühle. Foto: Josef Hopfenzitz

    Mit dieser energischen Haltung, dem Nachweis des technischen Könnens und seinen günstigen Vermögensverhältnissen wird ihm nun vonseiten des Kloster-Kirchheim’schen Pflegamtes, dessen Grundholde er war, bestätigt, dass es ihm möglich sei, „die Mühlbaukosten ohne Zertrümmerung des [seines] Grundvermögens zu bestreiten“. Aber trotz der Anerkennung von Keßlers Idee als „lobenswürdig“ äußerte das vorsichtige Kirchheim um Weihnachten 1784 weitere Bedenken: Denn er sei „nur Bader und nicht Müller“, möchte aber ein „Baumeister und Mühlenarzt seyn“. Obendrein befürchtete man, er werde nur wenige Kunden haben, weil ihm der Anspann fehle und er deshalb „die Mahlgäste nicht befördern“ könne. Außerdem verlasse „niemand gern seine vorige Mühle“ und wechsle zu einem irgendwie unsicheren Müller.

    Auf der anderen Seite offerieren sechs unterzeichnende „Gutachter“ der Fürstlichen Rentkammer ihrem Fürsten auch positive Aspekte und empfehlen eine Unterstützung: Der Supplikant habe schon durch andere „mechanische Arbeiten […] glücklichen Erfolg“ gehabt; zumindest in trockenen und winterlichen Zeiten werde man seine Windmühle ganz sicher aufsuchen müssen; die Vermögenslage stimme, seine Verwandten dürften sich nicht widersetzen und ein Vorschuss sei allemal durch das Vermögen Keßlers gedeckt.

    Standort in der Nähe des heutigen Kreiverkehrs

    Zuletzt einigte man sich auf einen Standort für die Windmühle. Sie sollte westlich von der neuen Straße, der Chouse [Chaussée] und dem alten Weg von Ehringen nach Baldingen, [Occidens = Westen, also seitenverkehrt zu Keßlers Karte], zu stehen kommen, und zwar noch in der Ehringer Flur, in der Nähe des heutigen Kreisverkehrs der B25. Die günstigen Westwinde treffen dort vom Riesrand her ungehindert auf die Mühle. Für die Bauplatzgröße berechnete Keßler 24 Quadratruten, das entspräche etwa 15 mal 15 Meter. Die Windmühle musste so weit von der Fahrstraße entfernt sein, dass „durch das Klappern der Mühle und durch das Herumlaufen der Windflügel das vorübergehende Pferd und andere Vieh nicht scheu gemacht“ würde und kein Unglück entstehe.

    Mit „gnädigster Unterstützung“ des Fürsten Kraft Ernst (1748-1802) konnte nun Johann Jacob Keßler im Lauf des Jahres 1785 „sein ganzes Bauwerk“ errichten, und zwar – wie er in einem Schreiben an die Herrschaft am 21. November betont – „aus eigenen Mitteln“. Doch sei er jetzt „ziemlich erschöpft“ und sehe sich derzeit außerstande, noch 68 fl fürs Holz aufzubringen. Mit den Worten „Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht“ bittet er um Stundung, die er auch erhält. Denn inzwischen hatte Wallerstein zwar sechs Freijahre, aber nur 200 fl Vorschuss gewährt, wobei die eine Hälfte gar vom Pflegamt Kirchheim stammen sollte.

    Im Alter von nur 46 Jahren gestorben

    Zu gern wüssten wir, inwieweit die idealen Vorstellungen Keßlers im Alltag sich haben umsetzen lassen. Vermutlich traten – wie auch im Marktoffinger Fall – doch recht bald einige der befürchteten Probleme auf, jedenfalls wird sein Sohn Andreas (1774-1851) in den Matrikeln nur als Bader, nicht als Müller geführt. Johann Jacob aber verstarb am 28. April 1793 mit nur 46 Jahren an Faulfieber (Ortsfamilienbuch Ehringen). Schließlich wurde die Mühle abgebrochen und ihre Teile wurden veräußert – so gründlich, dass sogar ihr Standort in Vergessenheit geriet.

    Eine weitere Windmühle hatte bereits 1773 eine Gruppe gut betuchter Bürger bei Monheim errichtet. Die Qualität war aber so mäßig, dass immer wieder teure Reparaturen anfielen, bis schließlich 1813 ein heftiger Sturm allen weiteren Versuchen ein Ende setzte (Darstellung durch Kurt Schöndorf in: Mitt. Hist. Ver. Donauwörth, 1999). Erst in unserer Zeit findet rings um das Ries die durch Technik gezähmte Windkraft wieder eine sinnvolle Nutzung.

    Alle Beiträge zu den Vorträgen der Rieser Kulturtage finden Sie hier:

    Lesen und lernen Sie mehr über die Vorträge der Rieser Kulturtage

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden