Neben Antonio Rosetti, dem Komponisten und Kapellmeister des Wallersteiner Hofes in Mozarts Zeit, wirkte der lange Zeit vergessene Franz Bühler, 1760 geboren in Unterschneidheim, etwa zeitgleich als Komponist auf der württembergischen Seite des Rieses. Anders als Rosetti, der Musik für fürstliche Hofgesellschaften komponierte, widmete er sich als Organist des Klosters Neresheim, später des Benediktinerklosters Donauwörth, vor allem geistlichen Werken. Doch wer war Franz Bühler und woher kommt der Vergleich zur Corona-Situation?
Er wurde im Jahr 1983 von Edwin Michler, dem langjährigen 2. Vorsitzenden der Rieser Kulturtage, „entdeckt“. Dr. Hermann Ullrich, Musikprofessor der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, nahm sich seiner an und erforscht seit dieser Zeit im Rahmen seines Lehrauftrags dessen musikalische Bedeutung.
Vortrag zu Rieser Kulturragen: Vergleich zu früheren Katastrophen
Bei einem wegen Corona online angesetzten Vortrag mit dem Titel „Franz Bühlers musikalischer Rückblick auf ein schlechtes Jahr des 18. Jahrhunderts“ nahm Ullrich offensichtlich Bezug auf die aktuell grassierende Corona-Pandemie, denn er zeigte anhand Bühlers „Altjahrkantate“ auf, dass auch in früheren Zeiten Katastrophen die Menschen aufwühlten. Insbesondere drücke sie die Not der Menschen musikalisch aus.
Der Eingangschor flehe bereits „Altes Jahr komm nicht wieder! Hast tausend Plagen ausgeheckt, die uns dein Lauf gebar.“ Des weiteren sei das Volk gequält worden „von Advokaten, Denunzianten, fremden Soldaten und Verschwörern“ und vom Russisch-Türkischen Krieg. Auf der Suche nach dem zunächst unbekannten Entstehungsjahr stieß das Studienseminar, das er auf Bühler ansetzte, auf das Jahr 1799, das aufgrund der im Text vorkommenden geschichtlichen Ereignisse identifiziert werden konnte. Damals herrschte offensichtlich allgemeine Weltuntergangsstimmung und dennoch sang der Schlusschor im entsprechenden Musikbeispiel „Gott wird uns nicht verlassen.“
Bühler komponierte 1790 die Neujahrskantate
Die eindringliche Schilderung der katastrophalen Zustände habe auch die Angst des Mönchs Bühler vor der Auflösung der Klöster im Nachgang der Französischen Revolution mit einbezogen. Die Recherchen der Co-Referentinnen Isabelle Krotz, Lena Gronbach und Franziska Blessing hätten allerdings nachgewiesen, dass Bühler die „Altjahrkantate“ erst nach seinem Austritt aus dem Kloster Donauwörth in Bozen geschrieben hätte, wo er 1794 die Stiftsorganistenstelle angetreten hatte. Die Kantate sei also eine Bestellung aus Donauwörth gewesen, für Dr. Ullrich ein wichtiges musikalisches Kulturgut und zugleich ein geschichtliches Dokument besonderer Art.
Als Pendant dieses Werks gelte die 1790 komponierte „Neujahrskantate“, die statt eines Jahresrückblicks die vom neuen Jahr erbetenen Wünsche ausdrücke. Auf die Frage „Warum soll man sich freuen?“ sang der Chor im Hörbeispiel: „Gib uns Getreide und Wein!“. Die Menschen ersehnten sich also genügend Nahrung und wiederkehrende freudige Feste, vor allem auch das Ende des schon fünf Jahre dauernden Krieges in energischer Forderung: „Kriege auch verbitten wir!“
Beide Kantaten würden als „Grabmusiken“ bezeichnet, seien aber nicht für Beerdigungen gedacht, sondern als besonderer Musiktypus für Auferstehungsfeiern. Die Darstellung der Auferstehung Jesu in der Maihinger Klosterkirche sei ein ganzjährig zu besichtigendes, anschauliches Beispiel für diese religiöse Thematik. (emy)
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