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Rieser Kulturtage: Der Oettinger Hinkelstein wird vorgestellt

Rieser Kulturtage

Der Oettinger Hinkelstein wird vorgestellt

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    Dieser Menhir wurde in Oettingen gefunden. Archäologe Manfred Woidich stellte in einem Vortrag im Rahmen der Rieser Kulturtage die bedeutendsten Funde im Landkreis vor.
    Dieser Menhir wurde in Oettingen gefunden. Archäologe Manfred Woidich stellte in einem Vortrag im Rahmen der Rieser Kulturtage die bedeutendsten Funde im Landkreis vor. Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

    Wohnen, wo einst ein riesiger Kultstein abgelegt wurde. Lernen und lehren, wo vier Seuchenopfer notdürftig verscharrt wurden. Oder leben, wo im Mittelalter professionell gebacken wurde oder vor 3000 Jahren Urnen beigesetzt wurden. Im Rahmen der Rieser Kulturtage hat Archäologe Dr. Manfred Woidich vier Grabungsprojekte in Oettingen, Megesheim, Donauwörth und Nördlingen in der Residenzstadt vorgestellt.

    Vor zwei Jahren hat er in Harburg sein Büro gegründet. Nicht zuletzt deswegen, weil es im Landkreis schon viele Bodendenkmäler gibt, also Funde aus früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden. „Das Ries ist sehr intensiv erforscht“, sagt Woidich vor rund 40 Zuhörern im Albrecht-Ernst-Gymnasium und zeigt eine Ries-Karte, auf der hunderte rote Flecken als kartierte Bodendenkmäler eingezeichnet sind. Funde müssen immer dokumentiert werden, und können erst dann wieder „konservatorisch überdeckt“ werden. Menschliche Gräber müssen jedoch immer ausgegraben werden, sagte der Referent. So wie zum Beispiel bei den Bauarbeiten an der Kolpingakademie im Donauwörther Ried. Bei Baggerarbeiten wurden menschliche Knochen in einem Fundamentschacht gefunden. Eimer für Eimer beförderten Woidich und ein Kollege lehmige Erde aus dem engen Loch. Insgesamt konnten vier menschliche Skelette freigelegt werden, die dort übereinander zwischen Bauschutt, Schlachtabfällen und Keramikscherben verscharrt worden waren – Opfer eines Verbrechens vielleicht? Woidich verneint. Am Handgelenk eines Skeletts wurden viele schwarze Perlen mit Löchern gefunden, die vermutlich von einem Rosenkranz stammen. Wahrscheinlicher sei es, dass hier eilig Opfer einer Seuche begraben wurden.

    Bei einer Baustelle in der Nördlinger Henkergasse wurde Woidichs Büro ebenfalls hinzugezogen. Die gesamte Nördlinger Innenstadt gehört zu den „roten Flecken“ in seiner Karte. Auf vielen Fotos zeigt der Archäologe die Oberfläche von oben und den Boden im Profil. Einmal ist die Erde grau, dann wieder bräunlich, manchmal klar abgegrenzt, dann verwischt. Nur ein Experte kann hier etwas vermuten und herauslesen: nämlich Ofen-Anlagen, Abfallgruben und Erdkeller. Auch ein Brunnen mit steinerner Einfassung konnte nachgewiesen, jedoch nicht exakt datiert werden. Besonders interessant sind die umfangreichen Glasfunde und ein „Kruseler Püppchen“, die darauf hindeuten, dass gut situierte Menschen in der Henkergasse wohnten. Somit ist klar, dass schon vor dem ersten Nördlinger Archiveintrag des Anwesens von 1489 Wohngebäude auf dem Grundstück standen, gemeinschaftlich oder gewerblich wurde in den Ofen-Anlagen gebacken. Keine Hinweise gab es auf einen Scharfrichter, wie es der Gassen-Name vielleicht vermuten lässt.

    In Megesheim wurde im vergangenen Jahr ein neues Baugebiet am Kapellfeld erschlossen. Auf dem rund ein Hektar großen Gebiet hielten Dr. Woidich und sein Team 269 Befunde fest, vor allem aus der Urnenfelderzeit (1200 bis 850 vor Christus). Wo heute Megesheimer ihre neuen Einfamilienhäuser errichten, lebten und starben vor 3000 Jahren schon Menschen. Die Eckpfosten von zum Teil sehr massiv gebauten Häusern konnten die Archäologen nachweisen, ebenfalls Urnen mit Grabbeigaben. Woidich spricht von Mehrhaus-Gehöften. Separate Wohngebäude, Speicher und Unterkünfte für Tiere etablierten sich in dieser Zeit.

    Auch bei der Erschließung des Oettinger Baugebiets Am Kelterfeld kam einiges zutage. Südlich des Neubaugebiets ist bereits eine Villa Rustica dokumentiert, also ein Bodendenkmal aus römischer Zeit. Die Archäologen fanden jedoch Relevantes aus weiteren Epochen: so zum Beispiel ein neuzeitliches „Nachgeburtstöpfchen“, in dem rituell die Nachgeburt vergraben wurde. Kreisgräben aus der Hallstattzeit, verschiedene Geräte und Gefäße aus der Frühen Jungsteinzeit (rund 5000 vor Christus) und der frühen Bronzezeit (rund 2000 vor Christus) wurden dokumentiert. Einige besonders kleine Gräber waren wohl Kindergräber. Knochen wurden keine gefunden. „Möglicherweise haben sich in einem besonders aggressiven Bodenmilieu alle Knochen vollständig aufgelöst“, erklärt Woidich.

    In der südöstlichen Ecke des untersuchten Areals konnte Staunässe mit Drainagegräben untersucht werden. Dort, wo der Lärmschutzwall an der Staatsstraße nach Ehingen geplant ist, machte das Team dann den spektakulärsten Fund – den Oettinger Hinkelstein, im Fach-Jargon: einen Menhir. Zwar liegt der über eine Tonne schwere Kalksteinblock waagrecht, jedoch ist davon auszugehen, dass er einst senkrecht aufgestellt war. Irgendjemand hatte ihn zu einem unbekannten Zweck in der Nähe aufgestellt, vermutet Woidich. Es ist kein Grab in der Nähe, eine „kultische Bedeutung“ ist jedoch anzunehmen.

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